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Stuttgart 21

Nach dem Stresstest

 David Müller (REVOLUTION) und Hannes Hohn (Gruppe Arbeitermacht), Infomail 571, 2. August 2011

Nun liegen die Ergebnisse des Stresstests für das Projekt Stuttgart 21 vor. Wie schon die Schlichtungsrunden der vergangenen Monate wurde die Präsentation des Tests live übertragen.

Offiziell bestand der Sinn dieses Tests darin, festzustellen, ob das Projekt S 21 Sinn macht oder nicht. Tatsächlich war anhand der Recherchen der S21-GegnerInnen, darunter das Bündnis K21, anhand der Fakten nicht nur klar, dass S21 keine Verbesserungen, sondern eher Verschlechterungen bringt und v.a. dafür da ist, um der Bahn, den Baukonzernen, Immobilienmaklern und der dahinter stehenden Lobby Milliarden in schwarze und sonstige Kassen zu spülen.

Der wirkliche Grund für den Stresstest war, die Anti-S21-Bewegung in die Warteschleife zu schicken und zu demobilisieren. Dieses Kalkül von Bahn, Staat - und auch den Grünen in der Bewegung selbst - ist aufgegangen. Obwohl sich ein Teil der Bewegung in letzter Zeit radikalisiert hat, ist die Gesamtbewegung deutlich zurückgegangen.

So ist es nun keine Überraschung, dass der Stresstest des Unternehmens SMA, einem „alten“ Partner der Bahn AG, zu Gunsten von S21 ausfiel. Schon die Art und Weise, wie der Test durchgeführt wurde, machte offensichtlich, dass es sich dabei weder um eine unabhängige Studie, noch um eine fachlich seriöse Arbeit handelt. Daruf wies u.a. der grüne OB von Tübingen, Palmer, sachlich überzeugend hin. Umso fraglicher ist es dann, dass sich die Grünen auf das ganze Schlichtungs- und Stresstest-Prozedere eingelassen haben?!

Obwohl die Kritik am Ergebnis des Stresstests erneut klar erwiesen hat, dass S 21 ein Projekt ist, das unnütz, teuer und risikovoll ist, geht das scheinheilige Test-Prozedere weiter. Die Bahn AG lehnt zwar einen u.a. von den Grünen geforderten neuen Stresstest mit Beteiligung der S21-Gegner ab, ist aber bereit, einige Details erneut zu prüfen.

Den Vogel schoss dann zur Überraschung aller Beteiligten der „Schlichter“ Geissler ab. Er schlug allen Ernstes ein Kompromissprojekt vor, das einen Bahnhof vorsieht, der halb über, halb unter der Erde liegt. Bisher dachte man, solche Vorschläge kämen nur von Harald Schmidt o.a. Humoristen ...

Klar ist bei diesem schlichte(r)n Vorschlag jedenfalls: 1. er dient dazu, durch weitere „Debatten“ die Bewegung weiter zu paralysieren; 2. er zeigt - sollte dieser Vorschlag überhaupt Sinn machen - dass es den Planern von S21 nie darum ging, sinnvolle Alternativen und mögliche Projekte in Betracht zu ziehen, sondern einzig allein um Profit und Prestige - auf Kosten der Bevölkerung ; 3. er zeigt, dass die Entscheidung über S21 nicht der Stuttgarter Bevölkerung oder gar der aktiven Bewegung überlassen werden soll, sondern einem Klüngel von Befürwortern, Experten, Schlichtern usw. usf.

Die Vertreter der Kritiker an S 21bei den Schlichtungs-Runden haben nun angesichts der Farce dieser ganzen Veranstaltung ihre Beteiligung für beendet erklärt. Das verweist allerdings darauf, dass die Strategie der Grünen u.a. „gemäßigter“ Gegner von S 21, sich überhaupt auf die Schlichtung einzulassen, komplett falsch war. Ihr Rückzug ist auch das offensichtliche Eingeständnis des Scheiterns der eigenen Politik!

Warum sind nur noch so wenige auf den Straßen?

Bereits seit mehreren Monaten (genauer seit der Landtagswahl Ende März) kann man sagen, dass die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 nur noch dahin dümpelt. Die großen Mobilisierungen,die Zehntausende gegen das Spekulations- und Immobilienprojekt des DB-Konzerns auf die Straßen brachten, blieben seither aus.

Das liegt zum einen daran,dass die “großen” Provokationen ausgeblieben sind, wie es sie zum Beispiel am 30.09. letzten Jahres gab, als die Schwarz-Gelbe Regierung unter Mappus mit massiver Gewalt gegen die DemonstrantInnen vorging. Lediglich durch die “Erstürmung” des Grundwassermanagements, die Ende Juni stattfand, konnten mehrere tausend Leute zu einer Massenaktion gebracht werden.Nach dem Abriss des Nordflügels am Hauptbahnhof im letzten Sommer gingen bei der kurz danach stattfindenden Demonstration ca. 70.000 auf die Straße.

Der andere, weitaus schwerwiegendere Grund, aber ist, dass seitens des K21-Bündnisses jegliche Mobilisierung zu Demonstrationen oder Aktionen weitgehend ausbleibt. Das Bündnis, dass sich sehr stark auf das Kleinbürgertum fixiert und in dem politische Kräfte wie die Grünen dominieren, ist nicht an einer weitergehenden Selbstorganisation, geschweige denn einer Ausweitung des Protestes interessiert! Selbst zu radikaleren Aktionen aufzurufen, wie Besetzungen oder Streiks, und, was noch viel wichtiger ist, sich mit denen zu solidarisieren, die einer massiven Repression und Hetzkampagne seitens der bürgerlichen Medien ausgesetzt sind, davon will man im K21-Bündnis nichts wissen. Dafür ist das Bündnis sofort an vorderster Front mit dabei, wenn es um die Distanzierung von “gewalttätigen” DemonstrantInnen geht. Das führt dazu, dass viele verunsichert sind und nicht mehr genau wissen, wie sie weiter machen sollen.

Die Rolle der Grünen

Die Grünen, vor der Landtagswahl noch stärkste Kraft im K21-Bündnis, konzentrieren sich nun v.a. darauf, einen möglichst guten Eindruck beim Kapital als führende Partei in der Landesregierung zu hinterlassen. Die Grünen sind zwar nach wie vor offiziell gegen S21, allerdings tendiert ihr Koalitionspartner, die SPD, eher für S 21. In einem sind sie sich aber garantiert einig: Sie distanzieren sich geschlossen von Aktionen, wenn diese den „Aktionskonsens“ der Bewegung überschreiten, der von bürgerlichen FührerInnen undemokratisch festgelegt wurde!

Dazu kommt dann noch die Tatsache, dass es keine demokratisch gewählte Führung in der Protestbewegung gibt. Hier haben sich die Grünen an die Spitze gestellt und verteidigen ihren Führungsanspruch. Es ist dieser Führungsanspruch einer offen bürgerlichen Partei, die lieber schlichtet, als den Konflikt zugunsten der Protestierenden zuzuspitzen, die lieber laviert als mobilisiert und die Protestbewegung ruiniert.

Die Volksabstimmung

Nun setzen die selbsternannten Führer auf ein „neues Pferd“: die Volksabstimmung! Doch auch hier ist Vorsicht geraten. Denn: Wer bestimmt über Formulierungen und Ablauf dieser Abstimmungen? Es ist der bürgerliche Staat und über ihn die DB, die Aktionäre und Immobilienspekulanten, die an S21 verdienen wollen.

Schon allein die Tatsache, dass nicht die Stuttgarter Bevölkerung, die am besten über S 21informiert ist, sich am meisten engagiert hat und am stärksten davon betroffen ist, nicht abstimmt, sondern das ganze Land, ist ein fragwürdiges Verfahren, das tendenziell die S 21- Befürworter bevorteilt.

Aber auch die Presse hat ihr wahres Gesicht in den letzten Monaten zeigen können. Es ist naiv anzunehmen, man könne einfach durch „die besseren Argumente“ gegen die bürgerlichen Medien und eine vom Kapital breit angelegte Kampagne gewinnen.

Und selbst wenn eine Volksabstimmung Erfolg haben sollte, ist das keine hundertprozentige Garantie für den Stopp von S21. DB und Konsorten haben vor keiner noch so großen Trickserei und Notfalls auch vor dem Knüppel nicht zurückgeschreckt. Auch das musste die Bewegung schmerzlich zu spüren bekommen.

Wie kann S21 doch noch gestoppt werden?

Mittlerweile hat sich eine seltsame Mischung aus Vertrauen in die Grünen als Regierungspartei und Demoralisierung, bei den von den Grünen desillusionierten, in der Bewegung breit gemacht. Die momentane Bewegung wird den Bau von S21 oder S21 Plus nicht aufhalten können.

Doch in ihr schlummert durchaus das Potential, S21 zu stürzen. 2010 haben wir riesige Mobilisierungen und Zehntausende auf den Straßen gesehen, die Schwarz-Gelb mächtig Druck machten. Doch genau hier liegt das Problem! Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen FührerInnen der Bewegung, wollten uns weiß machen, dass „Druck“ allein genügen würde, um das „Gewissen“ der „Herrn da oben“ zu erweichen. Das war offensichtlich ein Trugschluss.

Was die Bewegung braucht, ist natürlich eine erneute Ausdehnung der Mobilisierung. Massenproteste und groß angelegte Aktionen. Diese dürfen aber nicht am „Aktionskonsens“ halt machen. Die Bewegung darf sich nicht an dem Gejammer der Grünen aufhalten, die besorgt sind, weil das Grundwassermanagement demoliert wurde oder weil ein Bahnhofsteil besetzt wird.

Besetzungen und Streiks sind nötige Mittel, um aus dem Protest einen wahren Widerstand gegen S21 zu machen. Um solche Aktionen zu bewerkstelligen ist es aber unerlässlich, dass die Bewegung sich endlich demokratische und transparente Strukturen gibt, die in erster Linie Aktionen gegen S21 planen, darüber hinaus aber auch die politischen Perspektiven des Widerstandes offen diskutieren. Solche Strukturen müsste die Führung der Bewegung aus ihren Reihen demokratisch wählen und nicht von oben vorgesetzt bekommen!

Die einzige reale Kraft, die in der Lage wäre, z.B. mit Streiks genug Druck zu entwickeln, um S 21 zu stoppen, ist die Arbeiterklasse. Sie kann dem Protest gegen S21 neuen Aufschwung zu geben. Doch diese wird momentan von der Gewerkschaftsbürokratie, der SPD und den FührerInnen der Bewegung nicht in den Protest miteinbezogen, sondern vielmehr draußen gehalten.

Aber um das zu bewerkstelligen, ist eine gemeinsame Koordinierung unabdingbar. Es ist wichtig, dass der Kampf gegen S21 mit anderen Kämpfen verbunden wird, wie beispielsweise Bildungsprotesten oder Tarifkämpfen. Es ist genauso wichtig auch Sozialproteste und die Anti-Atom-Bewegung miteinzubeziehen, denn S21 u.a. Schweinereien haben eine gemeinsame Ursache: den Kapitalismus!

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Die Schlichtungs-Seifenblase ist geplatzt

Wie weiter im Widerstand?

Eine marxistische Analyse des Ursprungs, Charakters und der Perspektiven der Bewegung gegen Stuttgart 21

Januar 2011

*  Vorwort
*  Das Projekt
*  Die Bewegung und ihre Führung
*  Entwicklung der Bewegung und die Frage des Staates
*  K 21-Bündnis und Aktionskonferenzen
*  Wie weiter?
*  Nachsatz: Die Landtagswahlen im März