Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Krise in Thailand

Pseudodemokraten greifen nach der Macht

Tobi Hansen, Neue Internationale 185, Dezember 2013/Januar 2014

Am 9. Dezember hat Thailands Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra Neuwahlen angekündigt und das Parlament aufgelöst. In den letzten Wochen hatte es erneut Auseinandersetzungen gegeben, die in den Medien als Konflikt zwischen „Rot“- und „Gelb“-Hemden dargestellt werden.

Anders aber als beim „Arabischen Frühling“ handelt es sich hier jedoch nicht um eine Mobilisierung der Massen gegen diktatorische, pro-imperialistische Regime, sondern um eine der städtischen Eliten und „Mittelschichten“ gegen eine populistische Regierung.

In den letzten zwei Wochen hatten die „Gelben“, die Anhänger der oppositionellen „Demokratischen Partei“, wiederholt große Massen in der Hauptstadt Bangkok mobilisiert, die das Ende der Regierung von Yingluck Shinawatra forderten. Die Regierung der „Pheu Thai“-Partei (Partei für Thais) - Nachfolgepartei der 2007 aufgelösten TRT (Thai Rak Tahi, Thais lieben Thais) - reagierte unterschiedlich auf diese Proteste.

Zunächst ging die Polizei mit Tränengas und Spezialeinheiten vor, später zog die Regierung die Polizei zurück, ließ die Opposition den Regierungssitz und andere Gebäude „besetzen“, war zu Verhandlungen bereit und schließlich sogar zu Neuwahlen.

Auslöser der Proteste

2013 gab es einige Protestbewegungen gegen die Regierung. Aus sozialistischer Sicht waren sicherlich die Proteste der Kautschukbauern im September/Oktober am interessantesten. Diese organisierten einen Marsch nach Bangkok und protestierten gegen die massiven Preissenkungen für Kautschuk und die ausbleibende Hilfe der Regierung. Diese Bewegung besetzte Fernstraßen und Eisenbahnstrecken und lieferte sich in der Provinz Prachuap Khiri Khan Straßenschlachten mit der Polizei. Ebenso gab es zuvor Proteste im Süden Thailands gegen den Mae Wong-Staudamm. Auch sie organisierten einen Marsch nach Bangkok.

Neben diesen Protesten gab es aber auch ein Protestcamp der rechten Opposition in Bangkok, das von der „People's Democratic Force to Overthrow Thaksinism“ (Pefot) und der „Dharma-Armee“ (dem politischen Arm der buddhistisch-asketischen Santi-Asoke-Sekte) organisiert wurde, das als  Ausgangsbasis der „gelben“ Opposition diente.

Als „Thaksinism“ wird auch die aktuelle Regierung bezeichnet - Yingluck Shinawatra ist die Schwester des 2007 vom Militär weggeputschten Thaksin Shinawatra, welcher damals mit der TRT-Partei die Regierung stellte.

Für die Opposition waren daher auch nicht die stattfindenden sozialen Auseinandersetzungen die entscheidenden Punkte, sondern ein Amnestiegesetz, welches Anfang Oktober verabschiedet wurde. Nach diesem Gesetz sollten allen Beteiligten früherer Konflikte zwischen „Roten“ und „Gelben“ eine Generalamnestie eingeräumt werden, darunter auch dem im Exil lebenden Ex-Premier Thaksin Shinawatra, aber auch viele UnterstützerInnen der „Demokraten“ aus der Armee, die brutal gegen die Rothemden vorgegangen waren. Dennoch nahm die versammelte Opposition das Gesetz zum Mobilisierungsschwerpunkt.

Im Gegensatz zu manch anderen Protestbewegungen in halbkolonialen Staaten will die Opposition aber gar keine Neuwahlen. Sie will einen ungewählten „Volksrat“ anstelle der Regierung eingesetzt haben. In Thailands Zweikammer-System wurde bislang die Hälfte des Senats nicht „frei“ gewählt, sondern durch ein Wahlkomitee eingesetzt. Hier hatte die „Demokratische Partei“ ihre UnterstützerInnen, während sie bei den Parlamentswahlen keine Chance gegen die Partei Shinawatras hatte. Das ist auch ein Grund, warum die „Demokratische Partei“ immer wieder die Einschränkung des Wahlrechts der „ungebildeten“, unteren Klassen und Schichten fordert.

Daher war die Ankündigung von Neuwahlen auch in Thailand keine Überraschung. Kaum jemand geht von einem Wahlsieg der Opposition aus. Sie will am liebsten die ganze Regierung durch „Experten“ bestimmen lassen. Schon bei der Änderung des Wahlrechts zum Senat argumentierte die Demokratische Partei gegen die Änderung, da dann leider die „ungebildeten und unqualifizierten“ über die Zusammensetzung des Senats entscheiden könnten.

Unterstützer der rechten Opposition

Die Demokratische Partei bezieht ihre Unterstützung aus Teilen der staatlichen Bürokratie, aus kleinbürgerlich-nationalistisch/buddhistischen Bewegungen, der Monarchie und den Teilen der Bourgeoisie, die in Konkurrenz zum Shinawatra-Clan stehen. Deswegen soll der „Volksrat“ auch aus diesen Gruppen bestehen, inklusive Vertretern des Militärs und des Königshauses von Bhumibol Adulyadej, die schon beim Putsch gegen Shinawatra 2007 den „Gelbhemden“ hilfreich zur Seite standen.

Die Opposition ist nun abhängig von den Entscheidungen des Militärs und des Monarchen. Das trifft aber auch auf die aktuelle Regierung zu. Bei den Aufständen der „Rothemden“ 2011 war das Militär für 90 Tote verantwortlich, damals wurde die gelbe „Übergangsregierung“ vom Militär unterstützt. Das Militär hat großen Einfluss auf die Ökonomie, in den öffentlichen Unternehmen haben die Generäle Besitztitel, ebenso als Großgrundbesitzer gegenüber der Bauernschaft. König Bhumibol macht das, was das Militär sagt, daher ist heute der Ausgang der Entwicklung höchst schwierig vorherzusagen. Beide Seiten haben viele gemeinsame Abkommen, Geheimverträge etc. miteinander, letztlich wird das Militär entscheiden - solange die Massen nicht aktiv ins Geschehen eingreifen.

Die Linke Thailands und die Regierung

Die aktiven und organisierten Teile der Linken in Thailand sind in der UDD (United Front for Democracy against Dictatorship) vertreten und unterstützen mit dieser Bewegung die Regierung Shinawatras. Unter der ersten Regierung von Thaksin Shinawatra und der TRT Partei hatte diese Regierung große Unterstützung unter den Bauern und der ärmeren ländlichen Bevölkerung des Nordens Thailands. Erstmals veranlasste damals eine Regierung soziale Hilfen für die Armen, z.B. kostenlose medizinische Versorgung. Ebenfalls wurden im Norden große Infrastrukturinvestitionen vorgenommen, es gab eine Industrialisierung der strukturschwachen Regionen.

Auch die aktuelle Regierung zahlt seit der Wahl 2012 Mindestpreise für die einheimischen Bauern, die über den Marktpreisen liegen und versprach Wohltaten für die unteren und mittleren Einkommen und Familien. Steuererlasse beim Hausbau, subventionierter Autokauf oder auch ein Tablet-PC für alle Erstklässler gehören zu den sozialen Wohltaten des Shinawatra-Clans.

Seine Wirtschaftspolitik schwankt zwischen keynesianischen und neoliberalen Momenten; einerseits Stärkung des Binnenmarktes und des nationalen Mittelstands, andererseits Privatisierung der Staatsunternehmen. Der Shinawatra-Clan hat seine Milliarden hauptsächlich in der Telekommunikationsbranche mit dem Großkonzern Shin Corp verdient.

Die „Pheu Thai“ ist also eine Partei, die breite Massen integriert - allerdings unter Führung eines Teils der Kapitalistenklasse. Es ist daher auch kein Wunder, dass sie trotz der erbitterten Feindschaft durch die traditionelle Elite und die „Demokratische Partei“ nie die Institutionen des thailändischen Staates (Bürokratie, Armee, König) selbst in Frage stellte.

Die Privatisierungen der Staatsunternehmen hatten den Konflikt des Shinawatra-Clans mit den „gelben“ Teilen der Bourgeoisie herbeigeführt. Hier ging es um die Pfründe des Militärs und der Technokratie, welche durch die Regierung der „Rothemden“ gefährdet wurden.

Im aktuellen Konflikt geht es auch darum, ob beide Strömungen der Bourgeoisie wieder einen kurzfristigen Kompromiss aushandeln und welche Rolle dabei das Militär und die Monarchie einnehmen, um die Rechte beider Teile der Bourgeoisie zu sichern bzw. neu aufzuteilen.

Die Bourgeoisie braucht Widerstand!

Thailand hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem „Schwellenland“ entwickelt. 25% der Beschäftigten sind in der Industrie tätig, die jedoch 45% der Wirtschaftsleistung beiträgt. Thailand gehört mit 1,8 Mill. PKW pro Jahr, die v.a. für die japanische Industrie gefertigt werden, zu den 10 größten Autoproduzenten. Ebenfalls gehören Stahl/Elektroindustrie und die Textilindustrie zu den aufstrebenden Wirtschaftsbereichen.

Für die ArbeiterInnen und Bauern Thailands muss es darum gehen, die „Gelbhemden“ am Putsch zu hindern. Diese wollen eine gewählte Regierung absetzen und sich selbst in den „Volksrat“ putschen. Als die Aktionen der „Demokraten“ begannen, waren auch Hunderttausende  „Rothemden“ der UDD in Bangkok, aber sie wurden von der Ministerpräsidentin zurückgeschickt, die im Konflikt mit den „Gelben“ lieber vom König vermitteln lässt, als auf die eigene Masse zu setzen.

Das ist kein Wunder, denn ein solcher Kampf würde nur allzu leicht die Frage nach der Haltung zur Monarchie, zum Militär, zu den Institutionen der Kapitalisten und Großgrundbesitzer aufwerfen - und damit die inneren Klassengegensätze im Lager der Unterstützer der Regierung zum Vorschein bringen.

Für die progressiven, linken Kräfte in der UDD muss es darum gehen, politisch mit dem Shinawatra-Clan zu brechen. Der Kampf gegen die Demokratische Partei und den „gelben“ Teil der Bourgeoisie ist der Anfang. Es ist jedoch notwendig, einen unabhängigen Klassenstandpunkt zu formulieren, damit die Masse der ArbeiterInnen und Bauern nicht länger von bürgerlichen „WohltäterInnen“ wie den Shinawatras abhängig sind und bloß als deren Fußvolk fungieren.

Heute gilt es, den Kampf gegen jeden „demokratischen“ Putsch der „Gelben“ sowie gegen jede Form von „Übergangsregierung“ zu führen, die vom Monarchen oder vom Militär erzwungen werden soll. Gerade weil die „Gelben“ wenig Chance haben, bei den Wahlen zu gewinnen, ist es durchaus möglich, dass diese die Wahlen boykottieren und versuchen, in den nächsten Monaten ein Eingreifen von Militär und Monarchie zu erzwingen.

Diese Zeit muss genutzt werden, um die Linken um ein Programm der Klassenunabhängigkeit zu sammeln und zu einer Arbeiterpartei zu formieren, die den Kampf um demokratische Rechte mit dem um eine sozialistische Umwälzung verbindet. Zentrale Punkte eines solchen Programms wären:

Nein zu allen Einschränkungen demokratischer Rechte! Abschaffung der Monarchie, Einberufung einer Konstituierenden Versammlung, kontrolliert von Komitees der ArbeiterInnen und Bauern!

Entwaffnung der Reaktion, Bildung von Selbstverteidigungskomitees der ArbeiterInnen und Bauern, Bildung von Soldatenräten!

Aufbau von unabhängigen Gewerkschaften auf demokratischer und klassenkämpferischer Basis! Heute sind nur 2% der Beschäftigten der Privatindustrie organisiert, dafür aber 50% der Beamtenschaft in ihrer Gewerkschaft, die auf Seiten der „Gelben“ steht.

Enteignung des Großgrundbesitzes! Aufteilung unter jene, die es bewirtschaften und Unterstützung des Aufbaus von Agrargenossenschaften; Arbeiterkontrolle über landwirtschaftliche Großbetriebe!

Einigung des großen Konzerne und Banken und Entwicklung eines Wirtschaftsplans unter Arbeiterkontrolle!

Für eine Arbeiter- und Bauernregierung, die sich auf Räte und eine Miliz der Arbeiter- und Bauern stützt!

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 185, Dez. 13/Jan. 14
*  Lage nach den Wahlen: Was tun gegen die Große Koalition?
*  Koalitionsvertrag: Neuer Vorstoß zur "Tarifeinheit"
*  Konferenz der Gewerkschaftslinken: Mühsame Schritte
*  Niederlage bei Norgren: Sozialplan vereinbart, Streik ausverkauft
*  Einzelhandelsabschluss in Baden-Württemberg: ver.di rettet den Weihnachtsprofit
*  Blockupy 2014: Blockade und Selbstblockade
*  Neue Anti-kapitalistische Organisation: Jahr der Bewährung
*  China: Reform und Repression
*  Krise in Thailand: Pseudodemokraten greifen nach der Macht
*  Massenproteste in der Bretagne: Vorbote neuer Kämpfe
*  Luxemburg/Liebknecht-Ehrung: In wessen Spuren?