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USA

Kampf für 15 Dollar

Tobi Hansen/ Marcus Vickers, Neue Internationale 190, Juni 2014

In den letzten drei Jahren konnte die US-Ökonomie ein Wachstum von 2-3% vorweisen, womit die etablierten Konkurrenten Japan und BRD überflügelt werden konnten. Insgesamt scheint die US-Ökonomie stabilisiert. Derzeit feiern die Börsen absolute Höchststände, einen Dow Jones von über 15.000 Punkten gab es noch nie in der Geschichte. Gleichzeitig konnte die Arbeitslosigkeit abgebaut werden, offiziell liegt sie 2014 unter 7%.

Während die Wall Street Rekorde feiert und das US-Finanzkapital munter weiter die Märkte mit Dollars überflutet und inzwischen seit fast 5 Jahren 0% Prozent Zinsen für frisches Geld von der FED (Federal Reserve-Zentralbank) „zahlen“ muss, könnten tatsächlich manche glauben, die Krise sei vorbei - doch das ist keineswegs so!

Die Flut von billigen Krediten, welche zu Börsenhöchstständen führen, führen auch ziemlich sicher zur nächsten Krise, dies ist aus den Jahren 2007/08 noch gut bekannt. Der US-Imperialismus kann derzeit viel Kapital aus anderen Staaten und Märkten anziehen, die Krise der Schwellenländer ist eine Auswirkung dieser Situation. Somit hat sich das Finanzkapital der USA stabilisiert, für dieses wurde ein „Bail Out“ von mehreren Billionen Dollar durchgeführt, wodurch es seine Führungsrolle an den Börsen und Finanzmärkten beibehalten konnte.

Staatsverschuldung

Aber auch diese „Bail Out´s“ müssen zumindest in die Bilanz der Staatsverschuldung aufgenommen werden. In dieser Kategorie kann die USA fast schon als „failed State“ bezeichnet werden. So hat der US-Staat unter der Obama-Administration schon mehr neue Schulden aufgenommen als unter 8 Jahren George W. Bush, der damit zwei Kriege auf Pump finanzierte. Auch Obama muss die Folgen der Kriege und der Finanzkrise mit Schulden finanzieren. So stehen die US-Schulden bei knapp 17 Billionen Dollar. Damit haben die USA seit einigen Jahren mehr Schulden als ihr jährliches Bruttoinlandsprodukt beträgt - nach kapitalistischen Maßstäben, wie sie  z.B in Südeuropa angewendet werden, ist die USA ziemlich pleite.

Dementsprechend ist der US-Staatshaushalt in den letzten Jahren zu einer Verhandlungsmasse der Bourgeoisie inkl. der parlamentarischen Institutionen geworden, Senat und Repräsentantenhaus müssen zunächst beide jede Neuverschuldung neu genehmigen. Dabei wurden verschiedene Einsparungen im Öffentlichen Dienst für die nächsten 10 Jahre beschlossen, auch die von Obama versprochene Krankenversicherung (Medic Aid) wurde arg gerupft.

Auf dem Arbeitsmarkt hat es eine massive Umstrukturierung gegeben, einige der Millionen Entlassenen aus den Jahren 2008/09 haben im Dienstleistungsbereich Jobs gefunden, dabei wurden gut bezahlte Arbeitsplätze abgebaut und schlecht bezahlte Jobs neu geschaffen. Dieser Teil der US-Arbeiterklasse, der als „working poor“ bezeichnet wird, stellt heute schon die Mehrheit der Beschäftigten. Jobs im Öffentlichen Dienst, die noch vor 10-15 Jahren ein halbwegs auskömmliches Leben in den Großstädten garantierten, reichen heute nicht mehr zum Leben in der Großstadt. Die Betroffenen sind gezwungen, in die Vorstädte zu ziehen und täglich mehrere Stunden mit Fahrzeit zu vergeuden. Speziell große Teile der afro-amerikanischen und hispanischen Teile der Beschäftigten arbeiten im Niedriglohnsektor, als working poor.

Der Widerstand des Öffentlichen Dienstes in Wisconsin gegen die Kürzungen und Entlassungen wie auch die „Occupy Wall Street“-Bewegung erlitten 2011 Niederlagen, zeigten aber auch das Potential für Widerstand in den USA auf. 2014 gab es Wahlerfolge der Linken in den USA, wie sie nicht alltäglich sind - in Seattle gewann die Kandidatin der Socialist Alternative (CWI, hier SAV) Swant einen Sitz im Stadtparlament und in Ohio gewannen 10 unabhängige KandidatInnen der Gewerkschaften Sitze gegen die vorherrschenden Demokraten. Das zeigt auch eine partielle Radikalisierung der Arbeiterklasse.

Aktuell ist die „Fight for 15 Dollars“-Kampagne ein Lebenszeichen im US-Klassenkampf. Speziell die Beschäftigten von Fast Food-Ketten, darunter viele vom Multi McDonald´s, beteiligten sich an Streiks und Protestaktionen. Am 15. Mai war ein internationaler Protesttag gegen die Arbeitsbedingungen bei McDonald´s, in den USA war es die Hauptmobilisierung der „Fight for 15 Dollar“-Kampagne, die dortigen AktivistInnen sprechen von Aktionen in 150 Städten und 30 Bundesstaaten.

Chicago war das Zentrum dieser Aktionen. Am 15. Mai gingen mehrere tausend Beschäftigte auf die Straße, eine Woche später trugen sie den Protest vor die Konzernzentrale von McDonald´s nach Oak Brook, einem Vorort von Chicago.

McDonald´s zahlt einen Stundenlohn von 8,99, die Vollzeitbeschäftigten können davon nicht leben und müssen entweder weitere Jobs annehmen oder Sozialhilfe beantragen. Durch die Arbeitsmarktsituation sind solche Jobs eben keine „Durchgangsstation“ für die Beschäftigten auf dem Weg zum „American Dream“, sondern oft die einzige Möglichkeit, überhaupt eine Vollzeitstelle zu bekommen.

Die Protestierenden versuchten, die Konzernzentrale zu erreichen und Multi und Staat zeigten, was sie davon halten, wenn Beschäftigte höheren Lohn fordern. Auf Geheiß der Konzernführung wurde das Gebiet rund um die Konzernzentrale von der Polizei abgeriegelt, 138 Beschäftigte wurden wegen „illegalem Aufenthalt“ verhaftet. Die Konzernführung sah sich dann genötigt, zumindest per Pressekonferenz die angeblich guten Arbeitsbedingungen und tollen Aufstiegsmöglichkeiten im Konzern zu erwähnen. Dazu kam noch die Aussage, das ja keiner bei McDonald´s arbeiten müsste. Wenn jemand mehr Geld verdienen wollte, stünden ja noch andere Jobs offen. Für einen Vorstandslakaien trifft das Letztere sicher zu.

Für die Beschäftigten müssen diese Aussagen ein Schlag ins Gesicht sein und sollten sie antreiben, ihre Kämpfe weiter zu führen. Die Beschäftigten im Dienstleistungsbereich können sich eben nicht aussuchen, welchen besser bezahlten Job sie annehmen, es gibt diese Jobs nicht und so sind viele gezwungen, in diesen Betrieben zu bleiben. Nach den Verhaftungen bekamen die Proteste deutlich mehr Öffentlichkeit und so konnten AktivistInnen per TV-Interviews ihre Arbeitssituation schildern und zeigen, dass es berechtigten Protest von ArbeiterInnen gibt. Speziell weibliche Beschäftigte und migrantische Unterdrückte prägen das Bild von „Fight for 15 Dollars“, diese Gruppen können die  neue Speerspitze des Klassenkampfes werden.

Die „Socialist Alternative“ ist führend in dieser Kampagne und konnte im Stadtparlament von Seattle in erster Lesung einen Mindestlohn von 15 Dollar in der Stadt verabschieden. Es wird nun darauf ankommen, diese Kampagne zu verbreitern und in die Gewerkschaften AFL-CIO und Alliance for change hinein zu tragen. Diese Kampagne darf nicht die erfolgreiche Mobilisierung einer Gruppierung bleiben, sie kann breite Schichten der Arbeiterklasse erreichen. Dann muss auch diskutiert werden, dass 15 Dollar zwar eine Steigerung sind, bei weitem aber nicht ausreichen, um ein „sorgenfreies“ Leben zu führen, ganz zu schweigen davon, was den Arbeitslosen in den USA zum Leben bleibt - größtenteils Lebensmittelmarken, die noch nicht einmal von jedem Laden akzeptiert werden.

Unsere GenossInnen von Workers Power US haben diese und viele andere Fragen auf ihrer diesjährigen Jahreskonferenz diskutiert. Sie werden sich, wo es möglich ist, an der Kampagne beteiligen und für eine Verbreiterung und weitergehende Forderungen eintreten. Was die Lohnhöhe angeht, so sind 25 Dollar eigentlich der Stundenlohn, von dem Beschäftigte leben können. An diesen Betrag müsste auch die Unterstützung für Arbeitslose angepasst werden. In den USA sind Millionen Arbeitslose getarnt in privaten und öffentlichen Beschäftigungsprogrammen, welche für noch niedrigere Löhne als bei McDonald´s arbeiten, um überhaupt Bargeld in die Hand zu bekommen.

Arbeiterpartei

Entscheidend für die Entwicklung des Klassenkampfs in den USA ist aber die Frage einer Arbeiterpartei. Die GenossInnen von Workers Power US haben bei der diesjährigen Labournotes-Konferenz (ein Konferenz mit ca. 2.000 gewerkschaftlichen und politischen AktivistInnen aus den USA) eine Resolution verteilt, welche die Forderung nach einer politischen Alternative für die US-Arbeiterbewegung erhebt. Natürlich können sie als kleine politische Strömung dies nicht per Ausrufung beschließen, aber sie wollen UnterstützerInnen dafür finden und für dieses politische Bewusstsein in den USA kämpfen, da es ihrer Meinung nach der entscheidende Punkt auch für die aktuelle Krisenperiode ist. Mehrere Dutzend GewerkschafterInnen unterzeichneten diese Resolution und wollen darüber mit unseren GenossInnen in Kontakt bleiben. Auch andere Organisationen der radikalen Linken sind zumindest diskussionsbereit und haben auf die Resolution reagiert.

Für Workers Power US  kann in Kampagnen wie der „Fight for 15 Dollars“ ein Startpunkt für die Gewinnung neuer kämpferischer Schichten der Arbeiterklasse liegen. Doch die entscheidende Frage dabei ist: Welche Partei hat die US-Arbeiterklasse? Gegen die enge Verknüpfung der Gewerkschaftsbürokraten mit den Demokraten muss es ein alternatives Projekt der radikalen Linken geben - den Aufbau Arbeiterpartei in den USA!

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Nr. 190, Juni 2014
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