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Unsere Agenda heißt Widerstand:

Generalstreik gegen Generalangriff!

Martin Suchanek, Neue Internationale 90, Mai 2004

Im Öffentlichen Dienst sollen Millionen Beschäftigte künftig 40 bis 42 Stunden pro Woche arbeiten - ohne Lohnausgleich, versteht sich! Die unionsgeführten Landesregierungen wetteifern um die Vorreiterrolle beim Sozialabbau.

Bei Siemens, Daimler, Bosch und anderen Großkonzernen soll die 40 Stundenwoche eingeführt werden. Gleichzeitig sollen Urlaubs- und Weihnachtsgeld und andere "Sonderleistungen" gestrichen werden! Tausende sollen zudem noch entlassen werden oder "freiwillig" der Umwandlung ihrer Jobs in Leiharbeitsplätze zustimmen.

Ab 1. Januar 05 können wegen der neuen Hartz- und Agendagesetze 500.000 Erwerbslose kein Arbeitslosengeld II mehr beziehen - weil sie "zu reich" seien, z.B. Angehörige haben, die noch Lohn beziehen.

Vor der Entscheidungsschlacht

Das deutsche Kapital will eine Einscheidungsschlacht herbeiführen - jetzt! Dabei geht es um mehr als nur Profit.

Die Bourgeoisie will auch der Arbeiterbewegung - allen voran den Gewerkschaften, ihren betrieblichen Strukturen und der entstehenden Massenbewegung gegen Sozialabbau - eine dramatische Niederlage zufügen.

Eine Niederlage im Öffentlichen Dienst könnte auch die weitere Existenz von ver.di in Frage stellen. Massive Arbeitszeitverlängerungen bei den Großkonzernen würden auch die Kampfkraft der Kernschichten der deutschen Arbeiterklasse in Frage stellen.

Die Massendemonstrationen vom 3. April, als über eine halbe Million auf der Straße waren, haben gezeigt, dass ArbeiterInnen, Erwerbslosen und die Jugend Widerstand leisten wollen. Viele warten geradezu auf ein Signal. Andere zögern noch, wären aber bereit mitzumachen, wenn sie wissen, wie und wofür sie kämpfen sollen.

Doch ein solches klares Signal fehlt! Die GewerkschaftsführerInnen um Sommer, Peters oder Bsirkse haben zwar am 3. April die Regierung scharf kritisiert - eine Kampfperspektive haben sie nicht gewiesen. Sie haben zwar Hunderttausende auf die Straße gebracht. Doch den 2. April, der eigentlich ein betrieblicher Aktions- und Streiktag sein sollte, haben sie einfach ignoriert.

In dieser Manier soll es weiter gehen. Statt eine Vorreiterrolle bei der Abwehr des Generalangriffs zu spielen und Massenstreiks gegen die Arbeitzeitverlängerung im ganzen Land vorzubereiten und zu führen, setzt die ver.di-Führung auf eine Mischung aus sektoralem Druckmachen und Verhandlungen mit schäbigen Deals, um "das Schlimmste" zu verhindern.

So in Nordrhein-Westfalen, wo die ver.di Tarifkommission hofft, den Kampf durch eine "freiwillige" tarifliche Öffnung der Arbeitszeit vermeiden zu können. In Wirklichkeit werden damit Regierung und Unternehmer nur zum nächsten Angriff ermutigt - frei nach dem Motto "Getrennt agieren, gemeinsam verlieren".

Auch die Thematisierung des Abwehrkampfes in den östlichen Tarifbezirken von den ver.di-Spitzen abgelehnt, weil "die Arbeitgeber" die Arbeitszeit ja "nur" im Westen - nur für ein paar Millionen (!) - verlängern wollen.

Die Strategie der ver.di-Führung ist keine Ausnahme. Wird diese Ausverkaufpolitik nicht von unten gekippt, wird sie zu weiteren Niederlagen führen. Warum?

Sie geht sie von einer illusorischen Einschätzung der gegenwärtigen Lage aus - ganz ähnlich wie die IG Metall-Spitze im Kampf um die Arbeitszeitverlängerung im Osten. Was die Kapitalisten und ihr Staat durchführen, ist eine allgemeiner, politischer Angriff, auf die gesamte Klasse. Sie suchen ganz offen die Konfrontation.

Statt diesen Fehdehandschuh aufzugreifen und einen politischen Abwehrkampf mit dem Mittel des Streiks zu führen, hoffen die Gewerkschaftsführer, die Öffentlichen Arbeit"geber" auf den Boden "vernünftiger", "geregelter" Auseinandersetzung zurückholen zu können - zur "normalen" Tarifrunde. Dafür opfern sie fast alles.

Strategie der Gewerkschaftsführer ...

Doch selbst diese Kriecherei ist den Kapitalvertretern zu wenig! Die Strategie der Gewerkschaftsführer ist allerdings nicht Resultat von Dummheit. Sie hängt vielmehr mit der sozialen Stellung der Gewerkschaftsführung und ihres bürokratischen Apparates als Mittler zwischen Lohnarbeit und Kapital zusammen. Darauf fußen ihre Privilegien und ihr Status. Für sie ist der "Ausgleich" zwischen den Klassen oberstes Gebot.

Dazu ist es freilich nötig, dass auch die Kapitalisten Respekt vor den Gewerkschaften haben und ihrerseits die Bürokratie brauchen, um die Klasse im Zaum zu halten. Die Unternehmer fürchten, dass sich in der Arbeiterklasse größere Schichten, vor allem gewerkschaftlich organisierte Sektoren in den Großbetrieben radikalisieren.

Da es ihnen aber um eine grundlegende Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen geht, ist für sie die "Sozialpartnerschaft" mit der Gewerkschaftsbürokratie ein Auslaufmodell. Bevor klassenkämpferische ArbeiterInnen beginnen, gewerkschaftliche Strukturen wieder für sich zu erobern, bevor die Avantgarde der Klasse in einer innergewerkschaftlichen Opposition zu einer sichtbaren politischen Kraft wird, die nicht nur auf der Straße mobilisieren, sondern auch Streikkämpfe führen kann - soll die Klasse präventiv geschlagen werden. Daher ist jeder Angriff auf die Gewerkschaften (wie verrottet und zahm ihrer Führungen auch sein mögen) von Unternehmerseite auch ein Teil eines strategischen Angriffs auf die Klasse.

... und unsere

Um den Generalangriff abwehren zu können, brauchen wir in den Gewerkschaften, in den Betrieben, in der Bewegung gegen Sozialabbau einen Strategiewechsel. Gegen den Generalangriff hilft nur verallgemeinerte Gegenwehr: ein Generalstreik. Im Grunde ist allen klar, dass die Agenda und die anderen Attacken nicht "wegdemonstriert" werden können.

Die Angriffe auf den Öffentlichen Dienst oder in der Großindustrie müssen durch unbefristete Streiks bekämpft werden. Sie müssen zum Ausgangspunkt werden für eine Verallgemeinerung dieser Kämpfe. Nur so kann die Losung des Generalstreiks mit Leben gefüllt werden.

Die Verallgemeinerung diese Kämpfe ist gerade deshalb so wichtig, weil Unternehmer und Staat sektoralen Widerstand mit allen Mittel bekämpfen werden - um ein Exempel zu statuieren und den anderen Teilen der Arbeiterklasse und dem Millionenheer der Erwerbslosen zu signalisieren, dass Widerstand zwecklos ist. Ohne Solidarisierung durch andere Sektoren der Klasse besteht die Gefahr, durch dass die kämpfenden Schichten Mürbe gemacht, der Repression durch Polizei und Gerichte ausgesetzt und von der bürgerlichen Presse isoliert werden.

Ein Generalstreik würde als Abwehrkampf beginnen - wie die meisten Generalstreiks. Er müsste um einfache und klare Losungen geführt werden:

Rücknahme von Agenda und Hartz-Gesetzen!

Nein zu jeder Arbeitszeitverlängerung!

Nein zu jeder Form von Lohn- und Gehaltskürzung!

Gegen alle Entlassungen!

Diese Losungen können im Zuge der Auseinandersetzungen geändert oder ergänzt werden. Gegen andere Forderungen, die sich ebenfalls gegen die Agenda oder andere Formen des Angriffs auf die Klasse richten, ist nichts einzuwenden. Entscheidend ist jedoch, dass wirklich ein Kampf um sie geführt wird.

Daher treten wir dagegen auf, die Forderungen durch nebulöse reformistische Phrasen "Für Gerechtigkeit", "Für Fairness" u.ä. Zeug zu ergänzen oder gar zu ersetzen. Gerade darin besteht ja oft genug die Politik der "linkeren" Gewerkschaftsbürokraten: Tonnenweise werde Papiere produziert, die "mehr soziale Gerechtigkeit" einfordern - statt den Kampf gegen die wirklichen sozialen Verschlechterungen, gegen den ganz realen Ausbau von Ungerechtigkeit zu organisieren.

Die von uns vorgeschlagenen Forderungen haben den einfachen Vorteil, dass sie erstens die konkreten Maßnahmen oder "Reform"vorhaben des Angriffe benennen, diese in ihrer Gesamtheit ablehnen und auch einen klaren, leicht überprüfbaren Maßstab liefern, ob und wann Kampfziele erreicht sind.

Ein Generalstreik kann nur als Aktion verschiedener politischer und ideologischer Kräfte, als Einheitsfront zustande kommen. Ohne die reformistischen Arbeitermassen und die reformistischen Funktionäre wird es ihn in der aktuellen Lage nicht geben. Daher ist es unabdingbar, für diese Forderungen und jeden Teilschritt organisiert in den Gewerkschaften zu kämpfen. Wir wollen die Einheit in der Aktion, eine Einheitsfront im Kampf für überprüfbare Ziele - keine nebelhaften Formeln.

Wir dürfen uns nicht darauf beschränken, die Generalstreiks-Forderung an die GewerkschaftsführerInnen zu stellen. Sie muss v.a. unter den Massen popularisiert werden. V.a. aber müssen wir verdeutlichen, wie die Avantgarde der Klasse effiziente Kampfstrukturen aufbauen oder existierende nutzen kann, um einen solchen Kampf vorzubereiten, zu erzwingen und im Verlauf des Kampfes kontrollieren kann - notfalls gegen die Bürokratie oder Teile davon.

Das erfordert zuerst, dass in den gewerkschaftlichen Gremien, in der Gewerkschaftslinken, in den Betrieben und Vertrauensleutekörpern diese Forderung erhoben wird. Es bedeutet, dass die Sozialbündnisse, Foren, Aktionsbündnisse usw. organisierten Druck für diese Forderung ausüben, sich mit betrieblichen Strukturen verbinden und lokale Bündnisse initiieren, die z.B. Erwerbslose oder Studierende einbinden. Der Kampf für den und die Organisierung des Generalstreiks muss einhergehen mit dem Kampf für eine klassenkämpferische Basisbewegung, eine organisierten Opposition gegen die Gewerkschaftsbürokratie.

Ein Generalstreik wirft natürlich die Machtfrage auf. Aber er beantwortet sie nicht. Unsere Losung muss in diesem Fall die einer Arbeiterregierung sein, die sich auf die Organe des Generalstreiks (Streikkomitees, Bündnisse usw.) stützt und diese zu Rätestrukturen ausbaut und verbindet.

Die Fragen der Organisierung des Abwehrkampfes, des Generalstreiks und die dadurch aufgeworfene Machtfrage sind eng mit der Frage einer neuen Arbeiterpartei verbunden. Sie zeigen, warum wir sie brauchen - aber auch, welche Politik eine solche Partei praktizieren muss, wenn sie den kommenden Aufgaben gerecht werden will. Nur so kann sie führend im Kampf gegen den Generalangriff, in der Vorbereitung und Organisierung des Generalstreiks eingreifen. Das erfordert nicht nur ihre Verankerung in der Arbeiterklasse, in den Betrieben und Stadtteilen - es erfordert vor allem, dass sie eine Strategie zur revolutionären Machtergreifung haben muss.

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Nr. 90, Mai 2004

* Unsere Agenda heißt Widerstand: Generalstreik gegen Generalangriff!
* Frontalangriff bei Siemens: Streik und internationale Solidarität!
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* Arbeitsmarktreformen: Working poor
* Öffentlicher Dienst: 42 Stunden im Büro?
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* ESF-Vorbereitungstreffen: Bericht aus Istanbul
* Anschläge und ihr Hintergrund: Was ist Terror?
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