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Leiharbeit und Werkverträge Gesetz auf Eis Jürgen Roth, Neue Internationale 208, April 2016 Als das Arbeitsministerium im November 2015 den ersten Referentenentwurf zur Einhegung der Leiharbeit und gegen eine ausufernde Werkvertragspraxis vorlegte, hagelte es von allen Seiten Kritik. Den Gewerkschaften ging er nicht weit genug; den Unternehmerverbänden schmeckte v.a. der Versuch nicht, Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßem und missbräuchlichem Fremdpersonaleinsatz gesetzlich festzuschreiben. Auf Merkels Kritik hin, der Entwurf gehe über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hinaus, wurde im Februar 2016 ein zweiter Entwurf vorgelegt. Dieser wurde von den Wirtschaftsverbänden gelobt. Auch IG BCE und IG Metall empfanden ihn als Minimalkompromiss. IGM-Vorsitzender Hoffmann fällt mit der Verteidigung einer auf der Linie eher exklusiver Verhandlungslösungen für die eigene Branche liegenden Gesetzesvorlage selbst dem DGB in den Rücken. Dieser fordert einen allgemeinen Schutz von Leiharbeitskräften und WerksvertraglerInnen vor Ausbeutung und Lohndumping. Die CSU blockiert zur Zeit auch den 2. Entwurf, so dass das Gesetzesvorhaben auf Eis liegt. Sie verlangt in neun Punkten Nachbesserung und bricht auch in dieser Frage einen Koalitionsstreit vom Zaun. Einhegung der Werkvertragsarbeit weitgehend gescheitert Lediglich in zwei Punkten bringt der Neuregelungsversuch einen Fortschritt: beim Verbot des Einsatzes von Leih- und Werkvertragsarbeit zum Zweck des Streikbruchs und der Zuordnung von Arbeitskräften zum Entleihunternehmen bzw. Werkvertragnehmer im Falle verdeckter Arbeit„nehmer“überlassung auch für den Fall, dass das Verleihunternehmen/die WerkvertragleisterIn über eine Überlassungserlaubnis für Leiharbeit verfügt („Vorratsregelung“). Die weitestreichende Abschwächung der zweiten Vorlage betrifft den Versuch, den Missbrauch von Werkverträgen durch einen konkreten Kriterienkatalog zu unterbinden. Der erste Referentenentwurf listete noch die Vertragspflichten eines Arbeitsvertrages in Abgrenzung zu Werkvertragsgestaltungen auf. Dieser Katalog fehlt im neuen Dokument völlig und damit die Möglichkeit der Abgrenzung von Werkverträgen zur Scheinselbstständigkeit. Die Betriebsräte müssen nach wie vor nur über den Einsatz von Werkvertragspersonal informiert werden, weitergehende Mitbestimmungsrechte sind nicht vorgesehen. Re-Regulierung der Leiharbeit bleibt unwirksam Auch die Pläne zu einer wieder stärkeren Regulierung von Leiharbeit sind noch einmal aufgeweicht worden. Die gleiche Bezahlung von LeiharbeiterInnen (equal pay) soll erst nach 15 statt nach 12 Monaten eintreten. Per Tarifvertrag kann weiterhin die Überlassungshöchstdauer über die maximal vorgesehenen 18 Monate hinaus ausgedehnt werden. Lediglich bei nicht tarifgebundenen Betrieben ist nun eine absolute Obergrenze von 24 Monaten gesetzt worden. Sehr zur Freude der Leiharbeitsfirmen spielen diese zeitlichen Obergrenzen in der Praxis ohnehin kaum eine Rolle. Laut einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesanstalt für Arbeit (BA) waren 2010 fast die Hälfte aller Leiharbeitsbeschäftigten nicht länger als drei, 28 Prozent länger als neun und nur ganze 14 Prozent mehr als 18 Monate beim Entleihbetrieb tätig. Erfahrungen Nach gut drei Jahren Erfahrung mit Branchentarifverträgen zu Leiharbeit, die von DGB-Gewerkschaften abgeschlossen wurden, nach der Verabschiedung der gelben Gewerkschaften aus der Branche (z.B. CGB) und vor dem Hintergrund der Gesetzesdebatte lässt sich folgendes Fazit ziehen: Weit entfernt von einem „Minimalkompromiss“ verfestigt das Gesetzesvorhaben der Großen Koalition den Grundsatz, dass die Diskriminierung der LeiharbeiterInnen die Regel und nicht die Ausnahme ist. In den Betrieben bleibt alles beim Alten: beim Drei-Klassen-System von relativ gut gesicherten Stammbelegschaften, schlechter entlohnten und prekär beschäftigten LeiharbeiterInnen und noch schlechter bezahltem Fremdpersonal auf Werkvertragsbasis. Wie kämpfen? Selbstverständlich müssen alle GewerkschafterInnen den Aufruf des DGB München zu einer regionalen Kundgebung und Protestaktion am 9. April in der bayerischen Landeshauptstadt unterstützen. Diese steht unter dem Motto „Wir lassen uns nicht spalten!“ und richtet sich (nur) gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen. So richtig diese Aktion ist, so wichtig es ist, alle betrieblichen Mitbestimmungsmöglichkeiten auszunutzen, alle Tarifkämpfe zur Verbesserung des Loses dieser prekären Beschäftigten zu unterstützen, so muss doch die Beihilfe der DGB-Gewerkschaften zur Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse unter den gesetzlichen Standard mittels ihrer „schwarzen Tarifpolitik“ scharf kritisiert werden. Ein Ende dieser Komplizenschaft kann aber nur dann diese Spaltung der ArbeiterInnenklasse aufheben, wenn es in einen politischen Streik unter der Forderung „Verbot der Leiharbeit! Gleicher Lohn für gleichartige Arbeitstätigkeit!“ mündet. Eine Nichtverlängerung diskriminierender Tarifverträge kann nur Auftakt dazu sein, kein Ersatz für die Aufhebung der von unserem Klassengegner verursachten Spaltung. |
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