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Gewerkschaftslinke

Neustart für Opposition?

Frederik Haber, Neue Internationale 171, Juli/August 2012

Verschiedene Vernetzungen auf der Linken der Gewerkschaften laden zum gewerkschaftspolitischen Ratschlag im Herbst ein. Eigentlich ist eine solche Konferenz längst überfällig. Trotz des Punktsiegs im Kampf gegen die vereinigten Spitzenbürokraten in Sachen „Tarifeinheit“ vermochte es die Gewerkschaftslinke in den letzten Jahren nicht, der Bürokratie wirklich effektiv und koordiniert Paroli zu bieten. Die Gewerkschaftsführungen machten gemeinsame Sache mit Kapital und Kanzlerin - die Gewerkschaften entwickelten sich weiter nach rechts.

Zweifellos hat die Stärke des deutschen Industriekapitals den Spielraum für Klassenzusammenarbeit und Zugeständnisse an einzelne Schichten der Arbeiteraristokratie kurzfristig verbessert - und somit auch eine Basis für den „Erfolg“ der reformistischen Politik der Führung geschaffen. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gewerkschaftslinke insgesamt auch die eigene Politik selbstkritisch bilanzieren muss, wenn sie eine wirklich klassenkämpferische Alternative zum Apparat werden will. Genau vor dieser Aufgabe steht der Ratschlag im September.

Tarifeinheit

Beim Thema „Tarifeinheit“ galt es, eine Initiative der Spitzen von DGB, ver.di und IG Metall gemeinsam mit den Spitzen des deutschen Kapitals zu stoppen, die letztlich das ohnehin dürftige Streikrecht in Deutschland weiter eingeschränkt hätte. Minderheitsgewerkschaften wäre die Tariffähigkeit, also auch die Streikfähigkeit, abgesprochen worden. Was vorrangig gegen die GDL u.a. kleine Branchenverbände gerichtet schien, hätte auch ver.di-Strukturen und stellenweise sogar MetallerInnen getroffen. AktivistInnen der Gewerkschaftslinken machten diesen Skandal nicht nur öffentlich, sondern verbreiteten den Widerstand und organisierten eine kleine Konferenz. Ein Erfolg, der Hoffnung gab, aus dem Schattendasein der letzten Jahre herauszukommen.

Der Aufruf für den Ratschlag am 22./23. September 2012 in Frankfurt/M. spricht die generelle Orientierung der Gewerkschaftsführungen anhand der Krise an:

„… zurzeit erleben die Kolleginnen und Kollegen in Griechenland auf ganz grausame Weise, wie sich die Troika aus EU, EZB und IWF die „Lösung“ der Euro-Krise vorstellen: Mit einem rabiaten Kürzungsprogramm, Massenentlassungen und Verschleuderung von Staatseigentum sollen die Lohnabhängigen und Bedürftigen die Zeche bezahlen und ein bankrottes System retten. Und wie der Fall Italien nur allzu deutlich macht, geht es der Troika nicht nur um ein Diktat gegenüber Athen. Auch die italienischen KollegInnen sollen künftig - nach deutschem Vorbild- bis 67 arbeiten, sie sollen schneller auf die Straße gesetzt werden können usw.

Diesem Exerzierfeld schauen die Führungen des DGB und seiner Einzelgewerkschaften tatenlos zu. Schlimmer noch: Statt dieses Diktat anzuprangern und die Bankenrettungspolitik anzugreifen, appellierten sie an den deutschen Bundestag, dem Rettungsschirm zuzustimmen, der ein bis dato einzigartiges Lohnsenkungs- und Verelendungsprogramm für unsere Kolleginnen und Kollegen in Griechenland darstellt.

Dabei müsste eigentlich allen klar sein, dass gerade die Reallohnverluste in Deutschland und die damit geförderte Senkung der Lohnstückkosten im Vergleich zum Ausland zur Zuspitzung der Probleme in den südeuropäischen Ländern beigetragen haben.“

Dagegen verlangt der Aufruf, für „einen kräftigen Anstieg der Tariflöhne und einen akzeptablen Mindestlohn zu kämpfen, um Reallohnverluste auszugleichen und den Marsch in die Armut von Millionen Lohnabhängiger bei uns zu stoppen“.

Völlig richtig weist er darauf hin, dass die Angriffe auf die Arbeitenden in Südeuropa auf Deutschland zurückschlagen: „Dieser selbstzerstörerischen Politik unserer Gewerkschaftsführungen muss ein anderes Konzept gegenübergestellt werden. Es muss geeignet sein, größere Kreise in unsren Belegschaften anzusprechen, um sie für eine andere Politik zu gewinnen. Dies kann keine der heute so zersplitterten kritischen und linken Zusammenhänge in den Gewerkschaften von sich aus alleine bewerkstelligen. Wir meinen, dass es dazu einer intensiven Beratung unter uns allen bedarf, um gemeinsam herauszufinden, wie eine andere Politik möglichst wirksam vermittelt werden kann.“

Hausgemachte Schwächen

Diese Selbsteinschätzung der eigenen Kräfte ist sicher richtig. Die Zersplitterung der letzten 10 Jahre hat aber gute Gründe. Die Kräfte, die noch in der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken (IVG) versammelt sind, die auch wir als Gruppe Arbeitermacht unterstützen, haben gegen den Rechtskurs der Gewerkschaftsführungen eine kritische Position eingenommen und versucht, oppositionelle Initiativen zu starten. Das ist (noch) nicht das, was  heute nötig wäre: eine klassenkämpferische, oppositionelle Basisbewegung. Aber es ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem linken Meinungsaustausch, der die früheren Konferenzen prägte.

Diesen Schritt haben andere Kräfte abgelehnt. Die offizielle Gewerkschaftslinie der Linkspartei war es, die Partei der DGB-Gewerkschaften zu werden. Eine Opposition gegen die Apparatlinie kam bei ihr ebenso wenig in Frage wie bei der DKP. Die MLPD macht gemeinsame Initiativen ohnehin nur mit sich selbst. SyndikalistInnen wie die Kräfte um Express oder linke Gewerkschaftsgruppen in Hamburg und Berlin setzen auf die „Selbsttätigkeit“ und „Erfahrung“ von sich aktivierenden ArbeiterInnen, denen Linke keinesfalls politische Vorschläge machen dürften. Nach unserer Meinung eine Haltung, die u.a. deshalb fatal ist, weil sie die KollegInnen schutzlos den Argumenten und Intrigen der Apparate ausliefert.

Zuletzt haben aber einige GewerkschafterInnen sowohl der LINKEN wie der DKP die Linie ihrer Partei verlassen und wurden im Rahmen der IVG aktiv. Das ist ein Ansatzpunkt, Druck auf diese Organisationen auszuüben und oppositionelle Strukturen zu stärken, damit sie selbst in den Betrieben aktiv werden können.

Aktionsprogramm

Der strategische Ansatz einer Gewerkschaftslinken muss nach unserer Meinung sein, die kämpferischen Belegschaften und Schichten, die sich auch in der Krise 2009 wieder gezeigt hatten, zu stärken und zu verbinden. Zum einen untereinander zum andern mit den Belegschaften, die neu in den Kampf treten und sich erstmals organisieren.

Aufgabe der Konferenz müsste es sein, dafür auch die Diskussion für ein Aktionsprogramm zu eröffnen, das geeignet ist, die kämpferischsten Teile der Klasse gegen die neue Welle der Krise zu wappnen, wie sie sich bei Neckermann, Schlecker und Opel schon wieder abzeichnet.

Ein zweiter, unabdingbarer Aspekt muss sein, eine Solidaritätsbewegung mit der Arbeiterklasse in Griechenland u.a. Ländern Südeuropas aufzubauen und zu unterstützen - als zentralen Schritt zur Koordinierung des Kampfes gegen EU, EZB, IWF auf internationaler Ebene.

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Nr. 171, Juli/Aug. 2012
*  Fiskalpakt: Durchmerkeln in der Krise
*  Heile Welt
*  Gewerkschaftslinke: Neustart für Opposition?
*  Verfassungsschutz-Skandal: Pleiten, Pech und Pannen?
*  Energiewende: Windkraft und heiße Luft
*  Berlin: Wir bleiben alle!
*  Politisch-ökonomische Situation: Klassenkampf im Herzen der Bestie
*  Präsidentschaftswahlen in Ägypten: Doppelte Niederlage der Revolution
*  Lage der Frauen in Brasilien: Kleine Erfolge, große Probleme
*  Sommerspiele 2012: Olypmia-Wahnsinn
*  Jugend: Wie weiter im Kampf gegen Bildungsabbau?
*  Griechenland: Perspektiven des Klassenkampfes
*  Strategie: Griechenland und europäische Revolution
*  Solidaritätskomitees mit der griechischen Arbeiterklasse aufbauen!