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Besetzung des Berliner Gewerkschaftshauses

DGB Berlin lässt Refugees räumen

Tobi Hansen, Infomail 775, 2. Oktober 2014

Seit einer Woche besetzen Flüchtlinge die DGB-Zentrale Berlin-Brandenburg am Berliner Wittenbergplatz. Nach der Besetzung der DGB-Zentrale in München ist das die zweite Besetzung eines DGB-Hauses durch die Refugee-Bewegung. Diese Bewegung versucht seit 3 Jahren, auf die miserablen Lebensumstände von Flüchtlingen aufmerksam zu machen. In Berlin stand lange Zeit ein Zeltlager auf dem Oranienplatz, diese Refugees wurden in skandalöser Weise vom Senat „wegverhandelt“ und betrogen - zur Rolle von Senatorin Kolat (SPD) dabei hatten wir uns in früheren Artikeln schon geäußert.

Einige der Refugees, die jetzt im DGB-Haus sind, hatten auch in München das Gewerkschaftsgebäude besetzt, was dort zu scharfen Auseinandersetzungen innerhalb der DGB-Einzelgewerkschaften geführt hatte. Während die Refugees aus ver.di und der Münchener Gewerkschaftslinken Unterstützung bekamen, verweigerte die IG Metall diese.

Auch in Hamburg sammelten die Refugees schon Erfahrungen mit den deutschen Gewerkschaften. Dort wurden den „Lampedusa“-Flüchtlingen von ver.di schon Mitgliedsbescheinigungen ausgestellt, bis die zuständige Ebene vom Bundesvorstand zurück gepfiffen wurde. Mitgliedschaft für Flüchtlinge gibt es bei ver.di nicht, wurde danach erklärt.

Die Gruppe in Berlin hat schon einige Erfahrungen mit dem deutschen Polizeistaat sammeln dürfen. Einige waren Ende vergangenen Jahres beim Hungerstreik vorm Brandenburger Tor dabei. Dort wurde ihnen von der Polizei alles verboten, was zum Abhalten diesen Protestes sinnvoll war: Zelte, Schlafsäcke usw. Andere waren dabei, als die Refugees das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg besetzen wollten. Dort wurden sie aggressiv von den Bullen geräumt.

All diese AktivistInnen haben in diesen letzten drei Jahren viel erleben müssen - von Solidarität über Gleichgültigkeit bis zur Bullengewalt und dem Betrug durch die Politik. So setzen einige von ihnen ihre letzte Hoffnung in die Gewerkschaften, denn sie sehen sich als Teil der internationalen Arbeiterklasse, v.a. als ein Teil von ihr, der zur Migration gezwungen ist. Sie hoffen daher, bei den deutschen Gewerkschaften Unterstützung zu finden.

Die Forderungen der Refugees und der DGB

Vor allem wollen die Flüchtlinge als Verhandlungspartner anerkannt werden. Die Forderungen, die sie den Gewerkschaften unterbreitet haben, gehen allesamt in diese Richtung. Sie wollen mit jemand Zuständigen aus dem Innenministerium sprechen, sie wollen mit DGB-Bundesvorstand Buntenbach (u.a. verantwortlich für Flüchtlinge) sprechen, ebenso mit den Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften. Als weitere konkrete Forderung wurden die Mitgliedschaftsrechte einer Einzelgewerkschaft gefordert.

Über diese Dinge wurde eine Woche recht erfolglos verhandelt. Beim konkretesten Punkt - dem der Gewerkschaftsmitgliedschaft - zog der DGB die formale Trumpfkarte. Die Frage wurde an den Bundesvorstand weitergegeben und die Einzelgewerkschaften in Kenntnis gesetzt. Selbst ein Statement, dass der DGB das unterstützen würde, gibt es nicht. Stattdessen gilt der formale Klassiker wie „Beim DGB kannst du nicht Mitglied werden“. Was die potentiellen Verhandlungspartner angeht, so rühmt sich der DGB, den Kontakt zu einer Abgeordneten des Bundestags hergestellt zu haben. Diese kam dann bei der ersten Pressekonferenz vorbei und bekundete ihre persönliche Solidarität - mehr nicht.

Weiterhin unterstützt der DGB politisch die Anliegen der Refugees wie Abschaffung der Residenzpflicht und des Arbeitsverbots. Nur mussten die Refugees dabei lernen, wie das deutsche Gewerkschaften dann normalerweise tun - nämlich nur auf dem Papier.

Frist, Duldung und politische Perspektive

So bekamen die Flüchtlinge vom Berliner DGB eine Frist bis zum 2. Oktober, 10.00 Uhr, gesetzt. Danach wären sie keine Gäste mehr im Haus. Die Refugees veranstalteten am 1. Oktober eine Pressekonferenz im DGB-Haus, zu der zum einen sehr wenig offizielle Presse kam und zum anderen die anwesenden DGB-MitarbeiterInnen des Raumes verwiesen wurden.

Sicherlich hätten die Refugees den MitarbeiterInnen ihre Solidarität abgenommen, wenn diese denn formuliert worden wäre. Stattdessen gab es Aussagen wie: „Das ist unser Haus und wir dürfen da sein“ oder „Wir haben die Pressekonferenz organisiert, dadurch haben wir auch das Recht“.

Wie das organisiert wird, konnten die anwesenden UnterstützerInnen und solidarischen Gewerkschaftsmitglieder dann auch bestaunen - eine private Security Firma versuchte zunächst, die UnterstützerInnen von der Pressekonferenz fernzuhalten. Zunächst sollten überhaupt nur Leute mit Presseausweis zugelassen werden, auf Wunsch der Refugees wurde dies dann beendet.

Die Flüchtlinge berichteten dann von ihren Verhandlungen mit dem DGB, wie sie andauernd vertröstet wurden, wie sie den Eindruck gewannen, dass ein falsches Spiel mit ihnen gespielt wird  und dass sie nicht gekommen sind, um eine Unterkunft zu bekommen. Sie wollen vielmehr, dass sich der DGB politisch engagiert und sich für die Refugees einsetzt. Eine Frau sagte klar: „Wir wollen keine Hilfe, wir wollen unsere Rechte!“

Nun werden die Refugees geräumt. Ihnen wird wieder irgendeine kurzfristige Unterbringung/Verwahrung aufgezwungen - erneut haben weder Gewerkschaften noch die deutsche Linke große Aktivitäten entfaltet.

Mit ihren Protesten konnten die Refugees in den letzten Jahren eine relativ große Öffentlichkeit erreichen, die Residenzpflicht wurde in vielen Bundesländern abgeschafft und seit den rassistischen Zuständen im Lager Burbach wissen größere Teile der Republik, wie das in so einem Flüchtlingslager aussieht.

Beschämend ist weiterhin die Schwäche der organisierten Linken zu diesem Thema. Sicherlich helfen viele Supporter-Strukturen aufopferungsvoll, und es gab auch einige Demos mit mehreren Tausend in Berlin in Solidarität mit dem Oranienplatz, aber politisch ist dies ein organisatorisches, taktisches und strategisches Versagen. Wenn die Flüchtlinge von ihren UnterstützerInnen  Vorschläge bekommen, dass ein DGB-Vorstand sich für ihre Rechte einsetzt, muss das kritisch bewertet werden.

Wenn wir in den Gewerkschaften Druck für die Refugees machen wollen, dann brauchen wir Mobilisierung an der Basis, müssen die vorhandenen linken und aktiven Strukturen in den Gewerkschaften für die Rechte der Refugees gewinnen - schon vor einer Besetzung.

So können wir auch die Mitglieder für die Refugees gewinnen und Druck auf den Vorstand aufbauen. Wenn das nicht passiert, handelt eine Gewerkschaftsführung so wie in vielen anderen Fällen auch: gegen die Interessen der Klasse, für Ausgleich mit Kapital und Staat.

Der DGB-Berlin hat die Räumung durch die Polizei angeordnet und sich damit auch ganz konkret gegen jegliche Unterstützung der Refugees gestellt. Wenn wir als Gewerkschaftsmitglieder in Berlin - Brandenburg uns darüber aufregen, dann muss dies in eine aktive linke, antirassistische Arbeit in den Gewerkschaften münden! Da hilft kein Rückzug, da hilft nur eine politische Offensive!

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Nr. 193, Oktober 2014
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