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Landtagswahlen am 13. März

Referenden über Rassismus und Große Koalition?

Susanne Kühn, Neue Internationale 207, März 2016

Superwahltage gibt es nicht nur bei der Kür von US-PräsidentschaftskandidatInnen. Am 13. März stehen gleich in drei Ländern - Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt - Landtagswahlen ins Haus.

Rassistischer Sieg droht

Der Sieger ist heute schon absehbar. Die AfD wird mit über 10 Prozent in alle Parlamente einziehen. In Sachsen-Anhalt sagen Umfragen gar 17 Prozent voraus.

Jeder „überzogene Ausrutscher“ nach rechts hilft dabei den Rassisten. Während Petry und andere über den Schusswaffengebrauch gegen Geflüchtete, gegen Frauen und Kinder schwadronieren, ergreifen AfDler in Clausnitz die „Initiative“ und organisieren gemeinsam mit offenen Faschisten den Mob. Diesen „Entgleisungen“ folgt allenfalls die Beteuerung, man sei „missverstanden“ worden.

Im Windschatten der AfD formieren sich auch gleich die Nazis mit. Vor allem aber droht die Entstehung und Festigung einer bundesweiten offen rassistischen Partei, die sich ihrerseits weiter nach rechts bewegt. Orientierte sie sich gestern noch an der anti-europäischen UKIP in Britannien, bewegt sich der Tross jetzt Richtung Front National, FPÖ oder noch weiter nach rechts.

In jedem Fall wird ein Wahlsieg der AfD die Rassisten und auch den pogromistischen Mob, wie er in Clausnitz und anderen Orten offen zutage trat, weiter stärken. Der Zulauf ist vorprogrammiert. Dazu kommen Millionen an staatlicher Förderung und Stiftungsgeldern.

Während die AfD (noch) im Wahlkampf von CDU, SPD, Grünen, Linken und der FDP gemieden wird, Auftritte in Fernsehdebatten abgesagt werden, so ist es nach dem 13. März wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis es zu einem „Umdenken“ kommt.

Erstens ist die imperialistische Grenzsicherung an den EU-Außergrenzen, sind die Verschärfungen der „Ausländergesetze“ und die fast schon permanente Abschaffung der Restbestände des Asylrechts von den AfD-Forderungen nicht so sehr unterschieden. Die Regierung Merkel, die SPD, die parlamentarische Opposition wollen kontrollierte Zuwanderung, die AfD am liebsten gar keine. Allenfalls Vorzeigeflüchtlinge, die Deutschkurse absolviert haben, auf Gott und Grundgesetz schwören, mögen kommen.

Zweitens wollen sich die CDU und auch die FDP (für den Fall, dass sie irgendwie doch mitmischen kann) „Koalitionsoptionen“ nicht nehmen lassen. Nach einem Sieg der AfD ist damit zu rechnen, dass dieses „Tabu“ in Frage gestellt wird. Es wird davon geredet, dass die AfD in den jeweiligen Ländern sehr unterschiedlich sei und außerdem durch „Zusammenarbeit“ „entzaubert“ werden könne. Damit wären auch eine offen bürgerliche Koalition von CDU/CSU mit der AfD und eine Alternative zum gegenwärtigen Merkel-Kurs möglich.

Koalitionsoptionen

Dass die AfD die Regierungsparteien vor sich „hertreibt“, liegt nämlich nicht nur am aktuellen Rechtsschwenk, den die Regierung selbst maßgeblich mit zu verantworten hat, sondern auch an der immer offener zu Tage tretenden Krise der Großen Koalition und der Lagerbildung in der CDU/CSU.

Die AfD ist nicht nur eine Option für (noch mehr) Rassismus. Sie ist auch eine für noch mehr Rollback an allen Fronten: gegen die Rechte von Frauen, Schwulen, Lesben, Jugendlichen - für eine erzreaktionäre und konservative „Familienpolitik“.

Sie ist vor allem aber auch eine Option für weitere Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse. Bei aller Deutschtümelei will die AfD als Partei, die sich stark auf das von Konkurrenz bedrohte Kleinbürgertum und reaktionäre Kreise der Mittelschichten stützt, den Lohnabhängigen nichts schenken. Wo der Mindestlohn den rechtschaffenen Kleinunternehmer plagt, hat auch der „deutsche Arbeitnehmer“ hintanzustehen. Sozialer Wohnungsbau, staatlicher Ausbau sozialer Einrichtungen und Infrastruktur gelten der AfD als „Verschwendung unserer Steuergelder“.

Wie jede Partei hat auch sie ein Klassenprogramm. Ihr Rassismus, ihre rechte Kritik an der EU und ihre Deutschtümelei gehen eine gefährliche Symbiose ein mit dem Neo-Liberalismus. Staatsintervention soll es allenfalls für die deutschen (Klein-)Unternehmer geben.

Mehr Rassismus gegen die Rassisten

Dass die Landtagswahlkämpfe in dieser Lage von der rassistischen Hetze, der angeblichen „Flüchtingsschwemme“, der „Belastungsgrenze“ der Kommunen und des deutschen Michels geprägt sind, ist kein Wunder.

Die CDU betreibt mehr oder weniger verhüllt Wahlkampf, als wäre sie in Opposition zu Merkel. Die SpitzenkandidatInnen aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, Wolf und Klöckner, verfassen „Kritiken“ am Merkel-Kurs und für einen Plan-B zu ihrer Flüchtlingspolitik. Andere veröffentlichen rassistische und chauvinistische Posts gegen die SPD-Spitzenkandidatin in Rheinland-Pfalz.

Auch die SPD und die Grünen lassen sich mit Avancen nach rechts nicht lumpen. Die Sozialdemokratie will einen „Deutschlandplan“. Bei den Grünen melden sich mit Leuten wie Palmer rechte Kritiker an der eigenen Partei und der Bundesregierung.

Diese Politik hilft der AfD - entspricht aber gerade bei der CDU auch den Interessen eines Flügels der Partei, spiegelt eine wirkliche Spaltung wieder. Und auch die SPD (und die von ihre beherrschten Gewerkschaften) halten letztlich nur dann eine Politik des „sozialen Ausgleichs“ für möglich, wenn es eine Begrenzung der Zuwanderung, Selektion der brauchbaren, verwertbaren (= „integrationswilligen“) Arbeitskräfte gibt.

Zwischendurch wird gejammert, dass die „bundespolitischen Themen“ die angeblich „gute Arbeit“ in den Ländern in den Hintergrund drängen würden.

In letzter Minute versucht jetzt auch die SPD noch, die „soziale Karte“ zu ziehen. Dabei bleibt sie in der Regel so schwammig wie möglich. Die SPD, die in Baden-Württemberg traditionell noch nie durch eigene Meinungen, Forderungen oder politische Initiativen aufgefallen ist, verhält sich auch diesmal so. Sie plakatiert: „Wert. Arbeit.“ oder „Eltern. Zeit.“. Unser Kommentar: „Null. Aussage.“ und  „Wahl. Niederlage.“.

In Rheinland-Pfalz wird noch um den Posten der Ministerpräsidentin mit möglichst wenig Inhalt gekämpft, in Sachsen-Anhalt ist bei der SPD wohl auch diese Hoffnung schon gestorben.

In letzter Minute versucht Gabriel, mit der Initiative für einen Sozialpakt etwas nachzulegen. Es ist der Versuch, die Abwälzung der Kosten für die EU- und Flüchtlingskrise zu verschieben. Natürlich ist die SPD zu feige, um vom Kapital und den Reichen eine echte Beteiligung an den Kosten zu verlangen. Natürlich ist sie zu opportunistisch und fordert diesen Sozialpakt für die deutsche ArbeiterInnenklasse  und nicht für die gesamte. Und sie sagt natürlich nicht „Klasse“.

Selbst in dieser Form erweckt das alles mehr den Eindruck eines verzweifelten Wahlkampfversprechens in letzter Minute. Notwendig wäre dabei jedoch eine Kampagne dafür, dass die Kosten nicht auf die arbeitende und arbeitslose Bevölkerung abgewälzt werden, und für Arbeit, Mindestlohn, Wohnungen für alle, die hier leben - ob Deutsche oder MigrantInnen.

Ein Nein von Schäuble genügt freilich, und der SPD geht die Luft aus. Sie will nämlich trotz der immer offener zutage tretenden Krise eines nicht: die Große Koalition riskieren. Die SPD-Führung (und auch die Gewerkschaftsspitze) fürchten deren Bruch noch mehr als die CDU/CSU.

Ihre Politik ähnelt jener früherer Perioden, wenn rechte und rassistische Kräfte erstarken - sie sieht ihr Heil in Koalitionen mit den „vernünftigen“, „rationalen“ offen bürgerlichen Parteien, sei es die CDU, seien es Grüne oder FDP (wobei auch bei einer Sozialdemokratie letztlich Koalitionen mit offenen Rassisten nie gänzlich ausgeschlossen sind).

Genau diese Politik, die auch der Linkspartei keinesfalls fremd ist, kann letztlich nur in die Katastrophe führen. Daher: Keine Koalitionen von SPD und Linken mit den offen bürgerlichen Parteien!

Linkspartei wählen, aber Kampf gegen Rassismus und soziale Angriffe organisieren!

Nur so ist es möglich, dass die ArbeiterInnenbewegung überhaupt als politische Alternative zu allen bürgerlichen und kleinbürgerlich-reaktionären Parteien sichtbar wird.

In dieser Lage sehen die politisch bewussteren Teile der ArbeiterInnenklasse, kämpferischere GewerkschafterInnen, AktivistInnen in sozialen Bewegungen und anti-rassistischen Initiativen in der Linkspartei oft die einzige Möglichkeit, bei den Wahlen dem Erstarken der AfD wie dem staatlichen Rassismus eine Absage zu erteilen.

Zweifellos ist damit oft auch eine Verharmlosung sozialchauvinistischer Ansagen aus der Linkspartei selbst (Wagenknecht, Lafontaine, ...) und der rassistischen Abschiebungen durch die Regierung Ramelow in Thüringen verbunden. Zweifellos wählen sie viele ArbeiterInnen und Bewegungsaktive, weil sie selbst Illusionen in die Politik der Linkspartei und die Möglichkeiten einer alternativen „Reformpolitik“ im Rahmen des Kapitalismus haben.

Aber angesichts des Vormarsches der AfD und der Politik der Landes- und Bundesregierungen ist die Wahl der Linkspartei tatsächlich die einzige Möglichkeit bei den Landtagswahlen, diese Ablehnung sichtbar zum Ausdruck zu bringen. Jede Stimme für die Linkspartei wird als Stimme der Ablehnung von Abschottung der EU, rassistischer Politik der Regierung, Vormarsch der Rechten und für eine „soziale Alternative“ gesehen werden.

Das Ergebnis drückt also auch ein Kräfteverhältnis im Kampf aus - und das kann keinem/r Lohnabhängigen, keinem/r AntirassistIn und erst recht keinem/r RevolutionärIn egal sein. Wir rufen daher zur kritischen Unterstützung der Linkspartei bei den Landtagswahlen auf.

Entscheidend dafür, dass RevolutionärInnen heute zur Wahl der Linkspartei (und nicht der SPD) aufrufen, sind aber nicht das „linkere“ Programm oder einzelne fortschrittlichere Forderungen, sondern ihr Verhältnis zur ArbeiterInnenvorhut.

Anders als marginale Kandidaturen von anderen Spektren der politischen Linken, die ihrerseits auf nicht-revolutionären, oft stalinistischen, Programmen zur Wahl stehen (DKP, MLPD), hat die Linkspartei einen nennenswerten Einfluss, eine Verankerung in Teilen der ArbeiterInnenklasse, und zwar generell ihren bewussteren und aktiveren Teilen.

Mit diesen wollen wir bei der Wahl der AfD und der rassistischen und Kürzungspolitik der Regierungen eine Absage erteilen.

Von der Linkspartei fordern wir zugleich, die Wahlen zu nutzen, um nicht nur möglichst viele Stimmen zu erhalten, sondern auch um die Mobilisierung voranzutreiben gegen die zukünftigen Angriffe auf Bundes- und Landesebene.

Dazu braucht es organisierte Bewegungen und Aktionsbündnisse gegen Rassismus und die kommenden politischen und ökonomischen Angriffe, die auch die Mitglieder und AnhängerInnen der Linkspartei, der Sozialdemokratie und Gewerkschaften - also aller Massenorganisationen, die sich auf die Lohnabhängigen stützen - mobilisieren können.

In diesem Sinne: Wählt die Linkspartei, aber organisiert den Kampf!

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Nr. 207, März 2016
*  Flüchtlingsfrage: Test für die EU
*  Drohender Rechtsruck: Antirassismus konkret
*  Internationaler Frauentag: Rassismus und Frauenunterdrückung
*  Tarifrundenritual: IG Metall will 5 Prozent
*  Internationalismustage der NaO: Durchgeführt trotz Repression
*  Landtagswahlen am 13. März: Referenden über Rassismus und Große Koalition?
*  Politisch-ökonomische Perspektiven: Deutsche Imperialismus, Klassenkampf und die "radikale" Linke
*  China: Krisenverschärfungen
*  Britannien: Die Labour Party und revolutionäre Taktik
*  Polen: Unaufhaltsam nach rechts?
*  Türkei: Hände weg von Kurdistan!
*  Syrien zwischen Waffenstillstand und Eskalation: Reaktionärer Vormarsch oder permanente Revolution?