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Die Krise heißt Kapitalismus

Die Ursachen der Krise

Arbeitermacht-Broschüre, Mai 2009

Die meisten Politiker und „Experten“, aber auch die reformistischen Spitzen des DGB, der SPD, der Linkspartei oder von attac meinen, dass die Ursache der Krise im Finanzsektor zu suchen ist. Dort haben sich „gierige“ Finanzjongleure „hemmungslos“ bereichert. Die Kontrollen des Finanzsektors seien unzureichend gewesen, was die ausufernde Spekulation überhaupt erst ermöglicht hätte.

Obwohl beide Vorwürfe auch ein Körnchen Wahrheit enthalten, gehen sie doch am Kern der Sache weit vorbei. Zwar war die Finanzkrise der Auslöser der Wirtschaftskrise, doch die oft geäußerte Ansicht, der Finanzsektor habe die ansonsten „gesunde Realwirtschaft“ in den Strudel der Krise gerissen, zäumt das Pferd von hinten auf. Allein die Frage, warum so viel Kapital in hochriskante Fonds u.a. Risikoanlagen floss und warum es nicht im produktiven Bereich investiert wurde, verweist auf tieferliegende Probleme der kapitalistischen Wirtschaft.

Werfen wir einen Blick zurück. Ende der 1960er Jahre ging der lange Nachkriegsboom zu Ende. Dieser ungewöhnlich lange Aufschwung war nur auf Basis der riesigen Vernichtung von Kapital im Zweiten Weltkrieg und auf Grundlage der nach 1945 v.a. in Europa niedrigen Lohnkosten möglich. Politisch basierte diese Stabilisierungsphase des Weltkapitalismus auf zwei Faktoren: erstens auf der Dominanz der (westlichen) Führungsmacht USA und zweitens auf den durch Stalinismus und Sozialdemokratie ausverkauften revolutionären Möglichkeiten von 1944-48 und der daraus folgenden konterrevolutionären Stabilisierung der bi-polaren Weltordnung.

Der Französische Mai 1968, die „Ölkrise“ 1973 und der Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems markieren das Ende dieser Periode. Der Weltmarkt war unter den imperialistischen Mächten aufgeteilt. Die wachsende Konkurrenz zwang zu enormen Rationalisierungen. Die Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Kredite, v.a. aber für Anlagen und Maschinerie (konstantes Kapital c) stiegen im Vergleich zu den Lohnkosten (variables Kapital v) immer weiter an. D.h. immer mehr (vorgeschossenes) Kapital war notwendig, um den Profitkreislauf in Gang zu bringen. Das erhöhte zugleich die Bedeutung von Krediten und deren Bedienung, die Abhängigkeit der Unternehmen von Banken stieg und die Verflechtung von Bank- und Industriekapital wurde enger, kurz: die dominante Rolle des Finanzkapitals nahm weiter zu.

Die Profitraten (nicht unbedingt die Profitmasse, d.h. das Gesamtvolumen der Profite) sanken tendenziell - wie es Marx schon im „Kapital“ analysiert hatte. Parallel dazu wuchsen die Arbeitslosigkeit und die Staatsverschuldung. Wie immer reagierte das Kapital darauf, indem es die Ausgaben für Löhne, Soziales und seine Steuerabgaben drückte, um die Profite zu sichern und der Konkurrenz standzuhalten.

Das Hauptproblem für die Kapitalisten war (und ist) die Überakkumulation von Kapital - kurz: es gibt zu viel Kapital für zu wenig (lukrative) Anlagemöglichkeiten. Die Märkte sind gesättigt, neue Märkte nicht vorhanden, neue Kaufkraft nicht in Sicht.

Diese Entwicklung unterminierte zugleich die finanziellen Möglichkeiten des Staates, die Konjunktur anzukurbeln und Krisen abzufedern, wie es der Keynesianismus vorsieht. Das Versagen des Staates als Wirtschaftsregulator und -stimulator ebnete auch dem Neoliberalismus den Weg, teils als realer Wirtschaftspolitik, mehr noch als bürgerlicher Ideologie zur Begründung der Angriffe auf die Arbeiterklasse und ihre Errungenschaften.

1989/90 änderte sich die Weltlage schlagartig. Der stalinistische Ostblock brach zusammen. Eine ganze Weltregion, die bis dahin weitgehend dem kapitalistischen Weltmarkt entzogen war, stand den Monopolen nun als Absatzmarkt und „verlängerte Werkbank“ zur Verfügung: die Periode der Globalisierung hatte begonnen.

Die Globalisierung war Ausdruck der entstandenen Verwertungskrise und zugleich ein Versuch der Bourgeoisie, sie zu lösen. Mit der Globalisierung wurden immer mehr Schranken für das Agieren des Kapitals niedergerissen: der Binnenmarktschutz (v.a. in der „Dritten Welt“) wurde ausgehöhlt, staatliche Bereiche wurden privatisiert, Investitionsbedingungen, Steuersysteme usw. wurden zugunsten des Kapitals „modernisiert“.

Doch schon 1997 kam es zum ersten Einbruch. Die asiatischen „Tigerstaaten“ wurden von einer Kreditkrise heimgesucht; ihr Sprung in den Rang imperialistischer Mächte endete mit einem Absturz. Schon damals gelang es dem Internationalen Währungsfond (IWF) nur mit großer Mühe, ein Übergreifen der asiatischen Krise auf das gesamte Weltfinanzsystem zu verhindern.

Die Asienkrise war jedoch auch eine günstige Gelegenheit für China, als „neuer Tiger“ die Weltarena zu betreten. Seit Ende der 1990er floss immer mehr Auslandskapital nach China und Indien. Ganze Industriezweige wanderten aus den imperialistischen Metropolen dorthin. Doch Chinas Aufstieg erzeugte zugleich immense innere Probleme, z.B. hunderte Millionen WanderarbeiterInnen. Chinas Wirtschaft ist enorm vom Export und dem Zufluss von Auslandskapital abhängig. Grundlage des Booms ist natürlich die Überausbeutung und Entrechtung der Arbeiterklasse - nicht nur in China.

Trotz seines Rufes als Motor der Weltwirtschaft hat China den Sprung zu einer imperialistischen Macht noch nicht geschafft - und es ist offen, ob ihm dies überhaupt gelingt. Der Boom in Asien hat - wie wir jetzt sehen können - die Weltwirtschaft weder vor der Krise bewahrt noch die strukturellen Probleme der kapitalistischen Weltwirtschaft gelöst. Im Gegenteil: die Verwerfungen im Finanzsektor, die Überkapazitäten, die Risiken sind größer geworden.

Ein anderer Boom, der Politiker und neoliberale Ideologen animierte, die Dynamik des Kapitalismus zu feiern, war der Hype des „Neuen Markts“ der Internet-Werte. Nachdem tw. astronomische Summen für kleine Start up-Unternehmen geboten wurden und die Börsenkurse in die Höhe schossen, folgte zum Jahrtausendwechsel der große Knatsch. Dieses Platzen der Internet-Börsen-Blase war schon ein Wetterleuchten der jetzigen Krise. Doch auch diesmal blieb ein globales Desaster noch aus.

Die Globalisierung sorgte dafür, dass der Ausbruch der Krise der Weltwirtschaft hinausgezögert wurde - auf Kosten der Anhäufung neuer Probleme und Risiken.

Kommen wir auf unsere Frage zurück: warum floss so viel Kapital in den Spekulationssektor? Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens - und das ist der wesentliche Grund - ist es für das Kapital immer  schwieriger geworden, im produktiven Bereich zu investieren: aufgrund der Überkapazitäten dort wie auch wegen der (relativ) niedrigen Gewinnerwartungen. Zweitens führte die jahrelange Niedrigzinspolitik der US-Regierungen dazu, dass die Banken mit „normalen“ Geldgeschäften wg. der niedrigen Zinsen kaum noch größere Gewinne machen konnten. Warum gab es diese Niedrigzinspolitik? U.a., weil man so hoffte, die lahmende US-Wirtschaft wieder anzukurbeln. Drittens mussten und müssen die USA aufgrund ihrer permanenten Zahlungsbilanz- und Handelsbilanzdefizite ständig enorme Geldmengen „ansaugen“, um wirtschaftlich überhaupt weiter handlungs- und zahlungsfähig zu sein. Die enormen Handelsüberschüsse Chinas, Japans oder einiger Öl-Staaten in Dollar flossen so wieder in die USA - und suchten nach Anlage.

Diese Vorgänge verweisen darauf, dass es die ungelösten Probleme im industriellen, „produktiven“ Kapital sind, die dazu führten, dass immer mehr Kapital in die Finanzsphäre drängte. Die Banken, Fonds usw. reagierten darauf, indem sie ständig neue „kreative Finanzprodukte“ entwickelten, die so undurchsichtig wie gewinnträchtig waren.

Schulden und Anleihen wurden immer weiter verliehen, real nicht vorhandene (Geld-)Werte wurden immer weiter gereicht. So lange immer neues - reales wie irreales - Geld in die Spekulation floss und die Wechsel nicht aufflogen, d.h. solange ein Gläubiger noch auf Rückzahlung seiner Schulden hoffen konnte, funktionierte dieses gigantische „Schneeballsystem“. Besonders auf dem US-Immobilienmarkt wurden Hauskredite massenhaft an Kunden vergeben, die nicht kreditwürdig waren.

Doch einmal war Schluss. Der US-Hypothekenmarkt brach ein, mehrere große US-Finanzinstitute stürzten zusammen. Das löste einen Erdrutsch im Gefüge des Weltfinanzsystems aus. Banken brachen zusammen oder mussten irrsinnige Summen abschreiben. Die Bilanzen erwiesen sich als Märchenbücher, in denen es vor riesigen Gespenstern aus faulen Krediten nur so wimmelt.

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Die Krise heißt Kapitalismus

Die Antwort: Klassenkampf

Die Lösung: Sozialismus

Mai 2009

*  Einleitung
*  Die Ursachen der Krise
*  Fazit
*  Wie reagieren Staaten und Regierungen?
*  Die Rolle des Reformismus, von Gewerkschaftsführungen, SPD und Linkspartei
*  Ein Aktionsprogramm gegen die Krise
*  Wie weiter?