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WASG/PDS

Es geht – voran???

Gerald Waidhofer, Neue Internationale 112, Juli/August 2006

Nachdem die Vorstände von WASG und PDS den eigenständigen Wahlantritt der  Berliner WASG nicht verhindern konnten, versuchen Lafontaine und andere Bundestagsabgeordnete, aber auch die PDS-Linken um die Kommunistische Plattform mit dem „Aufruf zu Gründung einer neuen Linken“, ihre Unterstützung der PDS-Politik in  Berlin durch „anti-kapitalistische“ Manifestationen politisch abzudecken.

Welche Partei die PDS aber wirklich ist, zeigt sich gerade an der Reaktion darauf. Kurz nachdem Lafontaine sein Manifest veröffentlicht hatte, meldeten sich Abgeordnete aus Sachsen zu Wort, die ihm wegen seiner Positionierung gegen Privatisierungen des „Staatsfetischismus“ bezichtigten. Kein Wunder, hat doch die Mehrheit der Dresdener PDSler vor wenigen Monaten selbst der Verscherbelung der öffentlichen Wohnbaugesellschaft der Stadt an private Spekulanten zugestimmt.

Formierungsprozess von oben

Geht es nach dem Willen der maßgebenden Kräfte in WASG und Linkspartei.PDS sind die Zusammensetzung der „neuen Partei“ und ihre politische Ausrichtung klar:

„Der von der Steuerungsgruppe von WASG und Linkspartei.PDS vorgeschlagene Zeitstrahl wurde wie folgt modifiziert und beschlossen. Über die Sommerpause hinaus werden bis Ende August die ersten Diskussionsvorlagen für den Parteibildungsprozess in den entsprechenden Arbeitsgruppen erarbeitet. Am 9. September auf dem Länderrat in Kassel soll neben der Beschlussfassung über den Bundesparteitag in Weimar am 17. und 18.11. die Debatte über den Parteibildungsprozess konkretisiert werden. Die Diskussion zu den programmatischen Eckpunkten erfolgt am 30.09. auf einem gemeinsamen Programmkonvent von WASG und Linkspartei.PDS in Frankfurt/Main, die im Oktober in regionalen Foren weitergeführt werden kann.

Der Bundesvorstand setzt zur Vorbereitung des Bundesparteitags eine Arbeitsgruppe aus seinen Reihen ein, die einen Ablauf für diesen Parteitag erarbeiten soll, der der Debatte zum Parteibildungsprozess den entsprechenden Rahmen geben soll. Die im Rahmen der Debatte von September bis November gewonnenen Ergebnisse sollen anschließend von den Mitgliedern der Steuerungsgruppe in die Erarbeitung der Gründungsdokumente einfließen, so dass eine Fertigstellung der Entwürfe der Gründungsdokumente im Dezember realistisch erscheint.“

Obiger Bericht des WASG-Bundesvorstands besagt eindeutig, dass der Bundesparteitag im November keinen Beschluss über den Inhalt des Programms oder über die Formierung einer Partei fassen soll. Gnädigerweise können seine Ergebnisse in die Abschlussdokumente „einfließen,“ sofern sie der von den Vorständen ernannten „Steuerungsgruppe“ passen.

Die Konflikte zwischen dem rechten Flügel der PDS und der WASG-Spitze sowie der Parlamentsfraktion unter Lafontaine/Gysi haben zugenommen und werden munter über die bürgerliche Presse ausgetragen.

Konflikte unter den Reformisten

Die PDS-Landesverbände Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen wechseln sich darin ab, die Angriffe Lafontaines zu verurteilen, die Kampagne der Parlamentsfraktion gegen jede Privatisierung zu verteufeln usw.

Doch was steht eigentlich politisch hinter diesem Konflikt? Handelt es sich nur um einen Kampf zwischen Linken und Rechten?

Wohl kaum! Auch wenn sich Lafontaine und Co. zur Zeit linker positionieren, so teilen alle Seiten das grundsätzliche politische Konzept, das auf die Re-Reformierung des Sozialstaats und auf die Beteiligung an einer Reformregierung nach den nächsten Bundestagswahlen hinausläuft.

Der Unterschied ist vielmehr folgender: Während die PDS-Landesvorstände in den meisten ostdeutschen Ländern ihre Realpolitik als Vorreiter dieser Zielsetzung betrachten, sehen die WASG-Spitze und Teile der PDS-Führung sowie der Parlamentsfraktion diese Politik als Belastung dafür, in den sozialen Bewegungen und bei kämpferischen GewerkschafterInnen und Arbeitslosen bis 2009 genug Unterstützung aufzubauen bzw. zu halten.

Im Gegensatz zu blassen PDS-Verwaltern wie Bartsch weiß Lafontaine, dass Unterstützung in der Bevölkerung nur durch offensives Auftreten gewonnen werden kann, durch Polemik gegen Kapitalismus und Imperialismus und nicht durch demonstrative Zurschaustellung der eigenen Angepasstheit.

Dass Lafontaine und Co. im Grunde von gleichem Kaliber sind, zeigt sich u.a daran:

Sie verteidigen die Beteiligung an bürgerlichen Regierungen, "um Schlimmeres zu verhüten". Tortz aller Bedenken, unterstützen sie die Senatsbeteiligung der Berliner PDS gegen die WASG. Wie weit Maurer, Lafontaine und Co. im Ernstfall zu gehen bereit sind, haben sie in den 90er Jahren als Minister, bei der Zustimmung zur Aushebelung des Asylrechts usw. usf. bewiesen.

Die eigenen Kampagnen für Mindestlohn oder gegen Privatisierung werden auch von den Linkspartei-Parlamentariern nicht ernst genommen. Nachdem in der PDS Kritik an der Anti-Privatisierungskampagne hochkam, wurde diese prompt ins Jahr 2007 verschoben - nach den Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.

Trotz aller Beteuerungen ist auch die WASG keine „Bewegungspartei.“ Im Gegenteil:  Die Programmatik (siehe den Aufruf zur Gründung einer neuen Linken) ist ebenfalls nur alter Reform-Wein in gar nicht allzu neuen Schläuchen.

Letztlich wird sich im Spektrum einer fusionierten PDS/WASG wohl der Lafontaine-Flügel durchsetzen. Warum? Weil er sich auf eine reale bundesweite Perspektive stützen kann, die Teile des Gewerkschaftsapparats hinter sich bringt. Dieser Flügel ist nicht zufällig eher links von den PDS-Spitzen in den Landesverbänden angesiedelt, weil diese sich auf ein außerhalb der PDS wenig organisiertes Klientel stützen, während Ernst, Lafontaine etc. die Partikularinteressen von Teilen der organisierten Arbeiterklasse (darunter Teile der westdeutschen Arbeiteraristokratie) berücksichtigen müssen.

Die „Linke“ in der PDS spielt eine besonders schäbige Rolle. Schon in den letzten 15 Jahren fungierte die "Kommunistische" Plattform um Sarah Wagenknecht als Bremse für jede Formierung links vom PDS-Vorstand und als Integrationsmittel in die Partei, die dafür mit Posten, Büros und Abgeordnetenplätzen honoriert wurde.

Kein Wunder, dass diese auch gegen den eigenständigen Antritt der Berliner WASG agitiert. Auch die sog. „anti-kapitalistische Linke“ hat sich auf der Konferenz am 10. Juni als linientreue Gruppe entlarvt.

In diesem Kontext müsste die Linke Opposition in der WASG rasch daran gehen, sich selbst zu formieren und aktionsfähig zu werden.

Doch auch davon ist seit der Kasseler Konferenz wenig zu sehen. Wenn die Opposition sich nicht rasch politisch, programmatisch und organisatorisch formiert, wird sie vom Vereinigungsprozess überrollt werden - egal, wie die Berliner Wahl ausgeht.

Wir denken daher, dass sich die Opposition rasch bundesweit konstituieren und der Koordinierungskreis Stellungsnahmen und eine Konferenz organisieren muss, die Folgendes beinhalten:

a) Unterstützung des eigenständigen Wahlantritts in Berlin;

b) Vorantreiben der programmatischen Klärung der Linken Opposition; dazu gehören die Analyse der Klassenkampfsituation, die Klärung, was wir wollen, für welche Gesellschaft kämpfen, mit welchen Forderungen und Mitteln eine neue Partei kämpfen muss. D.h. welche Art von Partei, welches Programm brauchen wir? Eine Opposition, die auf dem Boden des WASG-Programms stehen bleibt, hat keine Zukunkt. Sie muss entweder radikal anti-kapitalistisch werden, oder sie wird nichts werden.

c) Die Linke Opposition muss öffentlich wahrnehmbare Arbeits- und Kampagnenschwerpunkte festlegen und umsetzen, so dass deutlich wird, dass sie für eine Partei steht, die aktiv mobilisiert und nicht nur ein Wahlverein ist. Sie muss Bündnispartner außerhalb der WASG suchen und mit diesen gemeinsame Druck machen.

d) Demokratische Legitimierung des Zusammenhalts der Linken Opposition und einer bundesweiten Koordinierung.

Nur so kann erreicht werden, dass aus dem Potential der WASG (oder wenigstens Teilen davon) eine Kraft entsteht, die im Klassenkampf ein realer Faktor und eine wahrnehmbare, konsequente  und grundsätzliche antikapitalistische Alternative zum Reformismus ist.

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Nr. 112, Juli/August 2006

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