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Tarifrunde/Länder im öffentlichen Dienst

Kein Selbstläufer

Jürgen Roth, Neue Internationale 2011, Februar 2011

Am 4. Februar startet die erste Verhandlungsrunde für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes der Länder sowie für die Beamten bei den Landes- und Kommunalverwaltungen. Ausgenommen sind Landesbeschäftigte in Berlin und Hessen sowie der Unikliniken Baden-Württembergs, die eigene Tarifverträge haben.

Die Tarifunion aus ver.di, GEW, GdP und Deutschem Beamtenbund (DBB) fordert 3% mehr sowie einen Sockelbetrag von 50 Euro monatlich. Das ist nicht nur keine Forderung nach kräftiger Lohnerhöhung, sondern macht im Schnitt nur 5% aus. Damit steht sie am unteren Ende der Forderungen in den laufenden Tarifrunden. Dabei rechnen Bsirske und Co. der „Arbeitgeber“seite mal wieder ebenso stumpfsinnig wie albern vor, dass doch angesichts des Aufschwungs eine Lohnerhöhung und mehr Binnenkaufkraft ganz in ihrem Interesse sein müsse.

Trotz steigender Steuereinnahmen und Sparmaßnahmen häufen die Bundesländer immer neue Schuldenberge auf. Die „Schuldenbremse“, direktes Resultat der Finanzkrise, verbietet ihnen geradezu eine Abkehr von Personalkürzungen und erst recht Lohnzuwächse. Auch verschiedene Äußerungen von Landespolitikern lassen keine „weichen“ Verhandlungen erwarten.

Lage der Landesbeschäftigten

Innerhalb des ohnehin von der Einkommensentwicklung in der Privatwirtschaft abgekoppelten Öffentlichen Dienstes stellen die Länderbeschäftigten das schwächste Glied dar. Seit Inkrafttreten des TV-L 2007 gibt es keine tarifliche Eingruppierungsregeln. Einzelne kampfstarke Gruppen haben sich mehr schlecht als recht welche erkämpft (Kitas). Beamten wurden höhere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich aufgezwungen.

Angesichts dessen muss die geringe Kampfkraft dieses Sektors nicht verwundern, so dass keine ernsthafte Kritik an den Tarifforderungen seitens der Basis, keine Opposition gegen den Kurs der Gewerkschaftsführungen existieren. Wir müssen uns also für ihre vollständige Umsetzung einsetzen! Gut an ihr ist der Sockelbetrag, damit die immer weiter klaffende Einkommensschere innerhalb der Belegschaften zugunsten der schlecht bezahlten Gruppen etwas geschlossen werden kann.

Doch es ist dringend notwendig, auch Fragen der gewerkschaftlichen Streikfähigkeit, der Verbesserung ihrer Organisationsprinzipien und deren gesellschaftspolitischer Bedeutung aufzuwerfen.

Gemischtwarenladen ver.di

Die strukturelle Schwäche der deutschen Gewerkschaften ist u.a. eine Folge fehlender Neustrukturierung der Organisation nach modernen Branchen und ihren Wertschöpfungsketten (Logistik/Verkehr, Gesundheit, IT). Solche Überlegungen zu erneuerten DGB-Einzelgewerkschaften - einschließlich der größeren Bedeutung des Dachverbandes DGB selbst -, der engeren Kooperation bzw. Aufnahme wichtiger Spartengewerkschaften wie GdL, Marburger Bund - standen eben gerade nicht Pate bei der Fusion zu ver.di. Es war bürokratisches Beharrungsvermögen angesichts starker Mitgliederverluste, das diesem Sammelsurium zur Geburt verhalf. Die Folge sehen wir drastisch an der Kampfbereitschaft im Länderbereich. Verschärft wurde das Problem noch durch das Dulden der immer weiteren Aufspaltung der Tarifeinheit Bund/Kommunen, Länder, Haustarife bis zur praktischen Streikunfähigkeit einzelner Bereiche.

Ein besonderes Problem stellt da Tatsache dar, 2/3 der Landesbeschäftigten Beamte sind und nicht streiken dürfen. Zu allem Übel verteidigt der 1. Vorsitzende des DBB dieses Verbot als mit dem Beamtenrecht nicht vereinbar. Damit stellt er sich auf die Seite des bürgerlichen Staates. Dagegen fordern wir: Abschaffung des Beamtenstatus und Ersatz durch gewählte TrägerInnen öffentlicher Funktionen!

Mitgliedervorteile?

Im ver.di-Flugblatt zur Tarifrunde wird gefordert, dass Gewerkschaftsmitglieder bessere Tarife erhalten sollen als Nichtmitglieder. Das ist eine bürokratische Methode, der die Gewerkschaften letztlich nicht stärkt.

Der Mitgliederschwund wird nicht gestoppt, wenn diese in Übereinkunft mit den „Arbeitgebern“ bestraft werden. Die darauf vielleicht erfolgenden etwaigen Eintritte ergäben keine solidere Kampfbasis, sondern nur mehr Karteileichen.

Die noch nicht organisierten KollegInnen müssen in erster Linie durch gute Gewerkschaftsarbeit, richtige Forderungen, Durchschlagskraft und Streikbereitschaft, kurz: durch ihre Einbeziehung in den Kampf gewonnen werden.

Eine Mobilisierung der vollen Kampfkraft kann dazu ein erster Schritt sein. Selbst das wird die Bürokratie, die lieber an die „Vernunft“ der Ländervertreter als an die Mitglieder appelliert nicht von sich aus tun. Kämpferische GewerkschafterInnen, Vertrauensleute und Personalräte müssen daher für Basisversammlungen der Belegschaften und Mitglieder eintreten. Diese müssen die Streikleitungen kontrollieren, wählen und abwählen können. Alle Verhandlungsschritte müssen offengelegt werden, keine Zustimmung zu etwaigen Abschlüssen darf es ohne Diskussion und Beschlussfassung der Mitglieder geben. Wir wollen und brauchen die VOLLEN drei Prozent. Mit einem freiwilligen Einlenken der „Arbeitgeber“ ist nicht zu rechnen. Daher müssen wir den Streik im Öffentlichen Dienst vorbereiten. Dann das ist die einzige Sprache die die VerhandlerInnen der Gegenseite verstehen.

 

Nachsatz: Einheitliches Tarifrecht?

Im Dezember beschloss das Bundesarbeitsgericht ein Gesetz zur Tarifeinheit. In einem Betrieb soll nur noch die Mehrheitsgewerkschaft einen Tarifvertrag abschließen können. Wenn dieser erfolgte, dürfen die anderen Gewerkschaften nicht streiken. Sich vom gesetzlich legitimierten Alleinvertretungsanspruch  des DGB zu erhoffen, dass würde seinen Gewerkschaften die Mitglieder der anderen in die Arme treiben, könnte sich jedoch als Flop herausstellen. Eher könnten alle Gewerkschaften Mitglieder verlieren. Statt auf die Spartengewerkschaften der Lokführer, Ärzte usw. zuzugehen und sie für Branchengewerkschaften im DGB zu gewinnen, verurteilt man sie im Bund mit Unternehmerverband und bürgerlichem BAG zur Streikunfähigkeit! Schon aufgrund dieses Verrats würden viele nicht in eine DGB-Gewerkschaft eintreten! Der DGB spielt hier den Kettenhund für einen Herren, der z.B. bei Postdiensten oder Siemens in der jüngeren Vergangenheit mit Konkurrenzorganisationen zum DGB gerade die Tarifbindungen nach Strich und Faden zu schwächen versucht hat.

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Nr. 156, Februar 2011
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