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Tarifrunde Buchhandel und -verlage in Bayern

Klotzen, nicht kleckern!

Helga Müller, Neue International 170, Juni 2012

Nach zwei Jahren lief am 31. März der Gehaltstarifvertrag für die Angestellten des Buchhandels und der Buchverlage in Bayern aus. Die relativ lange Laufzeit erklärt sich aus der Haltung des Arbeitgeberverbandes, der seit Jahren die Substanz des Manteltarifvertrags in Frage stellt. Bisher ist es ihm jedoch nicht gelungen, substantielle Regelungen und Errungenschaften im Manteltarifvertrag anzugreifen, trotz der Kampfschwäche von ver.di in diesem Bereich.

Dieser Teilerfolg resultiert zum einen aus der relativ konsequenten Haltung der zuständigen Tarifkommission - auch wenn bei der letzten Tarifrunde gegen den Widerstand einiger Tarifkommissionsmitglieder bei drei Regelungen (Verkürzung der Kündigungsfrist bei Rationalisierungen, Verschiebung der Nachtarbeitszeit und Spätöffnungszeiten am Samstag nach hinten und damit Verschiebung der entsprechenden Zuschläge) in einer reinen Verhandlungstarifrunde nachgegeben und nicht zum Streik aufgerufen wurde.

Zum anderen liegt es aber auch an der relativen Schwäche des Arbeitgeberverbandes, der seit Jahren in seiner Existenz gefährdet ist. Unklar ist, ob er überhaupt noch an einem Flächentarifvertrag Interesse hat, da die Buchbranche insgesamt in einer Stagnation steckt und v.a. im Buchhandelsbereich ein ruinöser Verdrängungswettbewerb zwischen den großen Ketten Thalia auf der einen und Hugendubel/Weltbild auf der anderen Seite stattfindet, den wohl nur wenige überleben werden.

Deshalb und weil ver.di in den beiden zuständigen Fachbereichen seit Jahren nicht damit voran kommt, mehr Verlage und Buchhandlungen zu organisieren, taucht immer wieder die Diskussion in der Tarifkommission auf, ob es nicht sinnvoll wäre, statt eines Branchentarifvertrags Haustarifverträge in jenen Betrieben durchzusetzen, die streikfähig sind. Eine fatale Haltung, weil dadurch kein einziger neuer Betrieb organisiert würde und damit die tarifgebundenen Verlage/Buchhandlungen noch stärker unter Druck der einzelnen Geschäftsführungen geraten würden.

Trotz dieser nicht gerade idealen Ausgangsposition hat die Tarifkommission entschieden, bei der diesjährigen Gehaltstarifrunde nicht „zu kleckern“. Auch die Stimmung der Belegschaften aus jenen Betrieben, aus denen Tarifkommissionsmitglieder berichteten, gab diese Einschätzung wider. Die Forderungen beziehen sich auf eine Laufzeit von einem Jahr, einer linearen Forderungen von 6% und einer Mindestgeldforderung von 110 Euro, damit die Schere zwischen den oberen und unteren Gehaltsgruppen nicht zu weit auseinandergeht. Für die Azubis wurden 55 Euro mehr Geld gefordert.

Diese Forderungen sind mehr als gerechtfertigt, denn in den letzten Jahren haben die KollegInnen aufgrund der schwachen Gehaltsabschlüsse einen Reallohnverlust hinnehmen müssen - obwohl die Produktivität auch in dieser Branche wächst. Immer weniger Personal produziert mehr Bücher und Produkte. Die Umverteilungspolitik der Bundesregierung gerade bei den Sozialausgaben zuungunsten der KollegInnen tut ihr Übriges dazu.

Klar ist, dass diese Forderungen nur durchsetzbar sind, wenn sich die Tarifkommission dazu entscheidet, in den Betrieben, die dazu in der Lage sind, Warnstreiks und Streiks durchzuführen und versucht, andere Betriebe in den Streik zu ziehen. Notwendig ist dafür, dass die KollegInnen in den Betrieben über die Verhandlungsergebnisse und das Vorgehen der Tarifkommission sofort informiert werden und über jeden weiteren Schritt in dieser Tarifrunde entscheiden können.

Belegschafts- und Abteilungsversammlungen in der gesamten Brache! Diese sollen über Kampftaktik entscheiden und Streikleitungen wählen!

Organisierung von Unterstützungskomitees, um die Aktionen auch auf bisher schlecht organisierte Betriebe auszuweiten und z.B. Streikposten zu unterstützen!

Keine Geheimverhandlungen hinter dem Rücken der Beschäftigten! Kein Abschluss ohne vorherige Information, Diskussion und Beschlussfassung durch die Gewerkschaftsbasis!

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Nr. 170, Juni 2012
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