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Siko München

Mehr Sicherheit für mehr Profit

Helga Müller, Neue Internationale 156, Februar 2011

Auch in diesem Jahr treffen sich am ersten Februar-Wochenende  Regierungsvertreter, hohe Militärs und Rüstungslobbyisten aus den NATO- und EU-Staaten zur NATO-Sicherheitskonferenz (Siko) im Luxushotel Bayerischer Hof in München, um hinter verschlossenen Türen über die strategische Ausrichtung der Allianz zu diskutieren.

Worum geht es bei der Siko?

Absicherung der Einflusssphären und Absatzmärkte

Am 19. November letzten Jahres beschlossen 28 Staats- und Regierungschef in Lissabon ein neues strategisches Konzept der NATO unter dem Titel „Strategisches Konzept für die Verteidigung und die Sicherheit der Mitglieder des Nordatlantik-Pakts“. Darin wird deutlich, dass die NATO nicht etwa den hehren Zielen der Verteidigung der Werte von Demokratie, Freiheit und der Wahrung der Menschenrechte verpflichtet ist, wie immer wieder propagiert wird, sondern ein Bündnis imperialistischer Staaten darstellt, um ihre wirtschaftlichen Interessen global absichern und militärisch verteidigen zu können.

Bereits seit der letzten Neuorientierung der NATO 1991, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, war der Kampf gegen den internationalen „Terrorismus“ und gegen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen nur ein Vorwand, um den freien Welthandel, den Zugang zu lebenswichtigen Rohstoffen und die Sicherung der Energieversorgung militärisch zu sichern.

Im neuen Konzept wird dies noch ausführlicher und klarer formuliert: „Alle Länder sind zunehmend abhängig von vitalen Kommunikationsmitteln sowie Transport- und Transitrouten, von denen die internationale Handels- und Energiesicherheit abhängt. Dies erfordert größere internationale Anstrengungen, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber Attacken oder Unterbrechungen zu gewährleisten.“ (§ 13) Deshalb müsse die NATO „die Kapazitäten entwickeln, um zur Energiesicherheit beizutragen, einschließlich dem Schutz kritischer Infrastrukturen und Transitgebieten und -routen.“ (§19) (zit. nach: IMI-Analyse 2010/40: Jürgen Wagner, (Un)Sicherheitskakophonie: Anmerkungen zur neuen NATO-Strategie in: Ausdruck (Dezember 2010)).

Die Ursache dieser neuen Offenheit ist die globale Krise, welche die imperialistischen Staaten zwingt, verstärkt in Konkurrenz miteinander um die Neuaufteilung der Welt und ihrer Ressourcen zu treten - zunehmend auch militärisch.

Zunehmende Konkurrenz zwischen den USA und der EU unter Führung des deutschen Imperialismus

Die Bedeutung der EU wird in diesem neuen Papier erheblich aufgewertet. Die EU soll sich als eigene Militärmacht neben der NATO etablieren. Dies ist nur vor dem Hintergrund der Entwicklung der Krise und deren Folgen zu verstehen, die uns seit 2008/09 begleiten.

Auch wenn alle wirtschaftlichen Kennziffern darauf hinweisen, dass wir uns in einer Aufschwungphase befinden, sind die Ursachen der Krise keineswegs gelöst und der Aufschwung bleibt labil; selbst bürgerliche Wirtschaftswissenschaftler müssen dies zugeben. Zugleich hat diese Situation zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse innerhalb der etablierten Zentren des Weltkapitalismus geführt. Die BRD verzeichnet einen deutlichen Aufschwung der Industrieproduktion und der Exportwirtschaft. Mitte 2011 wird die Produktion aller Voraussicht nach das Vorkrisenniveau erreichen. Die BRD ist damit schneller aus der Krise gekommen als ihre Konkurrenten in Europa oder in den USA. Dahinter verbergen sich jedoch enorme Ungleichgewichte:

China, Indien, Brasilien werden versuchen, ihr größeres Gewicht in der Weltwirtschaft weiter auszubauen;

die USA und Japan befinden sich weiter in einer von Stagnation geprägten konjunkturellen Lage;

die USA und die meisten Länder in der EU - darunter wichtige imperialistische Staaten wie Britannien und Frankreich - haben einen enormen Anstieg der Verschuldung zu verzeichnen;

der Dollar als dominierende Währung hat weiter an Boden verloren, aber auch der Euro befindet sich in einer Krise;

die US-Hegemonie hat weiter abgenommen, was zu verschärfter innerimperialistischer Konkurrenz führt.

Zusammengefasst heißt das: die kommende Phase des Aufschwungs wird nicht nur durch eine Vertiefung der ungleichen konjunkturellen Entwicklung und der weiteren Verschiebung der wirtschaftlichen Gewichte, sondern auch durch verschärfte ökonomische und politische (und letztlich auch militärische) Konkurrenz zwischen den imperialistischen Staaten bzw. Blöcken geprägt sein. D.h., dass die EU - unter Führung des deutschen und französischen Imperialismus - gezwungen sein wird, die globale Führungsrolle der USA stärker als in den letzten Jahren anzugreifen. In diesem Zusammenhang sind auch die neuerlichen Offerten an Russland zu verstehen. Russland ist ein wichtiger Rohstoffexporteur und sichert zudem über ein erweitertes Transitabkommen den Nachschub für die NATO-Truppen in Afghanistan.

Auch diese Verschiebung der Machtverhältnisse innerhalb der imperialistischen Staaten kommt im neuen NATO-Konzept zum Ausdruck. Die EU-Staaten beanspruchen mehr Mitspracherechte und erwarten, dass Washington seinen Widerstand gegen eine weitere Militarisierung der EU, um Kriege notfalls ohne die USA führen zu können, aufgibt: „Die NATO erkennt die Bedeutung einer starken und fähigeren europäischen Verteidigungsfähigkeit an.“

Anschließend ist die Rede von einer „strategischen Partnerschaft zwischen der NATO und der EU“ und - entscheidend - vom „Respekt vor der Autonomie und institutionellen Integrität beider Organisationen.“ (§ 32) Mit anderen Worten: Implizit wird hier von Washington akzeptiert, dass die EU eigene Wege im Militärbereich gehen kann, solange sie dieses Zugeständnis mit einer größeren Unterstützung für die USA im Rahmen von NATO-Operationen zurückzahlt. Gleichzeitig machen die USA den Versuch, die „Lasten der Weltordnungspolitik“ stärker auf die europäischen Verbündeten zu verlagern. Im Konzept wird von einer „faireren Lastenverteilung“ (§ 3) gesprochen. (ebenda).

Auch das drückt die Widersprüchlichkeit des globalen Systems aus. Noch ist keine andere Macht der Welt in der Lage, die USA als imperialistische Hegemonialmacht abzulösen. Militärisch und damit auch diplomatisch muss mit einer fortgesetzten Vorherrschaft der USA gerechnet werden. Gleichzeitig sind die EU-Staaten - allen voran der deutsche Imperialismus - gezwungen, angesichts der permanenten Neuaufteilung der Welt, des Kampfes um Einflusssphären und Märkte in der imperialistischen Weltordnung, die Entwicklung der EU unter seiner Führung voranzutreiben. Auch wenn diese neue Strategie nicht ohne Risiko für das deutsche Kapital sein wird.

Einbindung ziviler „einheimischer“ Instrumentarien bei der Neuausrichtung der NATO

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch, wie offen sich das neue Konzept über die  stärkere Einbindung der einheimischen zivilen Repressionsorgane (unter dem Motto: Sicherheitssektorreformen) zur Entlastung des westlichen Militärs und zur Reduzierung der NATO-Truppen, ausspricht. Ziel dabei ist, die absolute Unterordnung der halbkolonialen Länder unter den Willen der imperialistischen Staaten und deren globalen Interessen: „Die Lehren aus den NATO-Operationen, besonders auf dem Balkan und in Afghanistan, machen deutlich, dass eine umfassende politische, zivile und militärische Herangehensweise für ein effektives Krisenmanagement erforderlich ist.“ (§ 21)

Desweiteren wird im Konzept der Aufbau NATO-eigener ziviler Planungskapazitäten zum ersten Mal anvisiert: „Wir werden (…) angemessene aber moderate zivile Krisenmanagementkapazitäten herausbilden, um uns besser an zivile Partner ankoppeln zu können. (…) Diese Kapazitäten können auch dafür verwendet werden, zivile Aktivitäten einzusetzen oder zu koordinieren.“ (§ 25) (ebenda)

Widerstand ist notwendig

Wie jedes Jahr, werden auch diesmal wieder tausende AktivistInnen aus linken Organisationen, aus Gewerkschaften und der Anti-Kriegsbewegung gegen diese Tagung demonstrieren.

Der einzige Ausweg, um Schluss zu machen mit Krieg, Ausbeutung und Zerstörung ist der Aufbau eines effektiven Widerstandes gegen die Verursacher. Das beinhaltet auch, den Zusammenhang zwischen der - auch militärisch geführten - Absicherung von Absatzmärkten und Ressourcen und den Angriffen auf die Arbeiterklasse allgemein aufzuzeigen, um sich so mit der Arbeiterklasse verbinden zu können.

Wir rufen deshalb alle Jugendlichen, alle KollegInnen auf, zur Großdemonstration gegen die NATO-Sicherheitskonferenz am 5. Februar nach München zu kommen!

Demonstration: 5.2., 13.00, Marienplatz

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Nr. 156, Februar 2011
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*  Nordafrika: Permanente Revolution
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*  SiKo-München: Mehr Sicherheit für Profit
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*  Frauen, Krise, Klassenkampf: Revolutionäre Frauenpolitik tut Not
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