Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Neue Internationale 100

Revolutionäre Zeitung

Martin Suchanek, Neue Internationale 100, Mai 2005

Zum 1. Mai 2005 erscheint Nummer 100 unserer Zeitung. Im September 2001 - nach dem heißen Sommer der antikapitalistischen Bewegung, der 300.000 in Genua gegen die G 8 zusammengführt hatte - beschlosen wir, sie monatlich mit einem neuen Titel "Neue Internationale" (NI) herauszugeben.Wir hatten dafür mehrere Gründe:

Erstens signalisierten Genua und die Protestaktionen, die nach der Ermordung Carlo Guilianis von den Sozialforen in Italien gegen Berlousconi gestartet wurden, den ersten Höhepunkt einer neuen, internationalen Bewegung.

Zweitens fanden und finden diese Kämpfe vor dem Hintergrund einer permanenten, massiven globalen Offensive des imperialistischen Kapitals statt, die sich in Krieg, Generalangriff auf die Lohnabhängigen und Unterdrückten und verschärften Klassenkämpfe ausdrückt. Sollen diese Kämpfe nicht in Niederlagen enden, ist die Schaffung einer neuen Arbeiterinternationale notwendig, die nicht nur den Widerstand gegen die Attacken der Herrschenden koordiniert, sondern die Ausgebeuteten zum Sturz des Kapitalismus selbst führt.

Zur Verbreitung, zur Propagierung dieser Ideen und der organisatorischen Schlussfolgerungen ist eine regelmäßige Publikation notwendig. Ideal wäre natürlich eine kommunistische Tageszeitung - doch wie jede Schrift setzt das eine Organisation voraus, die in der Lage wäre, ein solches Projekt auch umzusetzen.

Davon sind wir als kämpfende Propagandagruppe noch ein gutes Stück entfernt. Der Beitrag und die Zweckmäßigkeit eine revolutionären Monatszeitung - wie jeder revolutionären Publikation vom theoretischen Journal, über die Homepage bis zum Flugblatt - müssen sich also daran messen lassen, ob und wie sehr sie einen Beitrag zum Parteiaufbau, zur Organisierung von KommunistInnen und der Verbereitung ihres Programms leisten.

Die bürgerliche Presse

Schon für das revolutionäre Bürgertum spielten Zeitungen, Bücher usw. eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Feudalaristokratie. Von Beginn an war die Arbeiterbewegung, waren ihre Parteien und andere Klassenorganisationen auch eng mit der Schaffung einer eigenen Presse verknüpft.

Die bürgerliche Gesellschaft hat eine riesige kapitalistische Medienproduktion entwickelt, welche die "öffentliche Meinung", die bürgerliche Öffentlichkeit mit Halbwahrheiten, Lügen, Entstellungen usw. zu monopolisieren trachtet. Für jede Schicht der Bevölkerung gibt es eine mehr oder weniger auf sie zugeschnittene Meinung. Für die Masse der Lohnabhängigen ist die Boulevardpresse, sind BZ, Bild usw. zuständig, während für die "Aufgeklärten" die sozial-liberale Presse von taz über Frankfurter Rundschau bis zur Süddeutschen angeboten werden.

Zweifellos lügen etliche Blätter wie gedruckt. Der Einfluss und auch die Bedeutung der bürgerlichen Presse insgesamt kann jedoch nicht daraus erklärt werden, dass sie nur lügt. Wäre dem so, so wäre sie leicht und offenkundig zu durchschauen und hätte für die LeserInnen überhaupt keinen Gebrauchswert. Nachrichten und Informationen könnten dann einfach durch Unterhaltung ersetzt werden.

In der Tat gehört es zur bürgerlichen Presse, zur ihrem notwendigen Erscheinungsbild, dass sie vorgibt, zwischen "wertfreier" Information, zwischen "objektiver" Nachricht und "subjektivem" Kommentar zu unterscheiden.

Diese Ideologie stößt aber immer wieder auf sehr reale Grenzen, wenn Staaten oder Eigentümer aus wohl verstandenem Herrschaftsinteresse direkt in das redaktionelle Prozedere eingreifen. Sie stößt natürlich auch an Grenzen der Konkurrenz unter den großen Verlagen oder Medienanstalten, auf dem Markt, auf dem die Nachricht oder die Meinung eine Ware ist wie jede andere, die ihrem Produzenten möglichst viel Gewinn bringen soll. Sie stößt an ihre Grenzen, wenn rassistische, sexistische und andere reaktionäre Ideen millionenfach bewusst unters Volks gestreut oder Nachrichtensperren verhängt werden.

Aber nicht nur hinter der offenkundigen herrschaftskonformen Manipulation, sondern vor allem in der vorgeblich "objektiven" Berichtererstattung des aufgeklärten Journalisten, der "seine Wahrheit" über den Klassen stehend wähnt, reproduziert sich der bürgerliche Charakter der kapitalistischen Medien.

Auch diese Form der durchaus ehrenwerten Berichterstattung stellt dem "Nachrichtenempfänger" die Welt als eine Sammlung unendlich vieler, nicht oder willkürlich geordneter "Fakten" dar. Daher kommt es auch, dass bei vielen KonsumentInnen bürgerlicher Medien vor lauter Fakten und einer Fülle beliebig aneinander gereihter Meinungen nach deren Konsum mehr Verwirrung oder Unsicherheit denn Klarheit bleibt.

ArbeiterInnen, die sich über Zusammenhänge im TV oder in der Presse informieren wollen, fühlen sich darum von Informationen oft geradezu erschlagen. Am Ende bleibt ein Gefühl der Ohnmacht, dass "alles ohnehin undurchschaubar" wäre und "man ohnehin nichts" machen könne. Auch das ist Zweck bürgerlicher Berichterstattung.

Klassenstandpunkt

Eine revolutionäre Zeitung muss andere Ziele verfolgen. Sie kann und darf sich nicht auf die Sammlung und Wiedergabe von Fakten oder Infos beschränken.

Sie muss diese Fakten und Informationen analysieren und herausarbeiten, warum die Dinge so sind wie sie sind, welche politischen, ökonomischen, historischen Interessen, welche Klasseninteressen sich dahinter verbergen.

Sie nimmt keinen vorgeblich "neutralen" Standpunkt ein. Sie ist parteiisch, sie vertritt einen Klassenstandpunkt: den des Proletariats. Sie muss darstellen, welche Interessen die Arbeiterklasse in einem bestimmen Konflikt verfolgt bzw. verfolgen muss, wie sie Hindernisse dabei überwinden kann, welche Bündnispartner sie dafür gewinnen (bzw. von welchen sie sich trennen) muss, welche strategischen und taktischen Schritte notwendig sind.

Kurzum, eine Aufgabe besteht darin, einen Klassenstandpunkt, Klassenbewusstsein zu propagieren.

Diese Aufgabe ist zentral, weil das bürgerliche Medienmonopol zur Manipulation des Bewusstseins der Unterdrückten führt oder wenigstens das Gefühl ihrer Ohnmacht, der Ausweglosigkeit der bestehenden Verhältnisse festigt. Aber das ist nicht der einzige Grund.

Das Bewusstsein der Lohnabhängigen, der Klasse der LohnarbeiterInnen ist nicht spontan revolutionär. Das Lohnarbeitsverhältnis führt vielmehr dazu, dass die bestehenden Verhältnisse notwendigerweise "verkehrt" oder "falsch" zu Bewusstsein kommen. So meinen die meisten Leute, Ausbeutung wäre nur dann gegeben, wenn der Preis für die Arbeitskraft (bzw. "die Arbeit") zu niedrig ist. Die wirkliche Ausbeutung - die Aneignung des geschaffenen Mehrwerts -ist durch die Lohnform verschleiert. Dem Arbeiter scheint, dass er seine Arbeit und nicht seine Arbeitskraft verkaufen würde.

Natürlich gerät die tägliche Erfahrung des Arbeiters an verschiedenen Stellen damit in Widerspruch. Aber das ersetzt noch keine Aufklärung, keine Analyse der Ausbeutung, ihres Wesens und ihres historischen Charakters.

Der Klassenstandpunkt der Arbeiterklasse ist nicht einfach mit dem Bewusstsein der Klasse identisch - und kann es auch nicht sein. Ebenso wenig erschöpft sich kommunistische Propaganda auf das "unmittelbare" Arbeiterinteresse, auf Fragen wie Lohn, Arbeitszeit usw. So wichtig diese Fragen sind (und wer würde ihre Bedeutung angesichts massiver Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängung usw. leugnen!) - eine revolutionäre Zeitung muss diese Fragen in den Kontext des Kampfes zur Abschaffung des gesamten Systems der Lohnarbeit stellen.

Eine revolutionäre Zeitung muss versuchen, alle wichtigen politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen Fragen zu beleuchten. Sie muss versuchen, nicht nur unmittelbare Arbeiterinteressen zu artikulieren, sie muss die Beziehung aller Klassen, Parteien, Verbände, Gewerkschaften, Bewegungen analysieren und den LeserInnen von einem marxistischen Standpunkt aus darstellen.

Sie muss allen internationalen Fragen einen zentralen Stellenwert beimessen. Sie muss alle Formen der politischen und sozialen Unterdrückung, alle großen gesellschaftlichen und politischen Fragen - also nicht nur jene, welche die ArbeiterInnen direkt betreffen - thematisieren und aufzeigen, dass die Arbeiterklasse zu all diesen Fragen Stellung nehmen und für die Unterdrückten Partei ergreifen muss.

Nur so kann die Klasse - und das heißt zuerst ihre Avantgarde - befähigt werden, sich und alle anderen Unterdrückten zum Sturz des Kapitalismus zu führen. Nur so kann wirklich kommunistisches, revolutionäres Klassenbewusstsein entstehen.

Das schließt auch die polemische Auseinandersetzung mit anderen Strömungen der Arbeiterbewegung und der Linken mit ein. Die Vorstellung, dass solche "Streitigkeiten" nicht vermittelbar wären, lehnen wir ab. Fragen wie jene, welche Art von "Arbeiterpartei" z.B. heute notwendig ist, für welches Programm KommunistInnen - von Beginn an - kämpfen sollen, stellen sich allen, die einen Ausweg aus der Misere des Kapitalismus finden wollen. Auch wenn wir heute nur eine kleine Minderheit der Klasse mit der Zeitung erreichen, so wird die Isolierung und Zersplitterung der revolutionären Linken nicht dadurch überwunden, dass grundlegende Differenzen und Prinzipienfragen wieder einmal vertagt werden. Im Gegenteil: damit wird das Ziel der politischen Aufklärung der ArbeiterInnen und linker LeserInnen eigentlich hintertrieben.

Eine Zeitung dient für KommunistInnen so nicht einfach als "Informationsorgan" für die ArbeiterInnen, radikale Intellektuelle und Jugendliche. Sie dient auch als Mittel zum Aufbau der revolutionären Organisation, als "kollektiver Organisator", wie es Lenin einmal ausdrückte.

Worin besteht diese organisierende Tätigkeit?

Erstens stellen die politischen und organisierenden Schlussfolgerungen, die jede kommunistische Propaganda und Agitation einschließen muss (z.B. Aufruf zur Bildung von Aktionsbündnissen, zum Aufbau einer Basisbewegung in den Gewerkschaften usw.) immer eine organisierende Tätigkeit dar, für die Mitglieder der revolutionären Organisation eintreten - sei es in Form der Propaganda, der Agitation oder indem sie direkt bestimmte Bündnisse ins Leben rufen oder Aktionen durchführen.

Zweitens korrespondieren die Schwerpunktsetzungen einer revolutionären Zeitung nicht nur mit den objektiven Klassenkampferfordernissen, sondern sie stehen auch in einer engen Bindung zu den Perspektiven des Aufbaus einer revolutionären Organisation. Die Artikel dienen dazu, die politische Geschlossenheit unter verschiedenen örtlichen Gegebenheit (und durchaus unter Berücksichtung dieser "Besonderheiten") sicherzustellen und zu festigen.

Sie dient natürlich auch dazu, neue GenossInnen für den Aufbau der Partei zu gewinnen.

Last, but not least: Eine revolutionäre Zeitung ist eine Zeitung der gesamten Mitgliedschaft. Sie soll neben zentralen politischen Artikeln zu den "großen Fragen" auch dazu dienen, eine reale Öffentlichkeit der Unterdrückten herzustellen. Sie soll auch dazu dienen, Berichte aus Betrieben, aus sozialen Kämpfen, aus der Schule, von Erwerbslosen und ihren Aktionen und Erfahrungen bekannt zu machen, um die eigene (scheinbare oder reale) Isolation zu überwinden und dazu beitragen, gemeinsame Schlussfolgerungen zu ziehen.

Für eine Zeitung wie die NI können diese nur exemplarischen Charakter haben. Aber schon heute können viel mehr solcher Berichte – nationale wie internationale – in anderen Medien wie z.B. in unserer Infomail (oder auf der Homepage) mehr verbreitet werden.

Wo stehen wir?

Verglichen mit revolutionären Zeitungen wie der bolschewistischen Prawda oder der "Roten Fahne" von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg stehen wir ganz am Anfang. Unsere Aufgaben und die Art der Zeitung, die wir den nächsten Jahren entwickeln wollen, entspricht eher jener der Linken Opposition vor 1933, die die Wochenzeitung "Permenante Revolution" herausgab.

Sicherlich lösen wir die Aufgaben in der Produktion der NI oft nicht so gut, wie es wünschenswert wäre. Aber wir haben in den letzten Jahren versucht, die Zeitung permanent zu verbessern - und wir haben sie wohl auch verbessert.

Vor allem aber: die Zeitung lebt von der Organisation, von den GenossInnen, die sie schreiben, layoutieren und verbreiten ...

Daher brauchen wir auch mehr MitstreiterInnen: als UnterstützerInnen, als KorrspondentInnen und AbonnentInnen der Zeitung oder unserer elektronischen Medien - als aktive Mitglieder der arbeitermacht.

Leserbrief schreiben   zur Startseite

neue internationale
Nr. 100, Mai 2005

*  Erster-Mai-Aufruf: Klassenkampf statt Kapitulation!
*  DGB Aktuell: Frühling der Bürokratie?
*  Papstwahl: In Rom nichts Neues
*  Heile Welt
*  60 Jahre Befreiung vom Faschismus: Krieg und reaktionäre Weltordnung
*  Frankreich: Aus für EU-Verfassung?
*  WASG-Parteitag: Nein zum Programm!
*  Neue Internationale 100: Revolutionäre Zeitung
*  Rot/Grün und der 8. Mai: Antifaschistische Fassade