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Studentenstreik

Bremer Erfahrung

Michael Kopf, Neue Internationale 88, März 2004

Der Bremer Unistreik begann Mitte Dezember 2003 und fand Anfang Januar sein recht unrühmliches Ende. Der Streik, der sich gegen die Einführung von Verwaltungsgebühren in der Höhe von 50 € pro Semester und Studienkonten ab dem 15. Semester wandte, endete in einer Niederlage.

Es gab keine klare politische Kraft oder Gruppe, die in der Lage war, eine konkrete Kampfperspektive für den Streik aufzuzeigen, d.h. die nächsten notwendigen, weiterführenden Schritte zu vermitteln. So herrschte schon allgemeine Verwirrung darüber, was einen Streik auszeichnet. Dementsprechend wurde der Unibetrieb nur teilweise lahm gelegt. Es gab keine konsequente Streikblockade, um Vorlesungen und Forschung zu verhindern. Die Studiengangsausschüsse (STUGAs) - die treibende Kraft des Streiks - hatten keine Perspektive, die auf eine Verbindung des Unistreiks mit den Angestellten und Beschäftigten, den Gewerkschaften und ihren Kämpfen gesetzt hätte.

Halbautonome Gruppen wie 'Andiamo-Linke Basis' oder anarchosyndikalistische Gruppen wie 'Alternative Uni' erkannten zwar, dass die Angriffe auf den Bildungssektor im Zusammenhang mit dem allgemeinen Sozialabbau und den Kapitalverwertungsinteressen stehen, sie konnten jedoch außer der abstrakten Notwendigkeit, für eine "neue Gesellschaft" einzutreten, keine konkreten Kampfmaßnahmen angeben.

Auch ihnen fehlte eine Orientierung auf die Arbeiterbewegung. Es wurden keine Forderungen an Ver.di und GEW gestellt, den Streik direkt zu unterstützen und eine gemeinsame Kampffront aufzubauen. Wäre ein solche Stoßrichtung auch z.B. an der Sabotage der Gewerkschaftsführungen gescheitert, hätte sie zumindest zum Aufbau permanenter Verbindungen zu den BasisgewerkschafterInnen an der Uni genutzt werden müssen.

Der Gipfel der politischen Verwirrung war die Gruppe 'Keine Perspektive', die ihrem Namen wirklich Ehre machte. Diese Gruppe ist eine studentische Nachfolgeorganisation der Marxistischen Gruppe (MG). Getreu der alten MG-Logik schloss sie aus der Tatsache, dass der bürgerliche Staat schon von je her soziale Auslese im Bildungsbereich betreibt, dass es inkonsequent sei, nur gegen bestimmte Maßnahmen zu kämpfen.

Das unrühmlichste Kapitel schrieb der gemeinsam von Jusos und Grünen geführte ASTA, der sich als Bremskraftverstärker darstellte. Der ASTA war schon monatelang über die Pläne des Bildungssenators informiert, tat aber nichts, um die StudentInnen zu mobilisieren. Als der Streik auf der ersten Vollversammlung im Dezember 2003 ausgerufen wurde, sprang der ASTA auf den fahrenden Zug auf, um sein Tempo zu drosseln. Danach erklärte man dann in der Presse, dass die Vollversammlung nach den Weihnachtsferien nur noch das Ende des Streiks beschließen könne. Hier wurde deutlich, dass die ASTen als quasi bürgerlich-parlamentarische Regierungsinstitution an den Unis für den Kampf meist unbrauchbar sind.

Es gab keinen demokratisch legitimierten Streikrat, der auf der Vollversammlung gewählt wurde und jederzeit rechenschaftspflichtig und abwählbar ist. Der Streikrat, der existierte, hatte keine Entscheidungsgewalt und war nur ein beratendes Gremium.

So positiv es war, mit "fantasievollen" Aktionen oder Vorlesungen auf dem Bahnhofsvorplatz das Interesse der Öffentlichkeit und Medien weckten - auch in Bremen ersetzten solche Aktivitäten, die nur auf Medienpräsenz und "Spektakel" aus waren, Aktionen, die den Streik wirklich zu einem Streik gemacht hätten, der Lehre, Forschung, öffentlichen Verkehr usw. so lange blockiert und behindert hätte, bis die Streikziele erreicht sind.

In einem Punkt war Bremen "vorn": Es existiert schon seit geraumer Zeit eine private Eliteuni (Internationale Universität Bremen). An dieser Uni gastieren hauptsächlich Studis, die bzw. deren Eltern sich das Studium finanziell leisten können, d.h. mehrere Tausend Euro Studiengebühr bezahlen - die spätere Politik-, Wirtschafts- und Verwaltungselite der herrschenden Klasse(n) also!

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Nr. 88, März 2004

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* Metall Tarifrunde 2004: Vergebene Chancen
* Heile Welt
* SPD mit neuer Spitze: Wechsel ohne Wandel
* Uni-Streiks: Eine Zwischenbilanz
* Studentenstreik: Bremer Erfahrung
* 200. Todestag Kants: Freiheit, philosophisch betrachtet
* Demokratischer Rassismus: Nein zum Kopftuchverbot!
* Slowakei: Hungeraufstand der Roma
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* München: Solidarität mit den Festgenommenen!
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