Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Ende der Krise in der Metallindustrie?

Fachkräftemangel?

Kuno Benz, Neue Internationale 156, Februar 2011

Kaum scheint die Krise vorbei und die Produktion wieder auf vollen Touren, überschlagen sich bürgerliche Politiker und ihre Kommentatoren in den Medien mit Horrorszenarien über den derzeitigen und zukünftigen „Fachkräftemangel“, der aufgrund der negativen Demographie („geburtenschwache Jahrgänge“) in den nächsten Jahren drohe. Von den reformistischen Parteien und Gewerkschaften wird dagegen nur selten argumentiert.

Welche Fachkräfte sind gemeint? Ist es nur der berühmte 25jährige Akademiker mit mindestens 10 Jahren Berufspraxis, der für 1.000 € brutto 60 Stunden in der Woche arbeitet? Oder sehen wir gar rosigen Zeiten von Vollbeschäftigung entgegen?

Die Ziele der Kampagne sind leicht zu durchschauen. Einerseits geht es den Kapitalisten darum, während der Aufschwungphase mit Hilfe von befristet angeworbenen „Fachkräften“ einen kurzfristigen Bedarf zu decken, andererseits wollen sie den Millionen Arbeitssuchenden die Schuld für ihre Arbeitslosigkeit zuschieben, indem sie zu „Nichtfachkräften“ gestempelt werden. So lassen sich zum einen die Gehälter drücken bzw. diese müssen in der kurzen Boomphase nicht erhöht werden,  zum anderen lassen sich so Angriffe auf die Sozialsysteme und Kampagnen zur Arbeitszeitverlängerung („Rente mit 67“) begründen.

Ein „Aufschwung“, begleitet von Entlassungen

Während bei einigen Auto-Herstellern der derzeitige Sonder-Boom beim Export, v.a. nach China, zu Sonderschichten und Personalaufbau bei Leiharbeitern und befristet Beschäftigten führt, gibt es in einer ganzen Reihe von Betrieben, besonders im Maschinenbau Massenentlassungen. Beispiel IG Metall, Region Esslingen: Index/Traub 136 Kündigungen, bei Heller 47 (bei einem Gesamt-Personalabbau von 200), Putzmeister 68, Balluf 40 (geplant), aber auch der Auto-Zulieferer Allgaier, der Betrieb von Arbeit„geber“präsident Hundt kündigte zum Jahresende 110 Beschäftigten.

Warum gerade jetzt Entlassungen?

Gleichzeitig übernehmen viele Betriebe ihre Auszubildenden nicht bzw. bilden gar nicht mehr oder nur noch reduziert aus.

Zum einen planten die Unternehmen ursprünglich noch viel mehr Entlassungen. Diese konnten jedoch durch gewerkschaftliche Gegenwehr mit Aktionen der Beschäftigten und dem „nationalen Interessensausgleich“ mit verlängerter Kurzarbeit, tariflicher Kurzarbeit und Lohnverzicht, ausgehandelt von IG Metall, Spitzenkapitalisten und Kanzlerin verhindert werden.

Jetzt laufen jedoch die Kurzarbeitsregelungen aus. Die eigentlichen Kündigungen wurden zunächst sozialpartnerschaftlich zwischen Unternehmern, Betriebsräten und IG Metall zahlenmäßig heruntergehandelt und zeitlich verschoben. Ziel und Wirkung dieser Maßnahmen waren „Ruhe in den Betrieben“, ein „Vorhalten“ gut qualifizierter Beschäftigter und die Planung der für die nächste Aufschwung- und Boomphase notwendigen „Umstrukturierungsmaßnahmen“, also die nach Marx „zyklisch wiederkehrende Umwälzung der Produktionsbedingungen für die Kapitalakkumulation“.

Dass dies und die nunmehr durchgeführten Entlassungen weitgehend ohne größeren Widerstand in den Betrieben gelang, lag v.a. an der Zusammenarbeit zwischen den Kapital- und den reformistischen Arbeitnehmervertretern. Mit dem Argument „2 Jahre später erst in Hartz IV“ gelang durch die 100%-Kurzarbeit die Spaltung der Belegschaften in Arbeitende und Quasi-Arbeitslose. Die Kurzarbeitenden waren weg aus den Betrieben und störten nicht mehr, die übrigen waren froh, dass es sie nicht traf. Nur so war der „Erfolg“ des „Haltens der Stammbelegschaften“ und die verhältnismäßig moderate Steigerung der Arbeitslosigkeit möglich.

Dass die nun Entlassenen noch immer nicht in der Arbeitslosenstatistik auftauchen, ist das Verdienst der Transfergesellschaften, in die die bisherigen Kurzarbeiter nahtlos „überführt“ werden. Ähnlich wie die Kurzarbeit kostet auch diese Lösung die Betriebe nicht wenig, jedoch zu Gunsten des „Erfolgs“ und der „Ruhe im Betrieb“. Und als besonderes Bonbon für die übrigen Beschäftigten gibt es vielfach sogar eine gewisse Sonderzahlung (nachdem allerdings zuvor das Entgelt, v.a. Urlaubs- und Weihnachtsgeld viel stärker gekürzt wurde) und ein Vorziehen der nächsten Tariferhöhung. Dadurch soll in den Betrieben wieder so etwas wie „Normalität“ suggeriert werden.

Jetzt Betriebsgruppen und Opposition aufbauen!

Die Krise ist in vielen Betrieben kaum vorbei, die nächste Krise steckt schon in den Startlöchern. Aus dem Blickwinkel der Unternehmer wurde viel zu wenig Kapital vernichtet, es existieren nach wie vor große Überkapazitäten. Gleichzeitig wurden aber auch die Arbeitszeiten nicht gesenkt - im Gegenteil, der Aufschwung wird zum Großteil mit Überzeiten und Sonderschichten bewältigt.

Viele kleinere und mittlere Unternehmen haben in der Krise viel Substanz verloren, die Eigenkapitalquoten vieler Betriebe sind massiv gesunken. Einerseits hat deshalb das Finanzkapital noch an Gewicht gewonnen, zum anderen steht die nächste große Übernahmewelle bevor. Die Übernahme von Behr (rund 3 Mrd. Umsatz vor der Krise) durch Mahle (ca. 5 Mrd.) ist da nur ein Auftakt. Der Druck auf die Kapitalisten zu weiteren Angriffen auf die Beschäftigten und die Arbeitsplätze ist also vorhanden. Gleichzeitig ist damit auch der Spielraum für relativ teure sozialpartnerschaftliche Lösungen, wie die monatelange 100%-Kurzarbeit, kleiner geworden, damit aber auch der Spielraum für die Funktionäre der Klassenzusammenarbeit in den Betriebsräten und Gewerkschaften.

Aber auch eher kämpferisch eingestellte Beschäftigte und nicht-reformistische Oppositionen in den Betrieben haben dazugelernt. Jetzt gilt es, die Erfahrungen und die Kontakte zu nutzen, um Betriebsgruppen und oppositionelle Strukturen zu bilden, um den alten Kräften mehr als bisher entgegensetzen zu können!

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 156, Februar 2011
*  Ägypten: Tage des Zorns
*  Nordafrika: Permanente Revolution
*  Tunesien: Ben Alis Ende ist der Anfang
*  Asien-Kongress der L5I: Ein voller Erfolg
*  SiKo-München: Mehr Sicherheit für Profit
*  Demobündnis: Keine Kniefall vor Opportunisten!
*  Bundeswehrreform: Beruf(en) zum Kriegen
*  Tarifrunde/Länder im Öffentlichen Dienst: Kein Selbstläufer
*  Ende der Krise in der Metallindustrie? Fachkräftemangel?
*  Frauen, Krise, Klassenkampf: Revolutionäre Frauenpolitik tut Not
*  Hamburger Bürgerschaftswahlen 2011: LINKE wählen, aber Widerstand organisieren
*  Heile Welt
*  Dresden: Anti-Nazi-Mobilisierung: Blockadetaktik und Klassenkampf