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Der “gesellschaftliche Streik”

Post-autonomer Opportunismus

Peter Lenz, Neue Internationale 153, Oktober 2010

Am 18. Oktober sollte es zu einer Blockade systemrelevanter Banken in Franfurt/Main kommen. Aufgerufen hat das „Büchner-Bündnis“. Dieser Termin wurde Ende September abgesagt, weil die Mehrheit der Organisatoren fürchtete, dass zu wenige BlockiererInnen kommen würden und so die ganze Sache zu einem Flop, statt zum Fanal würde.

Im folgenden wollen wir uns weniger mit diese Einschätzung, die wir ausdrücklich nicht teilen, beschäftigen, sondern mit der unserer Meinung nach höchst problematischen politisch-strategischen Ausrichtung, die hinter dem Konzept des Büchner-Bündnisses steht.

Die Kräfte hinter dem Bündnis

Nun sind Angriffe auf Banken nichts Neues, neu ist nur das Spektrum, das sich hinter diesen Aufruf stellt. Federführend scheint dabei die „Interventionistische Linke“ (IL) zu sein. In der IL finden sich etwa 20 Organisationen wieder, von der organisierten Autonomie in Nürnberg, Berliner Anti-FaschistInnen, Dissent- Marburg, Avanti  bis hin zur ISL und Einzelpersonen wie Werner Rätz von Attac.

Auf einer Aktionskonferenz für die Bankenblockade aufgerufen worden war, sahen sich die ca. 200 BesucherInnen mit einer straffen Konferenzdramaturgie konfrontiert: inhaltliche Diskussionen waren nicht gefragt, zu allerletzt Diskussionen über Forderungen, das behindere nur das gemeinsame Handeln.

Die InitiatorInnen kritisierten heftig die Antikrisen-Demos der letzten beiden Jahre. 2010 kam es zu einem Aufschwung der nicht-reformistischen Kräfte, die es immerhin ansatzweise schafften, den DGB und seine Gewerkschaften dazu zwingen, so zu tun, als ob sie aktiv werden. Gerade diese Demos werden aber angegriffen, sie würden nur “durch leere Strassen laufen“.

Insgesamt gibt es zweifelsohne ein Manko an effektiven Widerstandsformen und daneben „Aktionen“ der Reformisten, die rein symbolisch sind und bestenfalls zum Dampfablassen taugen.

Die Strategie der IL

Die „Gegenstrategie“ der IL besteht nun freilich darin, den einen Symbolismus durch einen anderen, scheinbar radikaleren zu ersetzen.

Nicht die Kritik am Reformismus, nicht die Diskussion darüber, wie die Wirkungslosigkeit zu überwinden sei, steht im Mittelpunkt. Nicht die Frage, warum Betriebsbesetzungen und vereinzelter betrieblicher Widerstand nicht wirkungsvoller unterstützt und die Agierenden besser vernetzt werden könnten, oder die Frage, warum es nicht zu druckvollen, auch politische Streiks kam, steht im Vordergrund. Überhaupt nicht behandelt wird die Frage, wie die Dominanz der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer gebrochen und eine organisierte, handlungsfähige Opposition gegen die Bürokratie aufgebaut werden kann.

Es wird schlicht und einfach ein Wechsel in den Aktionsformen angestrebt, der die Wende bringen soll.

Ohne ökonomischen und politischen Streik, Betriebsbesetzungen u.a. radikale Aktionsformen der Arbeiterklasse, die sich in Richtung Rätedemokratie, eigene Machtergreifung und Entmachtung der Bourgeoisie entwickeln, wird jede anti-kapitalistische Strategie eine Scheinstrategie sein. Bei der „Büchner-AG“ heißt es dagegen:

„Der politische Kern des Anliegens besteht also in der Intervention in den Alltag der kapitalistischen Praxis. Wir tun das dort, wo wir es als die Menschen, die wir sind, können. Und wir tun es so, dass wir für die Gegenseite den Schaden anrichten, zu dem wir in der Lage sind. Wir sind keine Beschäftigten im Betrieb, die streiken können, sondern BankkundInnen oder Solidaritätsbewegte. Aber auch in diesen Rollen sind wir nicht handlungsunfähig. „Im Kern geht es um einen Streik, einen gesellschaftlichen Streik, der den ,Betriebsfrieden` aufkündigt, in dem wir uns als ihren Mehrwert, als Quelle ihres Reichtums verweigern. In einer Wirtschaftsordnung, die uns nur als ,Kostenfaktoren` führt, wollen wir den Preis erhöhen." (Werner Rätz in:„ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 552 / 20.8.2010, Widerstand als Breitensport“)

Die für den Kampf zentrale Frage, wie wir politische Massenstreiks gegen das Sparpaket, gegen die Kosten der Krise erzwingen können, löst Rätz stelltvertretend für das IL-Spektrum durch einen Trick. Die Blockade einer Bank durch „KundInnen und Solidaritätsbewegte“ definiert er einfach zu einem „gesellschaftlichen Streik“ um.

Damit wird nicht nur der eigentlichen Aufgabe ausgewichen. Zugleich wird auch eine an sich sinnvolle symbolische Blockade der Banken zu einer „neuen Aktionsform“ hochstilisiert, die politische Wunder vollbringen soll, die sie nie und nimmer vollbringen kann.

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Nr. 153, Okt. 2010
*  Konjunktur und Krise: Massenstreiks statt Massenverarmung!
*  Unsere Forderungen im Kampf gegen die Krise
*  Europäischer Aktionstag: Wo bleiben die DGB-Gewerkschaften?
*  Esslingen: Schluss mit Agenda 2010
*  "Der gesellschaftliche Streik": Postautonomer Opportunismus
*  100.000 demonstrieren gegen Regierung und Atomlobby: Schwarz/Gelb abschalten!
*  § 219 und Zwangsabtreibung: Mein Bauch gehört mir!
*  Abschiebung der Roma in Frankreich: Alltäglicher Rassismus in der EU
*  Alice Schwarzer: Alles verschleiert
*  Indien: Generalstreik gegen die Krise
*  Buchbesprechung: Ich erhebe meine Stimme
*  20 Jahre deutsche Einheit: Kein Grund zum Feiern
*  Heile Welt
*  Gewerkschaften und S 21: Der große Eiertanz
*  Kampf gegen Stuttgart 21: Baustopp statt Gemauschel