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60 Jahre Befreiung vom Faschismus

Krieg und reaktionäre Weltordnung

Hannes Hohn, Neue Internationale 100, Mai 2005

Am 8. Mai 1945 endete in Europa der 2. Weltkrieg, in Asien dauerte er noch bis zum September 1945.

Bürgerliche Historiker stellen diesen blutigsten Krieg der Geschichte meist als Konflikt zwischen Diktatur und Demokratie dar. In diesem Szenario sind die westalliierten imperialistischen Mächte USA, Frankreich und Britannien die "Guten". Bei der Einschätzung der Rolle der Sowjetunion streiten sich die Geister, weil sie zwar den Hauptanteil an der Zerschlagung des Faschismus hatte, aber "leider" nicht bürgerlich-demokratisch war.

Nazideutschland hingegen gilt als aggressives, inhumanes Terrorregime, das die Welt mit Krieg überzog, die eroberten Länder ausplünderte und den Holocaust zu verantworten hat. Letzteres stimmt natürlich - ist aber nur die halbe Wahrheit. Komplett absurd ist allerdings, wenn rechte Ideologen meinen, dass Hitler quasi aus "Notwehr" den Krieg begonnen hätte, um einer Aggression Stalins zuvor zu kommen.

Es war kein Zufall, dass gerade Deutschland den Weltkrieg vom Zaun brach. Als Verlierer des 1. Weltkriegs wurde es, statt die erhoffte Dominanz in Europa zu erlangen, durch den Versailler Vertrag in die zweite Reihe der imperialistischen Mächte gezwungen. Die Novemberrevolution hatte den Kaiser gestürzt und zu einer parlamentarischen Republik geführt. Doch dieser, von der SPD auf halber Strecke gestoppten, Revolution folgte nicht nur die von Krisen und Klassenkämpfen erschütterte Weimarer Republik; sie konfrontierte die Bourgeoisie zugleich mit dem Schreckgespenst der sozialistischen Revolution.

Imperialistischer Konflikt

Vor dem Hintergrund der tiefen sozialen Krise und der Schwäche der bürgerlichen Demokratie kam der Faschismus an die Macht. Seine aggressive Politik sollte dem deutschen Imperialismus endlich die Vorherrschaft in Europa erkämpfen. Dazu musste jede innere Opposition und vor allem die Arbeiterbewegung zerschlagen werden, um alle Kräfte der Nation zusammenfassen und mobilisieren zu können.

Was am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen begann und bald darauf auch in Asien losbrach, war ein Konflikt zwischen imperialistischen Mächten. Er war von allen Seiten reaktionär.

England, Frankreich und die USA förderten bzw. tolerierten die Aufrüstung Deutschlands. Es gab in in all diesen Ländern "einheimische" Nazis, hinter denen auch Teile der Bourgeoisie dieser Staaten standen. Wie servil und kooperationsbereit die "demokratischen" europäischen Bourgeoisien gegenüber den Nazis waren, zeigen viele Beispiele: das französische Vichy-Regime trieb tausende Juden für die Vernichtung zusammen; in allen besetzten westeuropäischen Ländern stützte sich die deutsche Herrschaft auch auf die "einheimischen" Staatsapparate, das "neutrale" Schweden belieferte die deutsche Kriegswirtschaft.

Wider Erwarten für London und Paris griff Hitler 1940 aber nicht die SU an, sondern seinen kontinentalen Hauptrivalen Frankreich und versuchte - allerdings erfolglos - auch Britannien nieder zu ringen. Dass ihm das aber nicht gelang, verweist auf den Widerspruch zwischen Deutschlands globalen Ambitionen und seinen begrenzten ökonomischen und militärischen Ressourcen.

Dass Hitler in wenigen Monaten halb Europa erobern konnte, ist nicht nur seiner Entschlossenheit, der effizienten Kriegsmaschine und dem Kriegsglück geschuldet; es erklärt sich auch aus den Widersprüchen zwischen seinen imperialistischen Rivalen und deren abwartender Haltung, die sich v.a. aus einer Quelle speiste: ihrem Antikommunismus. Sie hofften, dass sich Hitlers Aggression gegen die Sowjetunion, den verhassten ersten Arbeiterstaat der Welt, richten würde.

Der andere Krieg

Der 2. Weltkrieg war nicht nur ein imperialistischer Konflikt um die Neuaufteilung der Welt. Er war auch ein Gewaltakt aller kapitalistischen Hauptmächte gegen koloniale oder halbkoloniale Länder und deren antiimperialistische Befreiungsbewegungen: Italien gegen Abessinien, Britannien gegen Indien, Japan gegen China usw.

RevolutionärInnen mussten diese Befreiungsbewegungen gegen den Imperialismus - ob dieser faschistisch oder demokratisch war - unterstützen. Gleiches gilt für die Partisanenbewegungen, die in vielen Ländern gegen die deutsche Besatzung entstanden waren. Da diese Bewegungen oft bürgerlich-nationalistisch dominiert waren, konnte diese Unterstützung aber nur eine kritische sein, die sich auf militärische Kooperation bezog und darauf drang, dass die antikapitalistischen und proletarischen Kräfte ihre Ziele und ihre Organisationen nicht zu Gunsten bürgerlicher Konzepte und nationalistischer Bewegungen aufgaben.

Am 22. Juni 1941 überfielen Deutschland und seine Verbündeten die Sowjetunion. Es ist kein Zufall, dass die Kämpfe an der Ostfront besonders hart waren. Anders als in den Konflikten mit kapitalistischen Staaten war Hitlers Krieg im Osten ein offen erklärter Rassen- und Weltanschauungskrieg. Anders als die Staatsapparate im Westen hatte die Stalin-Bürokratie wenig Chancen auf Kooperation mit den Besatzern. Ein deutscher Sieg hätte nicht nur einen Wechsel der Privateigentümer an Produktionsmitteln gebracht, er hätte einen Systemwechsel bedeutet: die Zerschlagung des staatlichen Eigentums und dessen Reprivatisierung durch das deutsche Kapital.

Obwohl Stalins bürokratische Diktatur zu tiefen Deformierungen des Arbeiterstaates geführt hatte, war die Sowjetunion und der heldenhafte Kampf ihrer Menschen die große Hoffnung aller AntifaschistInnen und aller Opfer von Krieg, Besatzung und Terror. Die Verteidigung der UdSSR war nicht nur notwendig, um den Faschismus zu schlagen; es ging dabei zugleich - und vor allem! - darum, die sozialen Errungenschaften der Revolution, die (wenn auch bürokratisch degenerierte) Alternative zum Kapitalismus und eine Ausgangsbasis der Weltrevolution zu verteidigen.

Stalins Politik

Die moskautreuen KPen wiesen jede Kritik an Stalins Politik zurück und bejubelten seine politischen Zickzack-Manöver - und daran war kein Mangel. Vor 1933 verfolgte die inzwischen stalinisierte Komintern einen ultralinken Kurs, der es dem deutschen Proletariat und der KPD unmöglich machte, die Machtergreifung der Nazis zu verhindern. Unfähig, aus dieser Niederlage zu lernen, schwenkte man 1935 scharf nach rechts zur Volksfrontpolitik, die ein strategisches und Regierungsbündnis mit Teilen der Bourgeoisie unter Aufgabe des eigenen Zieles, den Kapitalismus zu stürzen, darstellte.

Diese Doktrin galt auch außenpolitisch. Stalin suchte ein Bündnis mit den "demokratischen" Imperialismen zu schaffen. Dazu "bremste" er u.a. die Revolution in Spanien. Im August 1939 schloss er dann aber einen Geheimvertrag mit Hitler, den er sogar noch mit einem offiziellen "Freundschaftsvertrag" garnierte.

Der Geheimvertrag gab Hitler "freie Hand" im Osten - er musste keinen militärischen Konflikt mit der Sowjetunion befürchten. Er bedeutete aber auch, dass Stalin die Weltarbeiterklasse und das polnische Volk nicht vor Hitlers Überfall warnte. Nicht zuletzt annektierte Stalin 1939 selbst einen Teil Polens. Diese Politik untergrub nicht nur das Klassenbewusstsein - in den Augen vieler Menschen war Stalin auch nur ein Aggressor, den die nationalen Interessen anderer Völker nicht weiter scherten.

Nicht weniger fatal wirkte Stalins Politik im eigenen Land. Terror und bürokratische Willkür schwächten die Rote Armee dramatisch. Anstatt sich auf den drohenden Überfall Hitlers vorzubereiten, verhinderte Stalin die Mobilisierung. Er erklärte sogar, "ein Überfall Hitlers entbehre jeder Grundlage". So traf der Krieg die Sowjetunion unvorbereitet. Die Unterdrückung vieler nichtrussischer Völker in der UdSSR und in den 1939/40 annektierten Gebiete Polens, Rumäniens und des Baltikums führte dazu, dass sich Teile der Bevölkerung dieser Gebiete fatalerweise von Hitler die Befreiung erhofften und ihn deshalb anfangs unterstützten. Erst der deutsche Terror in den besetzten Gebieten änderte ihre Haltung und machten sie zu Feinden der Faschisten.

Wenn Hitler in dieser Frage zeitweilig anders vorgegangen wäre und Japan im Osten ebenfalls die SU angegriffen hätte - eine Niederlage Stalins 1941 wäre nicht ausgeschlossen gewesen.

Die Degeneration der 3. Internationale zu einer Marionette der Moskauer Aussenpolitik, welche die die verhängnisvolle Politik Stalins noch bejubelte, motivierte Trotzki und die AnhängerInnen der internationalen Linksopposition, 1938 die IV. Internationale zu gründen. Sie sahen, dass die Komintern unreformierbar geworden war und deshalb eine neue revolutionäre Führung des Weltproletariats geschaffen werden musste.

Die Position der Verteidigung der Sowjetunion und des Kampfes gegen den Faschismus verband die IV. Internationale aber mit einer doppelten revolutionären Losung: einerseits soziale Revolution - in den Ländern des "demokratischen" Kapitalismus wie in den faschistischen Diktaturen - andererseits politische Revolution gegen die Diktatur der bürokratischen Stalin-Kaste in der SU.

Ende und Aufbruch

Die Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 brachte nicht nur das Ende des Faschismus. Sie markiert zugleich eine Existenzkrise des deutschen und des Weltkapitalismus. Wie am Ende des 1. Weltkriegs suchten die Massen nach einer Alternative zu Vernichtung und Elend und dem System, das Krieg und Faschismus hervorbrachte. Zwischen 1917 und 1923 gab es in mehreren Ländern Revolutionen bzw. heftigste Klassenkämpfe. Wie sah es aber zu Kriegsende 1945 aus?

Nach der Vertreibung der Nazis lag in vielen Ländern die Macht "auf der Strasse". Die Staatsapparate lagen am Boden, die alten Machteliten waren wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Faschisten verhasst. Es gab starke Partisanenbewegungen, in etlichen Ländern waren Teile der Arbeiterklasse bewaffnet. Alles hing jetzt davon ab, ob die Führungen der Arbeiterbewegung bereit und fähig waren, die Macht zu ergreifen.

Stalins strategischer Kompromiss mit dem (demokratischen) Imperialismus - die Anti-Hitler-Koalition und die Volksfrontpolitik - orientierten die KPen aber auf den Aufbau einer antifaschistisch-demokratischen, also kapitalistischen (!) Ordnung. Die stalinistischen Parteien traten in bürgerliche Regierungen ein, um den Wiederaufbau des Kapitalismus zu organisieren - anstatt ihn zu stürzen. Als sich die bürgerliche Nachkriegsordnung unter Mithilfe von Sozialdemokratie und Stalinisten stabilisieren konnte, hatte der "kommunistische" Mohr seine Schuldigkeit getan und wurde abserviert und aus den Regierungen geworfen oder abgewählt.

In Osteuropa, wo die Rote Armee über die gesamte Staatsmacht verfügte und ein großer Teil der einheimischen Bourgeoisie ohnehin schon von den deutschen Faschisten enteignet war, war es am leichtesten möglich, die Massen zum Sturz des Kapitalismus und zur Übernahme der Macht zu mobilisieren. Doch was tat Stalin? Er etablierte in Osteuropa bürgerliche Regime, in denen die KP dominierte, indem sie die bewaffneten und Sicherheitsorgane kontrollierte. In Bulgarien holte er sogar den früheren König zurück!

Wie komplett konterrevolutionär Stalins Strategie war, wird am Beispiel Griechenland deutlich. Dort erhoben sich 1946 bewaffnete ArbeiterInnen und versuchten, die Macht zu übernehmen. Griechenland gehörte gemäß dem Potsdamer Abkommen aber zum Interessengebiet der Briten. Die Aufständischen riefen Stalin um Hilfe gegen die britischen Besatzer an - Stalin ließ sie im Stich. Er opferte ihren Kampf seinem reaktionären (und letztlich utopischen) Kompromiss mit dem Imperialismus.

Beispiel Ostdeutschland

Auch Stalins Pläne für Deutschland zielten auf eine antifaschistisch-demokratische, bürgerliche Ordnung. Ein entmilitarisiertes und ökonomisch schwaches Deutschland sollte als Gefahr ausgeschaltet und zu einem Pufferstaat zwischen westlichem Kapitalismus und Stalins Einflussbereich Osteuropa werden.

Allein schon die Idee, dass die Siegermächte, die ja entgegengesetzte soziale Systeme verkörperten, gemeinsam Deutschland verwalten könnten, war absurd. Die Entwicklung zeigte das auch sehr bald, als die Konflikte zwischen Stalin und den Westalliierten immer größer wurden und schließlich im Kalten Krieg mündeten.

In der sowjetischen Zone verfügte die Rote Armee über die gesamte administrative Macht, der faschistische bürgerliche Staatsapparat war zusammengebrochen. Es gab Antifa-Ausschüsse, in denen KPD und SPD dominierten. In Volksabstimmungen - auch im Westteil - votierten z.T. über 90% für die Abschaffung des Privateigentums. Enteignet wurden aber zunächst nur die "Kriegsverbrecher", nicht die Bourgeoisie als Klasse. In vielen Betrieben waren die Eigentümer geflohen, während die Belegschaften die Produktion bzw. den Wiederaufbau organisierten - sie hatten die Macht im Betrieb.

In dieser Situation verkündete die KPD, deren Führung die "Gruppe Ulbricht" darstellte, dass es nicht um den Sozialismus ginge, sondern um den Aufbau einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung. Ulbricht betonte immer wieder, dass "die Schaffung von Sowjets" - also von Machtorganen der Arbeiterklasse - "nicht auf der Tagesordnung" stünde. Welch krasser Unterschied zur Politik von Lenin oder Luxemburg zu Ende des 1. Weltkriegs!

Die Ansätze zu betrieblichen Machtorganen der ArbeiterInnen und zum Aufbau einer demokratischen Planwirtschaft wurden doppelt ausgehebelt. Einmal, indem wesentliche Teile der ostdeutschen Wirtschaft in sowjetisches Eigentum umgeformt wurden, so dass die wirtschaftliche Kontrolle der Moskauer Bürokratie oblag und nicht den ArbeiterInnen vor Ort.

Zum anderen wurden wesentliche Teile der Wirtschaft als Reparationen demontiert und gen Osten verfrachtet, was - in einer Situation extremen Mangels (!) - immense zusätzliche Produktionsausfälle brachte. Konnte das der Weg sein, zumindest im Osten anzufangen, den Sozialismus aufzubauen?!

Auch die 1946 vollzogene Vereinigung von KPD und SPD zur SED beruhte auf einem Programm, das auf eine bürgerliche Ordnung zielte und nicht auf Sozialismus.

Wie in anderen Ländern Osteuropas hatte Stalins Vorgehen aber nicht nur dazu geführt, dass die Chancen, den Kapitalismus zu stürzen und die Arbeiterklasse zur Machtergreifung zu führen, bewusst vertan worden waren. Die bürgerlichen "Koalitionspartner" witterten - mit Rückendeckung des Imperialismus - Morgenluft. Stalin sah sich mit der Gefahr konfrontiert, seinen Einfluss in Osteuropa wieder zu verlieren. Angesichts dieser Gefahr, angesichts des immer offensichtlicheren Auseinanderbrechens der Anti-Hitler-Koalition und der konkreten Schritte der Westalliierten, in Westdeutschland den Kapitalismus wieder aufzubauen, zog er die Reißleine: 1952 wurde von der II. Parteikonferenz der SED der "Aufbau des Sozialismus" propagiert.

Nun - also erst Anfang der 1950er Jahre - wurde eine Planwirtschaft installiert und damit das kapitalistische Wertgesetz ausser Kraft gesetzt.

Historische Bilanz

Die Zerschlagung des deutschen Faschismus kann und muss als Befreiung angesehen werden. Doch Befreiung wovon? Der Faschismus ist ein Produkt des Kapitalismus, ist dessen letzte Rettung vor der drohenden Revolution. Ausrottung des Faschismus konnte und musste also auch heißen, den Kapitalismus zu beseitigen.

Revolutionäre Möglichkeiten dafür - die tiefe Erschütterung, ja z.T. der Zusammenbruch der bürgerlichen Staatsmacht einerseits und die auf grundsätzliche Veränderungen hoffenden, teils bewaffneten ArbeiterInnen und Bauern, die in manchen Sektoren sogar schon die Macht übernommen hatten - gab es in vielen Ländern. Es ist kein Zufall, dass dort, wo Stalins politischer und militärischer Einfluss geringer war, die Massen die Macht ergriffen und den Kapitalismus gestürzt haben: in Jugoslawien und China, auch wenn die dortigen Regime selbst von Anfang an bürokratisch degenerierte und keine "gesunden" Arbeiterstaaten waren.

Chance vertan

Die historische Aufgabe, die anstand, war nicht nur der Sturz des Faschismus und dessen Ersetzung durch die Demokratie, wie uns die Bürgerlichen einreden wollen. Die Alternative hieß: Kapitalismus oder Sozialismus, Demokratie oder Revolution!

Dass in Westeuropa keine Revolutionen stattfanden, lag wesentlich an den Führungen der stalintreuen KPen. Selbst als der Kapitalismus dann tatsächlich beseitigt wurde - nachdem Stalins ursprüngliche Strategie gescheitert war - erfolgte das als bürokratischer Umsturz von "oben" und nicht als bewusster Akt der Arbeiterklasse. Deshalb gab es keine Räte oder die Ansätze dazu wurden eliminiert.

Stalins Politik war ein pragmatischer Zickzack, keine bewusste Vorbereitung der Arbeiterklasse auf die Machtergreifung und den Aufbau des Sozialismus. Stalins Politik stand im Widerspruch zur realen Dynamik der Massen. All jene "Gebrechen" des Ostblocks, die schließlich 1989/90 zu dessen Zusammenbruch führten, wurzeln schon in dessen Entstehung.

Nicht vergessen werden soll, dass Stalin für Verbrechen verantwortlich ist, die denen Hitlers wenig nachstehen, was die Ausrottung von RevolutionärInnen und SozialistInnen angeht, sogar weit in den Schatten stellen!

Die Zwangsumsiedlung von Millionen während des Krieges und nach dem Krieg, bei der Hunderttausende umkamen, ist nichts anderes als ein Verbrechen! Die - nicht nur militärische, was legitim gewesen wäre - sondern politisch-strategische Allianz mit dem Imperialismus war ein politisches Verbrechen an der Revolution und am Sozialismus! Zugleich erleichterte, ja z.T. ermöglichte es den imperialistischen Siegern des Krieges, den zutiefst erschütterten Welt-Kapitalismus zu retten und zu stabilisieren. Nachdem die revolutionären Chancen vertan, nachdem die antikapitalistische Dynamik der Massen gebremst und fehlgeleitet waren, wurde die Weltordnung nach 1948 stabilisiert: im Westen von der neuen Supermacht USA, im Osten von der UdSSR.

Die Niederlage des Faschismus ist die eine, die konterrevolutionäre Stabilisierung das andere Ergebnis des 2. Weltkriegs. Im Ergebnis dessen dauerte es nicht nur bis Ende der 1960er Jahre, bis ein neuer Aufschwung des Klassenkampfes (v.a. in Europa) einsetzte; Dutzende imperialistische Kriege mit Millionen von Opfern, die neokoloniale Ausplünderung der Welt und das Damoklesschwert eines nuklearen Krieges sind Kennzeichen der "bi-polaren" reaktionären Weltordnung.

Revolutionäre Alternative

Trotzki formulierte zwei Jahre vor seiner Ermordung 1940 zwei mögliche globale Perspektiven: entweder der Faschismus zerschlägt den sowjetischen degenerierten Arbeiterstaat und restauriert dort den Kapitalismus oder aber Stalin wird durch eine politische Revolution gestürzt und die Weltrevolution wird weiter voran getrieben. Beide Voraussagen traten nicht ein. Stattdessen erweiterte Stalin seinen Einflussbereich und gewann sogar an Ansehen in der Arbeiterklasse. Diese Situation, die konterrevolutionäre Stabilisierung und die Erfolge der "Revolutionen" von Tito, Mao und in Kuba waren wesentliche Gründe, warum die IV. Internationale nicht wie nach dem 1.Weltkrieg die III. Internationale zum Attraktionspol der revolutionären Arbeiterbewegung wurde. Die Nachkriegsjahre stellten die IV. Internationale vor immense programmatische und praktische Herausforderungen, die sie nicht bewältigte.

Nach heftigen Fraktionskämpfen und Spaltungen waren die IV. Internationale bzw. deren Teile schließlich Anfang der 1950er Jahre zum Zentrismus degeneriert. Das war das vorläufige Ende des Versuchs, die historische Führungskrise des Proletariats, das Fehlen einer revolutionären Internationale durch den Aufbau der IV. Internationale zu beenden.

Die letzten Jahre haben weltweit zu einem Aufschwung des Klassenkampfes und der "antikapitalistischen" Bewegung geführt; sie haben immer neue und heftigere Angriffe des Klassengegners auf die Arbeiterbewegung gebracht; sie sind von einer vertieften ökonomischen Krise, von härterer internationaler Konkurrenz und Aggressivität - von Neoliberalismus, Globalisierung und Antiterrorkrieg geprägt. Ohne dass sich Geschichte einfach wiederholen würde: die Lage erinnert durchaus an die Situation vor 100 Jahren. Deshalb: Verhindern wir ein neues Jahrhundert imperialistischer Massaker! Bereiten wir die Revolutionen des 21. Jahrhunderts vor! Bauen wir eine neue, die 5. Internationale auf - nicht erst während oder nach neuen imperialistischen Gemetzeln, sondern schon vorher!

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Nr. 100, Mai 2005

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