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Zwischenstand GdL-Tarifrude

Ein Teilerfolg und eine Bauchlandung

Helga Müller, Neue Internationale 196, Februar 2015

Die Lokführergewerkschaft GdL und der Vorstand der Deutschen Bahn haben sich am 17. Dezember 2014 auf einen Kompromiss geeinigt:

die Deutsche Bahn AG unterschrieb eine 5-Punkte-Erklärung, in der sie vom Ziel der Tarifeinheit als Vorbedingung abgerückt ist. D.h. die GdL darf für das gesamte, bei der GdL organisierte Fahrpersonal, d.h. auch für ZugbegleiterInnen, BordgastronomInnen, InstruktorInnen/TrainerInnen und DisponentInnen verhandeln und für diese auch Tarifverträge abschließen (nach: Winfried Wolf: Eine wirklich schöne Bescherung, 21.12.14; in: www.labournet.de).

es gibt für alle Berufsgruppen - für welche die GdL das Vertretungsrecht eingefordert hatte - für  Juli bis Dezember 2014 eine Einmalzahlung von 510 Euro.

Das erste Ergebnis ist tatsächlich ein Teilerfolg. Nachdem die Deutsche Bahn AG zusammen mit der EVG monatelang auf einer „betrieblichen“ Einigung zur Tarifeinheit - also welche Gewerkschaft für welche Berufsgruppe verhandeln und Tarifverträge abschließen darf - gegen den Willen der GdL beharrte, wurde dieses Vorhaben aufgrund des wochenlangen Streiks der GdL-KollegInnen abgewehrt.

Faule Zugeständnisse

Doch die erzielte Lohnerhöhung sorgt schon für weniger Freude - auch wenn diese für alle Berufsgruppen, die von der GdL vertreten werden, gilt. Die ursprüngliche Forderung der GdL lag bei 5%. D.h. die Lohnerhöhung wird auf die Löhne der einzelnen Tarifgruppe als neuer Tariflohn angerechnet - dagegen bleiben bei einer Einmalzahlung die Gehälter unverändert. Das kommt einer Kapitulation vor dem Bahnvorstand gleich, zumal die GdL auch bei zwei ihrer anderen Forderungen zurückgerudert ist.

Sie fordert nun bei der Arbeitszeitverkürzung statt zwei nur noch eine Stunde Reduzierung auf 38 Wochenstunden. Bei der Änderung der Entgeltstruktur fordert sie nur noch die Einführung einer weiteren Entgeltstufe nach 30 Jahren Berufserfahrung. Im übrigen ist auch die DGB-Gewerkschaft EVG nicht prinzipiell gegen dieses „Lohnangebot“, sie wehrt sich nur gegen die Höhe und den Geltungsbereich (alle von der EVG Vertretenen sollen eine höhere Einmalzahlung erhalten).

Bevor die Verhandlungsführer der GdL diesem „Lohnangebot“ für 2014 hätten zustimmen dürfen, hätten die Mitglieder und die streikenden KollegInnen vor Ort die Möglichkeit erhalten müssen, zu entscheiden, ob dieses „großzügige“ Angebot angenommen werden kann oder ob weiter gestreikt werden soll. Statt dessen hat der GdL-Vorstand die Streiks für Dezember einfach abgesagt. An dieser Vorgehensweise zeigt sich - auch wenn die GdL in der Frage der Tarifeinheit und damit gegen die Einschränkung des Streikrechts einen korrekten Standpunkt eingenommen und v.a. dafür die KollegInnen in den Streik geführt hat -, dass auch sie eine bürokratische - von oben nach unten strukturierte - und undemokratische Organisation ist.

Auch wenn das bisherige Ergebnis - im Januar 2015 wird ja weiterverhandelt - zu kritisieren ist, war es richtig, die GdL in ihrem Kampf solidarisch zu unterstützen - und es wird auch weiterhin richtig sein, die GdL in ihrem Kampf zu unterstützen. Dazu fordern wir auch die EVG auf.

Sowohl die EVG als auch die GdL haben für Januar und Februar 2015 mit der Deutschen Bahn AG Termine für weitere Verhandlungsrunden vereinbart.

Am 15. Januar 2015 fand nun die nächste Verhandlung zwischen Bahn AG und GdL statt. Hier zeigte sich, dass die erste Euphorie von GdL-Chef Weselsky - es sei im Dezember ein „Durchbruch“ geschafft worden - verfrüht war. Trotz der im Dezember 2014 mit der Bahn AG vereinbarten 5-Punkte-Erklärung, will die Bahn nach wie vor verhindern, dass es unterschiedliche Tarifverträge für eine Berufsgruppe geben soll. Sie versucht deshalb, in den getrennt verlaufenden Gesprächen zwischen GdL und EVG identische Regelungen auszuhandeln. Daneben soll der Flächentarifvertrag für die Lokomotivführer, der nach einem mehrmonatigen Streik von der GdL 2008 durchgesetzt wurde, aufgeweicht werden, indem die Bahn AG nur noch Haustarifverträge mit der GdL zu vereinbaren versucht (GdL-Pressemitteilung vom 20.01.15).

Wenn es Weselsky ernst meinen würde ...

Wenn Weselsky es tatsächlich ernst meint, die Forderungen zur Arbeitszeitverkürzung, zur Einschränkung der Überstunden aufgrund des massiven Personalabbaus seit der Teilprivatisierung der Bahn, Regelungen zur besseren Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf und nicht zuletzt die Ausdehnung des Tarifvertrages auf alle GdL-Mitglieder beim Zugpersonal durchzusetzen, dann müsste er spätestens nach den nächsten Verhandlungen am 28. Januar  zu erneuten - unbefristeten - Streiks aufrufen.

Aber damit dieser Kampf wirklich zu einem Erfolg aller Beschäftigen bei der Bahn wird, ob in der EVG, in der GdL oder nicht organisiert - müssen alle KollegInnen zu Streikversammlungen eingeladen werden und über alle Forderungen - die der EVG und die der GdL - und über die weitere Streiktaktik diskutieren und entscheiden. Aus diesen Reihen müssten Delegierte von EVG und GdL für Streikkomitees gewählt werden, die die Streiks koordinieren und den Streikversammlungen  rechenschaftspflichtig sind.

Nur durch ein koordiniertes Vorgehen von GdL und EVG können gemeinsame Forderungen aufgestellt und einheitliche und effektive Streiks geführt werden. Anders wird es schwer, der Bahn AG etwas abzuringen, da diese unter erheblichem Druck steht, um ihre Position im Kampf um die Vorherrschaft im Logistik- und Verkehrssektor durchzusetzen. So ist ihr z.B. mit dem Fernbussektor eine ernste Konkurrenz im Fernverkehr erwachsen.

Im Konflikt bei der Bahn AG geht es jedoch nicht nur um den Streik selbst; es geht auch darum, eine neue einheitliche und klassenkämpferische Gewerkschaft für den gesamten Verkehrs- und Logistikbereich aufzubauen.

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Nr. 196, Februar 2015
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