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Eu, Euro und imperialistische Neuordnung

Schuldenkrise und Widerstand

Markus Lehner, Neue Internationale 160, Juni 2011

Rettet unser Geld“, „Europa vor dem Crash“, „Der Staatsbankrott kommt!“ - eine kleine Auswahl aus dem aktuellen Buchangebot zum Thema „Euro“. Mehr oder weniger D-Mark-nationalistische „Experten“ beschwören die tiefsten Ängste des deutschen Kleinbürgers um sein „sauer Erspartes“, das nun von unverantwortlichen Politikern den Schuldenstaaten in den Rachen geworfen werde. Nicht nur „Bild“ garniert dies mit der Beschwörung von Vorurteilen von „faulen Südländern“. Natürlich werden apokalyptische Visionen von brennenden Banken und leeren Geldautomaten verknüpft mit schlauen Anlagetips für das bedrohte Geld, um so mit der sich ausbreitenden Panik erst richtig gute Geschäfte zu machen.

Profiteur Deutschland

Dabei steht fest, wer in der EU bisher am meisten vom Euro profitiert hat: das deutsche Kapital. Anders als die USA oder Britannien ist das deutsche Kapital nicht in der Lage, v.a. als Finanzkapital aufzutreten - es hängt wesentlich von den Profitmargen seiner Exportindustrie ab (46% der in Deutschland produzierten Waren gehen in den Export). Von daher ist die EU und noch mehr die Euro-Zone eine Art sicherer Hafen für die deutsche Industrie: 60% aller deutschen Exporte werden in der EU abgesetzt, davon zwei Drittel in der Euro-Zone. Daran ändert nichts, dass die Exportquote in die EU leicht rückgängig ist: der Aufstieg der BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China) ist eine starke Konkurrenz, die einerseits neue Exportmärkte hervorbringt, andererseits aber auch Marktanteile kostet. Umsomehr ist die EU eine unverzichtbare Schutz-Zone des deutschen Kapitals gerade gegen diese aufstrebende Weltmarktkonkurrenz.

Andererseits bedeutet die strukturelle Unterlegenheit von Ökonomien wie Griechenland, Portugal oder Spanien angesichts des Wegfalls von deren vormals eigenständigen Währungen, dass die Produktivitätsvorteile des deutschen Kapitals zu einem fortgesetzten Niedergang eigener produktiver Sektoren führen (noch dazu, da die ehemalige Funktion dieser Länder als Billigproduktionsstandorte gerade durch das deutsche Kapital mehr und mehr in die Schwellenländer außerhalb der EU ausgelagert wird).

Von daher sind chronische Leistungsbilanzungleichgewichte in der Eurozone eine Quelle beständiger ökonomischer Spannungen. Zusätzlich führt ein - verglichen mit der ökonomischen Leistungskraft - niedriges Zinsniveau in diesen Ländern zu einer Verschuldungstendenz bzw. zur damit verbundenen Blasenbildung (z.B. im Immobiliensektor). Dies ist für das deutsche Finanzkapital eine Quelle für stetige Profite: die Finanzierung der Schuldenökonomien gewährleistet den Absatz der deutschen Exportindustrie, deren Gewinne in Form von Anlagekapital jeweils die Basis für die nächste Verschuldungsrunde sind. Ergebnis ist nicht nur ein beständiger Zinsfluss, sondern auch ein wachsender Zugriff des deutschen Kapitals auf die Regierungen der Schuldenstaaten.

Anders als oft dargestellt, ist auch die seit Anfang 2010 sich verschärfende Griechenland-Krise für das deutsche Kapital bisher kein besonderes Verlustgeschäft gewesen. Sicher sind durch Ausfall von Exportchancen und Kurseinbrüche Verluste entstanden, die aber angesichts des Gewichts der griechischen Ökonomie nicht besonders auffallen. Auch die Kredite, die bisher im Rahmen der „Rettungsschirme“ an Griechenland verkauft wurden, sind  bisher kein Minusgeschäft. Im Rahmen des Rettungsschirms hat etwa die KfW für die deutsche Bundesregierung letztes Jahr 8,4 Mrd. Euro Kredite an Griechenland überwiesen. Aufgrund der trotz „Sonderkonditionen“ immer noch hohen Zinsen erhielt man dafür bisher immerhin schon 500 Millionen an Zinsüberweisungen aus Athen (FTD, 20.5., „Der Grieche rechnet sich“). Dazu kommt, dass der Griechenland-Effekt den Kurs des Euros in seinem Höhenflug gegenüber dem Dollar bremst - sehr günstig für das deutsche Exportgeschäft.

Das Problem ist vielmehr, dass mit Griechenland das gesamte System der geschilderten Schuldenökonomie in der EU ins Wanken gerät, und die dominoartige Zahlungsunfähigkeit einer Reihe von Staaten nicht nur das bisher gewinnbringende Geschäft mit den Schulden zunichte machen könnte, sondern die Gläubiger-Banken selbst bedroht. In Kombination mit der weiter schwelenden Bankenkrise kann dies zu einer neuen Finanzpanik führen, gegenüber jene nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers wie ein Kinderspaß wirkt.

Imperialistische „Lösung“ für Griechenland

Griechenland hatte 2010 einen Staatsschuldenstand von 130% seiner Wirtschaftsleistung bei einem Rückgang selbiger um 4%. Die eingeleiteten Sparmaßnahmen haben den Effekt einer weiteren Schrumpfung des BIP und werden unausweigerlich bis 2013 zu einem Anstieg des Schuldenstandes auf über 150% führen. Anders als andere hochverschuldete Länder, wie z.B. die USA, sind die griechischen Schulden großteils in ausländischer Hand (die Auslandsschuld macht 94,6% des BIP aus). Die von der EU im Frühjahr 2010 organisierte Griechenlandhilfe von 110 Mrd. Euro (EU-Staaten, europäische Zentralbank [EZB], IWF) stellte sich schon Ende 2010 als unzureichend heraus: Der Zeitraum für die Kredittilgung wurde um viereinhalb Jahre verlängert. Inzwischen ist klar, dass Griechenland aus der Abwärtsspirale von Rezession und „Sparzwang“ nicht mehr herauskommt - und die Opfer der Bevölkerung (bei Löhnen, Sozialleistungen, Renten etc.) zu immer größerem Widerstand führen. Daher werden in der EU/EZB/IWF-„Troika“ nun zwei Lösungswege diskutiert.

Einerseits wird die griechische Regierung zum Verkauf von Staatseigentum gezwungen (Häfen, Flughäfen, Telefonunternehmen). Andererseits werden verschiedene Varianten einer „Umschuldung“ erwogen. Dies sollen Laufzeitverlängerungen, Teilentwertungen von Gläubigerforderungen oder von Zinszahlungen sein (kurz als „Haircut“ bezeichnet) - wobei ein Umfang von 30% des Schuldenstandes genannt wird.

Dies ist insofern lächerlich, als die privaten Investoren durch riskante Griechenlandanlage eine solche Verlusthöhe schon längst eingezinst haben (also durch die Höhe der Zinszahlungen diese 30% schon längst überwiesen bekamen); andererseits die privaten Gläubiger ihre Risiko-Papiere im Rahmen der Rettungsaktionen schon über EU und EZB an „die Steuerzahler“ übertragen haben. Somit ist auch klar, wer bei einer solchen „Beteiligung privater Gläubiger“ die Zeche nicht zahlen wird (trotzdem ist ja das Ausbleiben von Supergewinnen für das große Kapital schon eine „Zumutung“)!

Spekulation

Die Griechenlandkrise hat insgesamt zu einer Spekulation gegen die schwachen Euro-Länder geführt, d.h. ihrem Bedarf an Neu-Krediten (allein schon für die Refinanzierung alter Schulden) stehen immer höhere Zinsforderungen der Anleger gegenüber. Dabei ist unerheblich, ob die Verschuldung eher in der Schwäche der Leistungsbilanz begründet ist (Portugal, Spanien, Italien, Frankreich) oder in der Stützung „systemrelevanter Banken“ (Irland). Die Herabstufung durch die Ratingagenturen ist hierbei nur Ausdruck und Nachvollzug schon bestehender Spekulationsbewegungen.

Nachdem Irland und Portugal unter den EU-Rettungsschirm flüchteten, sind nun weitere EU-Staaten im Fokus der Spekulation: Spanien, Italien, Belgien, Zypern und Ungarn. Aber auch Frankreich und Britannien erholen sich nur schleppend von der Krise. Insbesondere in Britannien wirkt die dortige Sparpolitik verheerend auf die Wirtschaftsleistung. Auf der Seite der Krisengewinner in der EU stehen bisher Deutschland, Österreich, die Niederlande und die skandinavischen Kapitale. Es ist aber klar, dass eine Zusammenbruchswelle der Krisenstaaten diese Stabilisierung in letzteren Ländern wieder schnell zunichte machen würde.

Problem USA

Verknüpft ist die Euro-Krise mit einer weiteren, weit gravierenderen Schuldenkrise: derjenigen der USA. Die Finanzmarktkrise von 2008 wurde nicht durch Vernichtung von überakkumuliertem fiktiven Kapital gelöst. Im Gegenteil, sie wurde zu großen Teilen durch eine gewaltige Menge „neuen Geldes“ vorläufig entschärft. Diese „quantitative easing“ (QE) genannte Strategie hat dazu geführt, dass heute die US-Zentralbank FED der größte Eigentümer von US-Staatsanleihen ist (und nicht China, wie oft fälschlich behauptet). Früher hätte man das als „Anwerfen der Gelddruckmaschine“ bezeichnet. Auf dieser Grundlage konnte die US-Verschuldung auf über 100% des BIP wachsen, sowohl Konjunkturprogramme als auch Banken- (= Anleger) - Rettungsaktionen durchgeführt werden. Damit ist seit Mitte 2009 das Dollar-Anlage-Vermögen wieder weltweit auf Profitsuche und in wieder wachsenden Spekulationswellen hyperaktiv. Und wie bei der Subprime-Krise ist auch diesmal wieder das Geschäft mit risikoreichen, schlechten Schuldnern das lukrativste.

Nachdem Ende 2010 die Weltkonjunktur bereits zu erlahmen schien, entschloss sich die FED im November zu einer QE2, einer erneuten Verlängerung der Politik des lockeren Geldes. Doch inzwischen sind die Folgen von Inflation und neuen Spekulationsblasen (v.a. im Rohstoff-, Lebensmittel- und Schuldenstaatengeschäft) so gravierend, dass das Ende von QE2 immer wahrscheinlicher wird. Gleichzeitig wird eine weitere Verschuldung des US-Staatshaushaltes immer schwieriger und die besonders hohe Verschuldung von US-Kommunen bedroht  immer mehr mittlere Banken mit der Insolvenz (letzterer Faktor wird von vielen Kommentatoren als der bedrohlichste für die Weltwirtschaft insgesamt gesehen). Kurz: die Nervosität der Anleger steigt und die Zukunft des Dollars ist noch ungewisser als die des Euros.

Krise in Permanenz

Während der Finanzmarktkrise 2008/2009 mussten weltweit an die 15 Billionen Dollar für die Bankenrettung aufgebracht werden. Seither hat sich aber an der Risiko-Struktur des Bankensektors trotz „Stress-Tests“ kaum etwas geändert. Weder die Mindestreserveranforderungen, noch die (noch nicht einmal gültigen) Basel-III-Regeln haben an der Möglichkeit von Banken gekratzt, mit geringem Eigenkapital hochspekulative Geschäfte zu finanzieren.

Heute werden in Derivatenmärkten wiederum täglich Summen in Finanzwetten eingesetzt, die das Weltsozialprodukt um ein Vielfaches übersteigen. Dabei stehen in den Bankbüchern noch jede Menge Altlasten, für die nur noch vage Hoffnung auf Verkaufbarkeit bestehen. Zusätzlich sind durch die Krisenbewältigung nunmehr auch die Zentralbanken zu „bad banks“ geworden, die sowohl Schrottpapiere der Pleitebanken übernommen haben, als auch zur Drehscheibe der riskanten Staatsverschuldungspolitik geworden sind. Weder Zentralbanken noch Staaten (die durch die Bankenrettung ihre Schuldenquote zum BIP im Durchschnitt von 60% auf 80% gesteigert haben), werden noch einmal zu einer ähnlichen Bankenrettungsaktion in der Lage sein.

Zusammengefasst: Ein Zusammentreffen von Staatsbankrotten in der EU (oder auch nur einem hektischen Haircut) mit dem Ende von QE2 in den USA und einer Pleitewelle von US-Banken würde unweigerlich zu einer neuen Krise auch auf den Anlagemärkten und bei den Großbanken führen. Und zwar in einer Situation, in der diesmal die Staaten und Zentralbanken nicht mehr im selben Umfang helfend zur Seite springen könnten. Dieses Horrorszenario treibt momentan Anleger, Konzernlenker und Banker ebenso um wie die Politiker. Dies erklärt die Hektik, mit der versucht wird, einerseits die Krisenherde in der EU einzudämmen und das langsame Tempo in Bezug auf die Behandlung des US-Schuldenproblems auf der anderen Seite.

Reaktion der EU

Unter großem Getöse wurde von der EU ein „Rettungsschirm“ konstruiert. Zuerst im Mai 2010 der „Europäische Finanzierungsmechanismus“ (EFM), bei dem man glaubte, die Probleme mit 60 Mrd. Euro auffangen zu können. Als die verheerende Unterschätzung der Situation Ende 2010 klar war, wurde mit der „Europäischen Finanzstabilisierungs Fazilität“ (EFSF) erneut aufgestockt: zu den 60 Milliarden kamen 440 aus der EU und 250 vom IWF dazu. Zusammen mit der Griechenlandhilfe von 110 Milliarden sind damit inzwischen 860 Mrd. Euro „im Topf“. Die Konstruktion dieses Systems strotzt vor Inkonsequenz und Unklarheit.

Einerseits soll es angeblich EU-Staaten vor der Pleite retten; andererseits soll es sich jedoch nicht um eine „Transferunion“ (im Sinne eines Länderfinanzausgleichs) handeln, bei dem die strukturellen Ursachen der Probleme (z.B. Produktivitäts- und Sozialgefälle) angegangen werden. Denn Kern des ganzen Projekts ist, dass die Gläubiger des EFSF mit ihren Kontrollgremien (reiche EU-Staaten, EZB, IWF) nun regelmäßig den „Konsolidierungskurs“ der betroffenen Länder überwachen.

Kurz: die Wirtschafts- und Sozialpolitik des betroffenen Landes wird de facto von der „Troika“ diktiert.

Gegenüber Griechenland verlangt die Troika die Kürzung von Löhnen und Gehältern, die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, die Reduktion der Kosten des Gesundheitssektors, die Anhebung des Renteneintrittsalters. Dazu kommt nun ein Privatisierungsprogramm, das einen Großteil des Staatseigentums in eine - hierzulande berüchtigte - Treuhandanstalt überführt, um sie dann  zu verkaufen. Diese klassisch neoliberale Politik gegenüber Schuldenstaaten führt jedoch zu keiner Lösung der Verschuldungsprobleme, sondern zu einer weiteren Verelendung von Ökonomie und Bevölkerung der betroffenen Länder.

Diese Politik ist Ausdruck der Interessen der dominierenden Kapitale der EU. Gerettet wird damit weder das Schuldnerland, noch die ökonomische Stabilität der EU. Gerettet werden v.a. die privaten Kapitale und Renditen der Gläubiger(länder). Dazu kommt, dass der kleinbürgerliche Massenanhang der regierenden konservativen oder liberalen Parteien in den Gläubigerstaaten seine Position durch die Verschuldungskrise immer mehr in Gefahr sieht: daher die panisch-chauvinistische Ablehnung jeglicher „Transferunion“; daher auch der wachsende Anhang von Euro-skeptischen, anti-Rettungsschirm-Strömungen im bürgerlichen Lager von Finnland bis Deutschland.

Für die CDU/CSU/FDP-Regierung ist dies ein geradezu lähmender Faktor: einerseits den wesentlichen langfristigen Interessen des deutschen Finanz- und Exportkapitals durch eine Befestigung der Euro-Zone zu entsprechen, andererseits die Euro-Ängste und Anti-Transferunions-Stimmung ihres Massenanhangs zu bedienen. Was dabei herauskommt, ist genau der Murks, den die deutsche Regierung auf EU-Ebene derzeit produziert. Damit ist die stärkste Wirtschaftsmacht der EU derzeit nicht zu einer Stabilisierungswende, z.B. zu einer stärkeren Koordinierung von Wirtschafts- und Sozialpolitik in der EU in der Lage. Kein Wunder, dass sich das deutsche Großkapital derzeit eine rot-grüne Bundesregierung unter dem Agenda-Durchpeitscher Steinbrück durchaus vorstellen kann.

Systemimmanente Lösung?

Doch im Rahmen bürgerlicher Politik lassen sich die Krisenausbrüche und -auswirkungen schon längst nicht mehr bändigen - schon deshalb, weil sich die Verwertungskrise des Kapitals schon längst um die Essenz der kapitalistischen Wirtschaftsordnung bewegt: die Eigentumsverhältnisse. Die von diesen bestimmten „unsichtbaren Hände“ des Marktes erzielen alles andere als „Gemeinnutzen für alle“, wie es sich noch Adam Smith erträumte. Diese unsichtbaren Hände greifen vielmehr in immer unerträglicherer Form in die Lebensverhältnisse von Arbeitern, Jugendlichen, Migranten, Armen, Alten, Frauen, etc. ein und führen alle Regierungen an ihren Marionettenfäden in aller Öffentlichkeit vor.

Die spontanen Jugendproteste, die seit Wochen die öffentlichen Plätze in Spanien besetzen, haben das auf ihre Weise zum Ausdruck gebracht: ihre Hauptlosung ist die Forderung nach „echter Demokratie“, da die gewählten Politiker ja nichts mehr zu sagen haben. Tatsächlich ist es so offensichtlich wie selten, dass ein Regierungswechsel in Irland, Portugal oder Griechenland an der umzusetzenden Politik nichts ändert - spätestens beim nächsten Troika-Besuch sind alle anderslautenden Versprechungen nichts mehr wert. Wirklich geändert werden kann nur etwas, wenn das Problem an der Wurzel angegriffen wird, d.h. nach dem lateinischen Wortsinn radikal verändert wird: und dies kann bezüglich der europäischen Schuldenökonomie nur in der Enteignung der entsprechenden Banken und großen Vermögen bestehen.

Eigentumsfrage

Diese Enteignung des europäischen Banken- und Anlagekapitals zusammen mit einer Schuldenstreichung würde den Spielraum für einen demokratisch von den betroffenen Massen bestimmten europäischen Wirtschaftsplan schaffen, der die strukturelle Auseinanderentwicklung in Europa genauso überwindet, wie die Probleme von Massenarbeitslosigkeit und sozialer Verelendung. Es ist klar, dass dieser Schritt ohne entschiedenen Klassenkampf gegen die herrschende Kapitale in Europa nicht möglich ist, dass er nur im Rahmen des Kampfes um Vereinigte sozialistische Staaten von Europa erreicht werden kann. Insofern kann die Lösung der kapitalistischen Krise in keiner Form mehr im beschränkten Rahmen des Nationalstaates erreicht werden: es gibt nur eine sozialistische Lösung, die zugleich international ist.

Widerstand

Die Proteste in Spanien, Griechenland, Irland und Portugal sind derzeit die entschiedensten, die zugleich auch immer radikalere Fragen aufwerfen. Es ist unumgänglich, dass diese Bewegung europaweit vorangetragen und schließlich auch koordiniert werden muss.

Als wir im letzten Jahrzehnt auf den „europäischen Sozialforen“ (ESF) immer wieder die Frage der internationalen Koordinierung der anti-kapitalistischen Bewegung aufwarfen, wurde uns oft geantwortet, dass dies „zu früh“ käme. Als dann die Krise zuschlug, war der Tenor im demoralisierten ESF dann, dass es eigentlich zu spät sei. Doch angesichts der ungeheuren Gewalt des international aufs engste verknüpften Großkapitals ist jedes Zurückschrecken vor der Aufgabe eines international koordinierten Widerstands bereits die Organisation der Niederlage, wie basisdemokratisch und fortschrittlich er auch immer sein mag. Die Massenstreiks- und Bewegungen in Südeuropa setzen die Schaffung einer europaweiten Koordinierung des Widerstandes heute wieder auf die Tagesordnung - diese Möglichkeit darf nicht ein weiteres Mal ungenutzt verstreichen.

Die arabischen Revolutionen zeigen das enorme Potential, das heute für grundlegende Veränderungen, ja für den Sturz jeder Ausbeutung und Unterdrückung existiert. Sie zeigen aber auch: nur eine politische Organisation mit einem klaren Programm der Überwindung der kapitalistischen Diktatur und der Bereitschaft zur Zerschlagung des bürgerlichen Staates kann mit dieser Verbrecherordnung Schluss machen. Daher gibt es keine Alternative zum Aufbau einer neuen revolutionären, einer Fünfte Internationale, die dieser überkommenen Ordnung tatsächlich den Todesstoß versetzen kann.

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Nr. 160, Juni 2011
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