Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

PDS aktuell

Reformistischer Phönix?

Rex Rotmann, Neue Internationale 93, September 2004

Der Sage nach erhebt sich der verbrannte Vogel Phönix aller 500 Jahre wieder aus der Asche. Ganz so lange hat es bei der PDS nicht gedauert. Inzwischen sind ihre Umfragewerte besser als je zuvor. In Brandenburg steht sie vor den Landtagswahlen bei 36, bundesweit bei 7%! Woher kommt dieses Hoch und - wird es andauern?

Der Führungswechsel der PDS von Gysi, dem in Berlin gescheiterten Wirtschaftssenator, zu Bisky markierte einen Tiefpunkt der PDS. Mit der Beteiligung der Partei an den Landesregierungen in Berlin und Schwerin begann der Abwärtstrend. Vor allem in Berlin zeigte sich die Partei nicht als Garant einer erfolgreiche reformistischen Praxis, sondern als Beispiel dafür, wie der gegenüber der SPD „linkere“ Reformismus an der Realität der kapitalistischen Krise scheitert. Angesichts leerer Kassen, der Massenarbeitslosigkeit und schwindenden Steuereinnahmen setzte die PDS selbst die Politik des Sozialabbaus und der Kürzungen in der Praxis um, anstatt sie zu bekämpfen. Das ist kein Zufall, sondern nur ein notwendiges Resultat ihrer Strategie, die sich vollständig im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft bewegt und deren Spielregeln akzeptiert.

Das Erreichen ihres langfristigen Zieles, der Regierungskooperation mit der SPD, erwies sich als Eigentor. Viele WählerInnen der PDS wandten sich enttäuscht von ihrer Partei ab, weil sie in deren Politik keine Alternative zum Sozialabbau sahen, sondern Mittäterschaft. So stand die Besetzung der PDS-Zentrale durch die streikenden StudentInnen dafür, dass für sie die PDS nicht Partnerin im Kampf war, sondern Gegnerin.

Die Erwartungen der PDS-AnhängerInnen selbst sind freilich überwiegend reformistisch. Niemand erwartet von der PDS einen entschlossenen Kampf gegen den Kapitalismus. Viel eher glaubt man, mit der PDS könne der soziale Abrutsch gedämpft oder verlangsamt werden.

Doch die Krise des Kapitalismus und der von Kapital und Regierung forcierte strategische Angriff auf soziale Errungenschaften und die Arbeiterbewegung lassen kaum noch Spielraum für „sozialpartnerschaftliche“ Kompromisse oder reformistische Umverteilungen. Die Verteidigung alter oder gar neue Errungenschaften sind nur noch möglich, wenn der Klassenkampf konsequent geführt wird und die Arbeiterklasse ihr soziales Gewicht ins Spiel bringt. Das erfordert aber gerade auch den Bruch mit „reformistischen Gewohnheiten“. Doch das ist im Konzept der PDS nicht vorgesehen. Die PDS hat weder ein Konzept, wie die Gewerkschaften aus der lähmenden Umklammerung des bürokratischen Apparates befreit werden können, noch formuliert sie eine klare Kritik an Sommer und Co.

Rechtstrend

Auch programmatisch ist die PDS immer weiter nach rechts gegangen. Der letzte Parteitag in Chemnitz bekannte sich ausdrücklich zu Privateigentum und Konkurrenz als „unverzichtbar für Wirtschaftsdynamik und Innovation“. Dieser Trend in Programm und Praxis sollte die PDS für die große reformistische Schwester SPD „akzeptabel“ machen und ihre Regierungsfähigkeit - sprich die Treue zu den Grundlagen des Kapitalismus - beweisen.

Doch die letzten Europawahlen haben gezeigt, dass die AnhängerInnen der PDS diesen Kurs nicht honorieren. Dort, wo die PDS mitregiert, hat sie erhebliche Stimmenverluste hinnehmen müssen. Nur in Thüringen, wo sie (noch) nicht regiert, konnte sie deutlich zulegen. Der v.a. daraus resultierende Zugewinn von bundesweit nur 12.000 Stimmen ist angesichts der tiefen Krise der SPD aber beschämend genug.

Es zeigt sich, dass ein linkeres Image gegenüber der SPD allein nicht ausreicht, um politisch punkten und sich langfristig als zweite reformistische Partei behaupten zu können. Dazu müsste die PDS größere Teile der Gewerkschaften resp. des Apparates hinter sich bringen. Doch der kriselt selbst und polarisiert sich politisch. Der rechtere Teil vollzieht den Rechtstrend der SPD mit und sieht deshalb in der PDS keine Partnerin. Dem nach links drängenden Teil hat die PDS aber auch nichts zu bieten; nicht nur, weil sie im Westen keine Verankerung hat.

Es ist bezeichnend, dass die Westausdehnung der PDS - ohne Frage perspektivisch überlebenswichtig - nicht funktioniert. In den 1990ern war es der PDS zwar gelungen, sich im Milieu der Linken und bei einigen linkeren GewerkschafterInnen zu verankern. Doch bald zeigte sich, dass sie konzeptionell mit ihren wieder aufgewärmten alten reformistischen Konzepten wenig attraktiv ist - vor allem für die aktiveren und kämpferischeren Teile der ArbeiterInnen und der Gewerkschaften, die sich aus dem Dunstkreis der SPD nach links wenden.

Wesentlich war auch, dass die PDS in den realen politischen Konflikten - ob im Uni-Streik in Berlin oder beim Streik für die 35-Stunden-Woche im Osten - sich nicht klar und vorwärts treibend auf die Seite der Kämpfenden gestellt hat, sondern versuchte, eine „Mittelposition“ einzunehmen. Einerseits beugte man sich den „Sachzwängen“ des Landeshaushalts oder den Wirtschaftsinteressen der ostdeutschen Kapitalisten, andererseits versuchte man, zu vermitteln, um die eigene Klientel nicht zu arg vor den Kopf zu stoßen.

Auch die Tatsache, dass sich viele, die sich von der SPD abwenden, mit der Wahlalternative eine neue Partei zu schaffen suchen, offenbart die geringe Attraktivität der PDS.

Vorhut oder Nachtrab?

Der aktuelle Aufschwung der PDS erklärt sich einerseits aus der Krise der SPD und andererseits aus der Radikalisierung und Mobilisierung der Massen, wie sie momentan v.a. in den Montagsdemos zum Ausdruck kommt. Mangels einer revolutionären oder wenigstens klassenkämpferisch Alternative bindet die PDS erneut - vor allem natürlich im Osten - die Erwartungen in eine „bessere Politik“.

Doch welche Rolle spielt die PDS im Widerstand gegen Agenda und Hartz-Reformen?

Im Osten ist die PDS immer noch die einzige Kraft mit wirklicher Verankerung in den Massen. Ihre Mitgliedschaft besteht zwar überwiegend aus RentnerInnen und ihre Verankerung in den im Osten ohnehin schwächeren Gewerkschaften ist nicht sehr stark. Doch über ihre Einfluss in den Sozialverbänden und in den Kommunen bindet sie immer noch große Teile der ArbeiterwählerInnen, insbesondere der Arbeitslosen. Insofern könnte und müsste die PDS Hauptinitiatorin der Proteste sein. Doch das tut sie - bewusst - nicht!

Auf die Frage, warum die PDS selten offen zu den Montagsdemos aufruft, erfährt man dann z.B., dass sie die Montagsdemos nicht für den Wahlkampf instrumentalisieren wolle. Was sich hier als clevere Taktik darstellt, ist jedoch Ausdruck eines tiefen Dilemmas der PDS.

Zum einen hat sie keine Antwort darauf, wie die Proteste, wie der Widerstand gegen Agenda und Hartz weiter entwickelt werden soll. Eine klare Positionierung, dass politische Streiks oder ein Generalstreik nötig wären, sucht man bei der PDS vergebens. Das würde freilich auch nicht zu ihrem reformistischen Konzept passen und zudem mit ihrer eigenen (Mit)Regierungspolitik auf Landesebene kollidieren.

So unterstützt die PDS die Montagsdemos zwar und stellt vielerorts die Logistik. Doch davon, dass die PDS die Proteste bewusst ausweitet oder gar davon, dass sie betriebliche Aktionen organisiert, kann keine Rede sein. Die Unterstützung der Demos am Montag ist so letztlich nur ein Mittel, mehr Wählerstimmen für sich zu gewinnen. Danach kann man dann vielleicht auch in Brandenburg oder in Sachsen mitregieren und in den nächsten Bundestag als Fraktion einziehen, um einige Retuschen an den „Reformen“ vorzunehmen. Denn die Reformen an sich - das haben PDS-Funktionäre wie der Berliner Wirtschaftssenator Wolf wiederholt klar gemacht - sind natürlich notwendig. Nur Ausmaß und Tempo der Angriffe sind „nicht angemessen“. Die Reformen müssen „sozial ausgewogener und gerechter“ sein.

Insofern ist die Rolle der PDS klar: die beginnende Mobilisierung und Radikalisierung der Massen soll im Rahmen des Systems gehalten und in parlamentarisch-demokratische Bahnen gelenkt werden. Die PDS, die von vielen als Motor oder jedenfalls als Unterstützer gesehen wird, ist in Wahrheit eine Bremse der Bewegung. Denn die Kraft, die Perspektive des Widerstands hängt zuletzt immer von seinen politischen Zielen ab und davon, ob die Arbeiterbewegung als eigenständige Klassenkraft agiert und gegen den Kapitalismus kämpft. Die PDS steht dem klar entgegen.

Gerade deshalb müssen wir Forderungen an die PDS stellen, den Widerstand auszuweiten und sich für politische Massenstreiks einzusetzen. So kann die PDS in der Praxis getestet werden, inwieweit sie den Kampf vorantreibt oder nur mitschwimmt.

Die Umfragen vor den Länderwahlen in Brandenburg und Sachsen zeigen, dass es derzeit wieder erhebliche Illusionen in die PDS gibt. Eine Stimme für die PDS ist eine Stimme des Protestes gegen Schröder und seine Politik. Auch deshalb müssen Revolutionäre für die Wahl der PDS in Brandenburg und Sachsen aufrufen.

Doch diese Wahlunterstützung ist eine kritische. Zugleich muss die Juniorrolle der PDS beim Sozialabbau in Schwerin und Berlin anprangert und die Perspektivlosigkeit ihrer Strategie aufgezeigt werden.

Auch wenn die PDS gegenwärtig dem Phönix ähnelt - langfristig ist sie doch nur der Ikarus, der mit einem untauglichen Flugapparat hoch hinaus wollte - und abstürzte.

Leserbrief schreiben   zur Startseite

neue internationale
Nr. 93, September 2004

*  Montagsdemos: Weg mit Hartz!
*  Hartz IV: Minilohn und Maxizwang
*  Hartz IV und Frauen: Zwischen Herd und Billigjobs
*  Neues Fiasko der IG Metall: Daimlers Sumpfkopeke
*  PDS aktuell: Reformistischer Phönix?
*  Heile Welt
*  Venezuela: Chavez siegt - für wen?
*  Sudan und der Imperialismus: "Humanitäre" Intervention?
*  REVOCAMP 2004: Eine Spitzensache!
*  Kampf dem Rassismus! Freiheit für Mário Bango!
*  Michael-Moore-Film: Fahrenheit 9/11
*  14.-17. Oktober: Europäisches Sozialforum: London Calling!