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Wie weiter im Widerstand gegen S 21?

Das Projekt

Arbeitermacht-Broschüre, Januar 2011

Die Fakten zu S 21

Das Milliarden-Projekt S 21 hat eine klare Konsequenz für die NutzerInnen der Bahn, vor allem für lohnabhängige PendlerInnen, SchülerInnen und Studierende sowie RentnerInnen. Der Nahverkehr soll ausgedünnt werden, während in der Innenstadt Stuttgarts ein neues Stadtviertel entstehen soll. Hier eine Aufzählung einiger wichtiger Fakten:

Fahrplan: S 21 ist eindeutig ein Rückschritt für Regional- und Nahverkehr. Der Fahrplan wird ausgedünnt, es sollen weniger Züge fahren. Beispiele: aus Richtung Horb wird jeder zweite, nach Nürtingen wird jeder dritte Zug gestrichen.

Streckenstilllegung: die gut ausgebaute, zweigleisige „Gäu-Bahn“ quer durch Stuttgarts Westen soll verschwinden.

Die Halbierung der Zahl der Gleise im Tunnelbahnhof (jetzt 17, künftig nur noch 8) bedeutet, dass v.a. in Stoßzeiten die Züge nicht aufeinander warten können.

Die ursprünglich versprochene Zeitersparnis von 15 Minuten für ICEs wird durch längere Wartezeiten auf Anschlusszüge aufgefressen.

Die deutlich reduzierte Bahnsteigfläche im Tunnelbahnhof bedeutet chaotische Zustände v.a. in Stoßzeiten, wenn viele Reisende ein- und aussteigen wollen.

Für den geplanten, neuen ICE-Bahnhof am Flughafen, 200 Meter vom bestehenden S-Bahnhof entfernt, gibt es so gut wie keinen Bedarf.

Mehrere geplante eingleisige Teilstrecken bedeuten: Stuttgart wird für das gesamte deutsche Bahnnetz zum Nadelöhr. Kleinste Verspätungen sprengen den gesamten Fahrplan. Aufgrund der geringen Kapazität des gesamten Projekts wird z.B. ein ICE dazu gezwungen, hinter der S-Bahn herzufahren.

Regionale Bahnhöfe wie z.B. Bad Cannstatt oder Esslingen verlieren an Bedeutung und Umsteigemöglichkeiten und werden zu S-Bahn-Haltepunkten.

Die heutige S-Bahn, die für die arbeitende Bevölkerung enorm wichtig ist und sehr stark benutzt wird und im Zentrum von Stuttgart längst an die Grenzen ihrer Kapazität stößt, hat bei S 21 keine Entwicklungs- oder Verbesserungsmöglichkeiten mehr. Teilweise sollen Fernverkehr und S-Bahn die Gleise gleichzeitig nutzen. Vermutlich bedeutet selbst ein fertiggestelltes S 21 große bleibende Verschlechterungen, in jedem Fall während der langen Bauzeit.

S 21 bedeutet höhere Streckennutzungsgebühren für Zugbetreiber. Daraus folgt, dass aus Kostengründen noch mehr Züge gestrichen werden, wodurch die Streckennutzung und das Zug-Fahren immer noch teurer werden. S 21 löst also eine Abwärtsspirale aus.

Die Kapazität des Tief-Bahnhofs ist nur um 2 Gleise erweiterbar, dazu müsste er der Länge nach aufgerissen werden. Eine massive Steigerung des Zugverkehrs, wie es die ökologischen Schäden durch den Autoverkehr nötig machen werden, ist mit S 21 nicht zu machen.

S 21 bedeutet Park- und Umweltzerstörung.

Offiziell 10, wahrscheinlich 20 Jahre oder mehr, wird eine gigantische Baustelle eingerichtet mit gewaltigen Beeinträchtigungen für Nahverkehr, KfZ, Fußgänger, Anwohner und Umwelt mit der Möglichkeit einer dauerhaften, unvollendeten Bauruine.

Vielfältige Gefahren und Risiken bestehen beim Bau und späteren Betrieb, z.B. durch den unberechenbaren Untergrund (Gips-Keuper). Wahrscheinlich werden immer wieder wochenlange Sperrungen des Tunnels und damit komplette Unterbrechungen des Fernverkehrs notwendig werden (wie schon jetzt beispielsweise der Stuttgarter Wagenburg-Tunnel, der in unmittelbarer Nachbarschaft des geplanten S 21-Tunnels verläuft).

Die Schnellbahntrasse

Die verkehrspolitische Schnapsidee des Tiefbahnhofs kam auf in Zusammenhang mit den Überlegungen, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Ulm/München zu bauen. Anders als andere Teile der Bewegung lehnen wir Schnellbahnstrecken genauso wenig ab wie den Neubau von Bahnstrecken.

Im Gegenteil. Ein bundes- und europaweit integriertes Verkehrssystem wird um Hochgeschwindigkeitsstrecken und deren Ausbau nicht umhin kommen, wenn es Anreiz zum Ausstieg aus dem privaten Personenverkehr mit dem Auto und Ersatz für extrem energieintensiven Flug auf Kurzstrecken bieten und gleichzeitig das berechtigte Bedürfnis nach möglichst kostengünstigen, bequemen und raschen Reisemöglichkeiten v.a. für die Masse der Bevölkerung - also v.a. die ArbeiterInnen - sicherstellen soll.

Die geplante Strecke ist allerdings äußerst fragwürdig, ja unsinnig: mit weit weniger Aufwand kann die alte Strecke wieder beschleunigt werden. Heute braucht der Zug nach München 24 Minuten, d.h. 20 Prozent länger als vor 20 Jahren! Weitere Verbesserungen, z.B. auch Schallschutz sind im Neckar- und im Filstal möglich. Andere überregionale Verbindungen sind weit effizienter und nötiger.

Neues Wohnviertel

Viel wurde auch über das neu entstehende Wohnviertel in der Mitte Stuttgarts geschrieben und diskutiert. Die „Pro“-Seite freut sich über eine Erschließung der Innenstadt, eine neue City und vor allem über einen vermuteten Auftragswert von über 10 Milliarden Euro für das neue Stadtviertel.

Die StuttgarterInnen wissen schon heute, was ihre Stadt kostet. Nicht schwer vorzustellen ist es daher was eine neue „City“ für Auswirkungen hätte. Ein neues Prestigeviertel der „Schwabenmetropole“ würde die Mieten weiter steigen lassen und noch mehr „Normalverdiener“ zwingen, ins Umland zu ziehen.

Durch S 21 würde das größte Bauprojekt Europas entstehen, was Tunnel und Schienen und Wohnimmobilien angeht. Dies ist einer der wichtigsten Gründe der Befürworter.

Dieses Prestigeobjekt ist natürlich ein Segen für Bauindustrie und Handwerk, diese Basis der schwarz-gelben Regierung hofft auf die Millionen & Milliarden Aufträge, vermittelt durch Mappus und OB Schuster.

Dort helfen dann auch keine Forderungen nach einigen Sozialwohnungen im neuen Viertel etwas. Diese Forderungen müssen auch an den vorhandenen Wohnraum gestellt werden. Vor allem muss die Frage entschieden werden - wer bestimmt über neue Stadtviertel? Baumagnaten und Landesregierung oder die Bevölkerung selbst!

Warum halten Bahn, Land, Stadt so hartnäckig daran fest?

Die GegnerInnen von Stuttgart 21 haben seit Jahren darauf hingewiesen, dass das  Projekt  Stuttgart 21, also die Errichtung eines Tiefbahnhofs in der Stuttgarter Innenstadt keineswegs notwendig ist, um eine Verbesserung des Bahnverkehrs zu erreichen.

Sie haben in ihren Broschüren und Beiträgen viele Belege für die Verschwendung gebracht, die mit dem Projekt einhergeht.

Sie haben auch gezeigt, dass die Bahn zwar Milliarden für S 21 und zahlreiche ähnliche Bahnhofsvorhaben verausgabt, zugleich aber beim öffentlichen Nahverkehr immer mehr einspart, Strecken und Teilstrecken schließt und so das Leben für immer größere Teile der NutzerInnen - vor allem für Lohnabhängige, aber auch für viele Jugendliche und SeniorInnen, immer schwerer macht.

Die GegnerInnen haben auch dargelegt, dass ein etwaiger Tiefbahnhof - wenn überhaupt - nur geringe Vorteile bei der Beschleunigung der Fernverkehrsstrecke Paris-Budapest über Stuttgart bringen würde.

Daher werfen die GegnerInnen den BefürworterInnen von Stuttgart 21 oft vor, dass das ganze Projekt nicht nur „wahnsinnig“ und „undemokratisch“, sondern auch „wirtschaftlich unsinnig“ sei.

So scheint auf den ersten Blick bloß eine Frage der Vernunft, der „besseren Argumente“ zu sein, ob Stuttgart 21 gebaut werden soll oder nicht.

Wer profitiert?

Doch die Hartnäckigkeit, mit der sich Schuster, Mappus und andere BefürworterInnen von S 21 bis zur Kanzlerin und der EU-Kommission für das Projekt ins Zeug legen, beweist nicht nur, dass diese beratungsresistent sind, sondern auch, dass es mächtige gesellschaftliche Interessen gibt, die von diesem Bau profitieren.

So betreibt die Bahn AG dieses Projekt aus gutem Grund. Die Umwandlung der Bahn AG in eine eigene Gesellschaft und ihre anstehende Privatisierung bedeuten, dass ihr „Service“, der Personen- wie der Güterverkehr, der Ausbau wie die Stilllegung bestimmter Strecken, allesamt dazu dienen, die zukünftige Profitabilität der Bahn zu erhöhen.

Stuttgart 21 ist hierbei ein Schritt, die Bahn zu einem internationalen Logistik-Multi auszubauen. Er zielt wie die gesamte Umstrukturierung darauf, ein bestimmtes, kaufkräftigeres Kundensegment im Fernverkehr anzusprechen und zugleich die Bahnimmobilien zu einem lukrativen „Nebengeschäft“ des Konzerns zu machen, wo jeder größere Bahnhof langsam zum Einkaufs- und damit zum Miet- und Immobilienspekulationsobjekt wird.

Diese Politik zielt auf die Erhöhung der Profite ebenso wie die Streichungen beim Personal oder die Erhöhung der Fahrpreise - insbesondere beim Personennahverkehr.

Aber natürlich profitiert nicht nur die Bahn. Ebenso ist Stuttgart 21 ein sicheres Geschäft für die siechende Bauwirtschaft, die über Jahre gesicherte Milliardenaufträge hat, und die Immobilienspekulation.

Profitinteresse

Hier haben wir also schon den ersten Grund, warum ein gesellschaftlich unsinniges Projekt „durchgezogen“ wird: im Kapitalismus werden Produkte oder Dienstleistungen (wie der Transport durch die Bahn) nicht in erste Linie hergestellt, um ein bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen, sondern um einen möglichst großen Profit für den Eigentümer eines bestimmen Unternehmens zu schaffen. Gesellschaftlich führt dieses Prinzip unwillkürlich immer wieder dazu, dass unternehmerisch „richtige“, also am erwarteten Gewinn orientierte Entscheidungen mit den Bedürfnissen der Gesellschaft, der großen Mehrheit der Bevölkerung kollidieren, ja kollidieren müssen.

Das ist bekanntlich keine Besonderheit der Bahn. Das Festhalten am Atomstrom dient ja auch nicht der Bevölkerung oder der „Energiesicherheit“, sondern den Milliardenprofiten der Atomkonzerne.

Monopolprofit und Finanzkapital

Dieses Beispiel und Tausende mehr zeigen aber auch, dass diese Entwicklung schon lange anhält und dass sie sich in den letzten Jahren, also seit der Krise, verschärft hat. Warum? Um das zu verstehen, müssen wir uns kurz die eigentlichen Krisenursachen vor Augen halten.

Die weltweite Krise 2007 - 2009 und die globale Rezession begannen zwar als Finanzkrise, im Kern waren und sind sie aber eine Krise des kapitalistischen Systems selbst.

Sie beruhen auf einer „Überakkumulation“ von Kapital. Grob gesagt heißt das, dass immer größere Investitionen notwendig sind, um dieselbe Profitmasse, also Gewinnsumme für ein vorgeschossenes Kapital, zu realisieren. Auch wenn manche großen Konzerne in dieser Situation Rekordgewinne einfahren, so sinkt die Profitrate, wenn wir die Gesamtwirtschaft betrachten.

Daher wird die Konkurrenz unter den Unternehmern immer härter. Daher „flieht“ so mancher Anleger in die Spekulation - was aber auch nichts anderes heißt, als dass er auf den zukünftigen Profit von jemand anderem setzt und dabei hofft, „seinen Schnitt zu machen“. Insgesamt ist das längerfristig krisenverschärfend, wie wir bei der letzten Finanzmarktkrise nach dem Platzen der Spekulationsblase in den USA gesehen haben (und wie es bei der nächsten Spekulationswelle in Staatsschulden droht).

In dieser Situation gibt es aber für die großen, die Wirtschaft beherrschenden Unternehmen, das „Monopolkapital“ eine Möglichkeit, die Profite trotz fallender Profitraten und härterer Konkurrenz in der Gesamtwirtschaft zu sichern.

Dazu braucht es nur die Hilfe, ja die enge Bindung zu „Freunden“ in der „Politik“, bei Ämtern und Behörden, kurz zum bürgerlichen Staatsapparat.

Stuttgart 21 ist hier ein Geschenk des Himmels für wichtige Gruppen des Monopol- und Finanzkapitals: für die deutsche Bahn, für die Bauwirtschaft, für Immobilienunternehmen und nicht zuletzt für die Banken, insbesondere die Landesbank, die als „Geldgeber“ auch einen kräftigen Schnitt machen will.

Ein Auftrag wie Stuttgart 21 sichert über Jahre hindurch Profite für diese Unternehmen - bezahlt vom Staat. Während die Gewinne für einige wenige so gesichert und auch kurzfristigen Schwankungen des Marktes entrissen sind, werden die Kosten der Gesellschaft aufgehalst. Letztlich muss diese in Form von Steuern oder höheren Preisen Stuttgart 21 zahlen - und bekanntlich zahlen hier vor allem die ArbeiterInnen und Angestellten über Lohnsteuer und indirekte Steuern oder als BerufspendlerInnen oder Eltern für ihre Kinder.

Klassenfrage

Hier zeigt sich sehr deutlich, dass es bei der Frage für oder wider S 21 nicht vorrangig um eine „Sachfrage“ oder Frage der „Vernunft“ geht, sondern dass hinter dem Für und Wider gegensätzliche gesellschaftliche Interessen, Klasseninteressen stehen.

Das bezieht sich einmal darauf, gemäß wessen Bedürfnissen sollen der Bahnhof und das Verkehrsnetz überhaupt umgebaut werden. Zweitens geht es darum, wer, also welche Teile der Bevölkerung, zahlen sollen.

Daraus, dass es sich hier um einen Kampf gegensätzlicher Interessen handelt - hier die Profit- und Verwertungsinteressen des Kapitals, dort das Interesse nach einem günstigen, hochwertigen und möglichst umweltschonenden Transportsystem - ergibt sich auch, dass lediglich eines dieser Interessen und letztlich nur im Kampf durchgesetzt werden kann.

Was wozu gebaut wird, ist keine Frage einer über den Klasseninteressen stehenden „Vernunft“, die es nur in der Einbildung und nicht in der Realität gibt. Es ist eine Kampf- und Machtfrage. Die Arbeiterklasse spielt hier eine Schlüsselrolle, weil nur sie die Macht hat, den kapitalistischen Produktions- und Verkehrsprozess „von innen heraus“ lahm zu legen durch Massenaktionen und politische Streiks, durch eigene Kampforgane.

Viertens geht es aber auch darum, welche Klasse, wer überhaupt ein Interesse an einem rationalen, an den Bedürfnissen der großen Masse der NutzerInnen ausgerichteten Konzept hat und wer dieses durchsetzen kann.

Wie wir oben gesehen haben, gerät das kurzfristige Profitinteresse der Bahnbetreiber und anderer Kapitale immer wieder und unvermeidlich in Gegensatz zu den Interessen der Beschäftigten wie der großen Mehrzahl der NutzerInnen. Ein anderes, rationales Verkehrssystem, das diesen Interessen Rechnung trägt, ist nur durch Eingriffe in die Verfügungsgewalt des Kapitals möglich - sprich durch die Rückgängigmachung aller Privatisierungsschritte, die Enteignung der Gewinnler am Bahn“umbau“ von Baukonzernen bis zu Banken und Planungsstäben für Großbahnhöfe.

Warum? Weil ansonsten deren Handeln am Profitinteresse ausgerichtet sein wird und bleiben muss. Das macht aber eine längerfristige Verkehrsplanung ganz und gar unmöglich.

Der Stopp von Privatisierungen und die entschädigungslose Enteignung von Unternehmen schafft zwar die Grundlage für eine längerfristige, demokratische Planung des Verkehrswesens (wozu natürlich auch die ganze Frage der Enteignung der privaten Verkehrsindustrie insb. auch der Autohersteller gehört). Aber diese Maßnahmen werfen auch die Frage auf, wer Planung, Aus- und Umbau von Strecken, usw. bestimmen und kontrollieren soll.

Schließlich hat die Deutsche Bahn als staatliches Unternehmen auch vor dem Börsengang nicht die Interessen der Beschäftigen und der Arbeiterklasse zur Richtschnur ihres Handelns gemacht. Die Geschäftspolitik der Bahn war auch in Staatshand vielmehr am Interesse des gesellschaftlichen Gesamtkapitals ausgerichtet, insbesondere weil es lange Zeit als nicht profitabel erschien, große Infrastrukturleistungen privatwirtschaftlich zu organisieren.

Ein Zurück zu diesen angeblich goldenen Zeiten der Bahn ist eine Illusion und vollkommen unzureichend. Daher kämpfen wir nicht nur für eine entschädigungslose Wiederverstaatlichung der Bahn und anderer Verkehrsunternehmen, sondern für die Arbeiterkontrolle über die  Bahn und das gesamte Verkehrssystem.

Was heißt Arbeiterkontrolle? Es ist nicht, wie manche glauben, ein anderes Wort für „Mitbestimmung“, wie sie heute existiert. Nein, es bedeutet zuerst, dass Lohnabhängige, Beschäftigte im Betrieb, Kontrolle über alle unternehmerischen Entscheidungen ausüben, über alle Entscheidungen - von Investitionen bis zur Personalpolitik - ein verbindliches Entscheidungsrecht, ein Vetorecht haben. Es ist also ein Kampfmittel gegen das Management, ein Mittel, es unter Kontrolle von Beschäftigten zu stellen und zugleich ein Mittel, dass die Beschäftigten mehr und mehr die Voraussetzungen schaffen, die Lenkung des Betriebes selbst zu übernehmen.

Arbeiterkontrolle bedeutet für uns zweitens, dass sie unzertrennlich mit dem Kampf um eigene, von den Beschäftigten gewählte, ihnen rechenschaftspflichtige und von ihnen abwählbare Kontrollorgane verknüpft ist. Ohne solche Organe kann es keine demokratische Kontrolle von unten geben, wird die „Kontrolle“ nur allzu leicht rein formell und bürokratisch von betrieblichen oder gewerkschaftlichen Funktionären ausgeübt.

Drittens gibt es aber noch einen wichtigen Punkt zu bedenken. Für ein Unternehmen wie die Bahn, ja das Verkehrswesen überhaupt, das täglich Millionen Menschen befördert, bedeutet Arbeiterkontrolle nicht und kann nicht nur Kontrolle durch die dort beschäftigen ArbeiterInnen bedeuten. Die Arbeiterklasse insgesamt verhält sich zur Bahn ja auch als NutzerInnen, ja stellt den Großteil der NutzerInnen. Eine Bahn, die deren Interessen bedient, kann und soll daher nicht bloß von den dort beschäftigten ArbeiterInnen kontrolliert werden, sondern auch von den lohnabhängigen NutzerInnen wie auch anderen KundInnen, die aus den Mittelschichten oder dem Kleinbürgertum kommen.

Schließlich soll z.B. der Regionalverkehr gerade dort und so ausgebaut werden, dass sich z.B. der Fahrplan an den wirklichen Interessen dieser Lohnabhängigen und Angehörigen anderer nichtausbeutender Schichten ausrichtet.

Eine solche Kontrolle, dementsprechende Kontrollorgane und die vollständige Offenlegung der gesamten Verkehrsplanung, Pläne, Verträge etc. sind eine unabdingbare Voraussetzung für eine vernünftige Verkehrspolitik und notwendige Grundlage für eine längerfristige, planmäßige Umstrukturierung des gesamten Verkehrs gemäß den Interessen von Beschäftigten, NutzerInnen und im Sinne eines möglichst schonenden Eingriffs in die Umwelt.

Ein solches System kann natürlich niemals auf die Bahn oder das Verkehrswesen beschränkt bleiben. Schließlich wäre es eine absurde Vorstellung anzunehmen, dass ein rationales Verkehrssystem durchgesetzt werden könnte, während gleichzeitig der „Rest“ der Wirtschaft weiter vom Kapital beherrscht und für die Maximierung des Profits betrieben wird. Es wirft natürlich die Frage nach der Reorganisation der gesamten Wirtschaft auf - wie jede kapitalistische Krise, wie jede Entlassungswelle oder die generelle Förderung der Monopole auf Kosten der gesamten Gesellschaft.

Sprich, die Frage nach Kontrolle und Macht über das Verkehrssystem ist letztlich untrennbar mit der Frage verbunden, wer, welche Klasse die Gesellschaft beherrscht. Sie ist untrennbar mit der Frage nach dem Staat und seiner Rolle verbunden - und wie diese gebrochen werden kann. Kurzum, der Kampf für ein vernünftiges Verkehrswesen verweist auf den Sturz des Kapitalismus selbst - nicht als eine „Draufgabe“, sondern als notwendigen Schritt, ein solches überhaupt dauerhaft etablieren zu können.

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Die Schlichtungs-Seifenblase ist geplatzt

Wie weiter im Widerstand?

Eine marxistische Analyse des Ursprungs, Charakters und der Perspektiven der Bewegung gegen Stuttgart 21

Januar 2011

*  Vorwort
*  Das Projekt
*  Die Bewegung und ihre Führung
*  Entwicklung der Bewegung und die Frage des Staates
*  K 21-Bündnis und Aktionskonferenzen
*  Wie weiter?
*  Nachsatz: Die Landtagswahlen im März