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SAV-Programmvorschlag für die ASG

Alternative oder Flickwerk?

Jürgen Roth, Neue Internationale 98, März 2005

Im Gegensatz zu LINKSRUCK tritt die Sozialistische Alternative Voran (SAV) für ein sozialistisches Programm ein - zumindest verspricht das der Untertitel ihrer Broschüre vom Oktober 2004.

Die SAV geht darin von der Unversöhnlichkeit der Interessen von Proletariat und Bourgeoisie und der Unmöglichkeit eines "sozialen, humanen und friedlichen Kapitalismus" (S. 7) aus.

Ein Programm, das wirklich sozialistischen Charakter hat, muss sich v.a. daran messen lassen, ob es einen Weg weist vom gegenwärtigen Abwehrkampf zum Kampf für die sozialistische Revolution. Das SAV-Programm enthält fraglos richtige Elemente, die gegenüber dem Programmentwurf des Bundesvorstandes der ASG einen Fortschritt darstellen:

"Parlamentarische Positionen werden wir vor allem als Plattform zur Verbreitung unserer politischen Alternative und zur Unterstützung außerparlamentarischer Bewegungen nutzen … Die WASG unterstützt gewerkschaftliche und betriebliche Kämpfe und wird helfen, diese zu vernetzen. Kämpferische Basisinitiativen auf betrieblicher und gewerkschaftlicher Ebene erhalten unsere Unterstützung und wir setzen uns in den gewerkschaftspolitischen Debatten für einen Kurswechsel der Gewerkschaften hin zu einer kämpferischen Politik ein …" (7)

Ihre in 6 Punkten zusammengefassten Ziele, von denen die meisten durchaus unterstützenswert sind, kulminieren denn auch in der Forderung nach "Überführung der Banken, Konzerne und Versicherungen in Gemeineigentum … Demokratische Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung" (10).

Doch wie soll das bewerkstelligt werden? Soll der bürgerliche Staat das durchsetzen? Welche Stufe und Organisationsformen des Klassenkampfes wären dazu notwendig und wie dauerhaft wäre diese Doppelherrschaft zwischen Arbeiterräten und bürgerlichem Staat? Soll er zuvor zerschlagen werden oder soll er sich etwa friedlich - Kraft eines Beschlusses einer ASG-Parlamentsmehrheit - auflösen? Mehr Fragen als Antworten! Gerade in der Staatsfrage aber dürfen MarxistInnen gar nichts offen lassen! Die SAV macht aber gerade das!

Auch ihr Kapitel 5 "Gegen Krieg und Kapitalismus" steht nicht etwa im Gegensatz zum komplett pazifistischen ASG-Programm. Die SAV fordert nicht etwa die Zerschlagung von Bundeswehr, Nato usw. Daraus könnte man sehr wohl folgern, dass die SAV die Bundeswehr - um ihre rechtesten Bestandteile gesäubert - auch für ein "sozialistisches Projekt" als brauchbar ansieht.

Der im ASG-Entwurf fehlende internationalistische Aspekt findet seine "alternative" Ergänzung im Kapitel 6 "Für eine neue Weltwirtschaftsordnung". Warum nicht für eine sozialistische, liebe SozialistInnen der SAV?! Im ersten Schritt "ist (es) möglich, politische Entscheidungen zu treffen, die dem Neoliberalismus Einhalt gebieten. Dazu fehlt den … etablierten Parteien und Regierungen aber der Wille." (ebd.)

Das ASG-Programm möchte diesen Willen gern in die imperialistischen Institutionen UNO, Weltbank, IWF, WTO hineintragen. Die SAV meint nun, dass diesem ersten "guten Willen" ein zweiter Schritt "folgen" müsse. "Nur die Ablehnung, die Sachzwänge des Kapitalismus zu akzeptieren, ermöglicht es, konsequent die Interessen der Arbeiter, Angestellten, kleinen Beamten, Erwerbslosen, RentnerInnen und Jugendlichen zu vertreten." (10)

Hier kommt die Methode der SAV klar heraus! "Zuerst" den Weg mit Reformisten und ihren Vorstellungen gemeinsam gehen. "Danach" - wenn sie durchgesetzt oder aber gescheitert sind - den Rechthaber spielen: Wir haben ja schon immer gesagt, dass es nicht genug ist! Erst dann trennen sich die Wege von SAV und ASG-Vorstand! Welch Unsinn!

Die ASG-Spitze verballert mit ihrer utopischen Strategie der Rückkehr zu den "goldenen Zeiten" der "Sozialpartnerschaft" von Adenauer bis Schmidt das kostbare Potential einer politischen Alternative. Sie nimmt nicht den Kampf gegen den Neoliberalismus praktisch auf, um ihm eine Anleitung zu geben, sondern hofft passiv auf Mitgliedergewinne durch das Abbröckeln der SPD-Wählerbasis.

Das "Übergangsprogramm" der SAV enthält zwar einige radikale Losungen, welche die ReformistInnen nicht auf ihrem Zettel haben; aber es schlägt eben nicht die Brücke vom heutigen Bewusstsein der Arbeiter(vorhut) zum Ufer der Diktatur des Proletariats, benennt keine unabhängigen Klassenorgane wie Fabrikkomitees, Arbeitermilizen und -räte, sondern will nur "einen" Schritt weiter als das vorherrschende reformistische Bewusstsein derjenigen sein, die mit der SPD (einstweilen) organisatorisch gebrochen haben, ohne damit aber schon der sozialdemokratisch-reformistischen Ideologie den Laufpass gegeben zu haben.

Die revolutionäre Sprengkraft des Übergangsprogramms wird von der SAV - und nicht nur in ihrem ASG-Vorschlag, sondern immer! - doppelt entschärft:

1) werden einzelne Losungen aus dem Gesamtzusammenhang des Programms gerissen. Es gibt aber eben keine Einzellosungen, die für sich genommen mit wundersamer Sprengkraft den Kapitalismus zerstören könnten, wenn man nur heftig genug für sie kämpft! Alle Übergangslosungen müssen in eine Strategie für die Zerschlagung des Kapitalismus, die Diktatur des Proletariats eingebettet sein, sonst sind sie integrierbar und wirkungslos selbst für die Entfaltung von Doppelherrschaft.

2) fehlen bei der SAV hier wie stets die eigentlich zentralen, die Frage der Macht betreffenden Losungen nach Räten, Arbeitermilizen, Arbeiterkontrolle und der Zerschlagung des bürgerlichen Staates.

Die Vorschläge der SAV würden das ASG-Programm graduell verbessern - eine Anleitung zum Handeln im Klassenkampf oder ganz und gar sozialistisch wäre es auch dann nicht!

Zudem bringt es auch den Kampf innerhalb der ASG gegen die klar reformistische Führung der Ernst, Händel, Troost u.a. keinen Schritt voran. Anstatt die methodischen und strategischen Differenzen zwischen Reformismus und Marxismus offen zu legen, werden sie von der SAV verkleistert.

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Nr. 98, März 2005

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