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Interview

Afghanistan ist nicht sicher!

Interview mit Ro., einem afghanischen Genossen, Neue Internationale 214, November 2016

Am nationalen Aktionstag, organisiert von „Jugend gegen Rassismus“, gingen 3.000 Menschen in Berlin auf die Straße. Damit zeigten sie ihren Unmut gegen staatlichen Rassismus sowie erstarkende rassistische Parteien und Bewegungen wie AfD und Pegida innerhalb der deutschen Gesellschaft. Unter den 3.000 SchülerInnen befanden sich 300 afghanische Geflüchtete die sich aktiv und kraftvoll an der Demonstration beteiligten. Ein neues Abkommen, das zu diesem Zeitpunkt zwischen der afghanischen und deutschen Regierung unterzeichnet werden sollte (und nun wurde), war der Hauptgrund für ihre Teilnahme an der antirassistischen Demonstration. Sie suchten und fanden Unterstützung unter den 3.000 SchülerInnen für ihre Sache.

Während das Abkommen zwischen Deutschland und Afghanistan beim Schulstreik in Berlin als Thema sichtbar wurde, gab es danach mehre Demonstrationen, welche von afghanischen Geflüchteten und UnterstützerInnen organisiert wurden und sich direkt mit dem Thema beschäftigten. In Hamburg wurden zwei Demonstrationen abgehalten, welche bis zu 1.500 Menschen mobilisieren konnten, u. a. auch in Stuttgart und Tübingen wurde zu Demonstrationen mobilisiert. Dies zeigt, dass die Thematik eine von vielen ist, die nach einer Lösung und Perspektive verlangt.

Wir veröffentlichen hier ein Interview mit einem der afghanischen AktivistInnen, die für den Berliner Schulstreik mobilisierten. Ro. ist Teil der afghanischen Geflüchteten, die spontan mehrere Hunderte von ihnen für ihre Belange zum Schulstreik mobilisieren konnten. In diesem Interview könnt ihr mehr über ihre Motivationen erfahren, und wie seiner Meinung nach das Abkommen gegen Afghanistan und Deutschland gestoppt werden könnte.

NI: Hallo Ro., erzähle uns doch bitte zuerst etwas zu den Motivationen, welche dich und deine Gruppe von Geflüchteten zur Teilnahme am Schulstreik bewegten!

Ro.: Teile der afghanischen Refugees in Berlin hatten dort eine Demonstration geplant, um sich gegen das Abkommen zwischen Afghanistan und Deutschland auszusprechen. Dieses Abkommen macht es für Deutschland einfacher, afghanische Geflüchtete zurück nach Afghanistan zu schicken. In Deutschland, aber auch in anderen Ländern der Europäischen Union, beeinflussen solche Abkommen die Bedingungen der Geflüchteten aus Afghanistan stark. Deutschland bezahlt nun in den ersten zwei Jahren des Abkommens 1,7 Milliarden Euro an korrupte afghanische Offizielle, um sich die Möglichkeit, Refugees einfacher abschieben zu dürfen, zu erkaufen.

Gleichzeitig war der tägliche Rassismus für uns ebenfalls ein wichtiger Punkt, sind wir doch davon hier in Deutschland auch betroffen. Wir hatten von dem Schulstreik gegen Rassismus in Berlin erfahren und davon, dass neben dem alltäglichen auch der staatliche Rassismus thematisiert werden sollte. Das kürzlich unterzeichnete Abkommen stellt ein gutes Beispiel von staatlichem Rassismus dar, mit welchem wir zu kämpfen haben. All das hat uns dazu bewogen, uns der Demonstration von „Jugend gegen Rassismus“ anzuschließen.

NI: Eure Hauptforderung war, das Abkommen zwischen Afghanistan und Deutschland zu stoppen. Könntest du uns kurz die Situation in Afghanistan und euer Statement auf eurem Banner erklären, das da lautete: „Afghanistan ist nicht sicher!“?

Ro.: Seit der Verabschiedung des Abkommens stehen afghanische Refugees hier in Berlin, aber auch im Rest von Deutschland vor der Gefahr, nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Die letzten Jahre zeigen aber, dass Afghanistan nicht als sicheres Land bezeichnet werden kann. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Die Taliban und der Islamische Staat (IS) attackieren Städte sowie ZivilistInnen und erlangen in diesen mehr und mehr die Kontrolle. Im Großen und Ganzen ist die afghanische Zivilbevölkerung das größte Opfer dieses Krieges. Als Deutschland Afghanistan nicht als sicheres Herkunftsland einstufte, war dies eigentlich eine klare Stellungnahme. Nun versucht Deutschland jedoch, über Schlupflöcher Menschen abschieben zu können, indem es einzelne Regionen des Landes als sicher definiert. Wir sagen dazu laut: „Kein Teil Afghanistans ist sicher!“. Dies war auch der Grund, warum wir Bilder der „sicheren Hauptstadt“ Kabul auf der Demonstration gezeigt haben. Wir wollten dadurch verdeutlichen, wie unsicher diese Stadt und das ganze Land in Wirklichkeit sind.

NI: Was sollte deiner Meinung nach getan werden, um gegen das Abkommen vorzugehen?

Ro.: Unserer Meinung nach sollte das Abkommen sofort gestoppt werden. Um dies zu erreichen, sollten wir Aktionen wie den Schulstreik in Berlin oder die Demonstrationen in Hamburg, Stuttgart oder Tübingen vereinheitlichen. Solche Aktionen in Deutschland, Afghanistan und Europa können den Druck auf die Regierungen erhöhen, das Abkommen zu stoppen. Wenn uns das nicht gelingen sollte, werden täglich Menschen in ein unsicheres Land abgeschoben, welches derzeit im Krieg untergeht.

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Nr. 214, November 2016

*  Antirassismus: Stellt Euch vor, der Rassismus bereitet sich auf und die Linke verdrückt sich ...
*  Interview: Afghanistan ist nicht sicher!
*  Rassistische Abkommen: Abschiebungen haben System
*  Rot-Rot-Grün: Alternative für nächste Bundesregierung?
*  Solidarität mit Antifaschisten: Gefangene unserer Freund und Genossen Pat
*  Houellebeq: Geister Brandstifter für das Bildungsbürgertum
*  Leiharbeit: Missbrauch legal ausgeweitet
*  Kaschmir: Indien und Pakistan mobilisieren
*  CETA: Mutiges Nein in Wallonien?
*  USA: Endspurt im Wahlkampf
*  Corbyns zweiter Wahlsieg: Ergebnisse und Perspektiven
*  Brasilien nach dem Putsch: Regionalwahlen und neue Klassenkämpfe