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Neue antikapitalistische Organisation (NaO)

Wichtige Erfolge

Tobias Hansen, Neue Internationale 187, März 2014

Vorstellung des Manifestes

In der NI 185 legten wir dar, was 2014 auf den NaO-Prozess 2014 zukommt, ebenso eine Darstellung dazu, was das inzwischen veröffentlichte NaO-Manifest derzeit leisten kann. Dieses „Manifest für eine Neue antikapitalistische Organisation“ ist noch kein fertiges Programm einer bundesweiten NaO, sondern eine gemeinsame politische Erklärung der beteiligten Gruppen. Die Gruppen SIB (Sozialistische Initiative Berlin), die GAM, die Jugendorganisation REVOLUTION, die SYKP (Partei für den sozialistischen Wiederaufbau), die ISL (Internationale sozialistische Linke), der RSB (Revolutionär Sozialistischer Bund) und die SOKO (Sozialistische Koordination) unterstützen dieses Manifest in seiner generellen Linie und legen dies als Diskussionsangebot der radikalen Linken in Deutschland vor.

Einige Zeit wurde im NaO-Prozess darüber diskutiert, ob wir überhaupt so etwas bräuchten bzw. ob wir nicht eigentlich gleich ein endgültiges revolutionäres Programm vorlegen müssten und gar keinen Zwischenschritt bräuchten und somit die Erarbeitung des Programms durchaus noch mehrere Jahre andauern könnte. Allerdings beteiligten sich einige Gruppierungen im NaO nicht wirklich an der programmatischen Diskussion, lehnten die jetzige Grundlage ab und trennten sich vom NaO-Prozess.

Eine Umgruppierung besteht aus verschiedenen Spektren, die unter gewissen Bedingungen eine gemeinsame politische Linie und Praxis entwickeln wollen. Daraus kann eine revolutionäre Kraft mit einem revolutionären Programm werden, doch das kann nicht als (Vor)Bedingung an jede einzelne Phase der Umgruppierung gestellt werden, dies muss sich entwickeln.

In ihrem Selbstverständnis würden sich wahrscheinlich fast alle Gruppierungen der radikalen Linken als revolutionär bezeichnen, allerdings haben die wenigsten davon die Möglichkeit, ihre revolutionäre Methode und Praxis in der Klasse zu testen bzw. auch nur die offensichtlich nicht-revolutionären Kräfte heute herauszufordern.

Dementsprechend kann eine Umgruppierung anfangs nur den ersten Schritt, eine Verständigung über analytische und praktische Gemeinsamkeiten zum Ziel haben. Daher ist dieses Manifest auch ein Angebot an alle AntikapitalistInnen und linken AktivistInnen, es mit uns zu diskutieren und mit uns eine gemeinsame Praxis zu entwickeln.

Ziel des NaO-Prozesses ist es, eine revolutionäre antikapitalistische Kraft links der Linkspartei zu etablieren. Dies kann jedoch nicht per Deklaration geschehen - es muss in Diskussionen und durch eine konsequente Praxis erreicht werden. Dazu aus der Einleitung des Manifests: „Dieses Manifest ist keine Gründungserklärung für eine bundesweite Neue Antikapitalistische Organisation (NAO), sondern ein erster Schritt zu einer späteren Organisation. Mit dem Prozess einer gemeinsamen praktischen Arbeit und theoretischen Diskussion wollen wir einen Beitrag leisten, die Zersplitterung der anti-kapitalistischen und revolutionären Kräfte in Deutschland zu überwinden.“

Eine revolutionäre Organisation bildet sich im theoretischen und praktischen Kampf gegen die vorherrschenden politischen Strömungen in der Klasse heraus, in Deutschland heute gegen die Spielarten des Reformismus (Linkspartei, Gewerkschaften, attac usw.) und kleinbürgerliche post-autonome Strömungen wie „Interventionistische Linke“ oder „Ums Ganze“.

Die letzte erfolgreiche revolutionäre Umgruppierung in Deutschland liegt schon länger zurück. Mit der Fusion von KPD und dem linken Teil der USPD entwickelte sich die KPD zu einer wirklichen Massenpartei auf einem revolutionären Programm und als Teil der 3. (kommunistischen) Internationale.

Was das Manifest bietet

Eine marxistische Krisenanalyse ist leichter gesagt, als getan. Aber die Krise seit 2008 in ihrer Bedeutung und Tiefe darzustellen, ist entscheidend - auch, weil große Teile der radikalen Linken deren Dimension nicht erkennt. Das Manifest schreibt dazu: „Doch die ‘Rettungsschirme’ konnten die Ursachen der Krise nicht beseitigen, sie haben sie vielmehr noch verschärft, weil wir es nicht nur mit einer ‘normalen’ zyklischen Überproduktionskrise, sondern mit einer andauernden strukturellen Verwertungskrise des Kapitals zu tun haben.  Die heutige ‘Schuldenkrise’ ist eine direkte Folge der Steuersenkung für die Reichen und der Bankenrettungen - einer ‘Finanzkrise’, die dadurch verursacht wurde, dass überschüssiges, anlagesuchendes Kapital in den Finanzsektor floss und die Spekulationsblasen nährte, die dann platzten.“

Danach wird auch die forcierte Konkurrenz des Großkapitals untereinander beschrieben, wie auch die Notwendigkeit für das internationale Kapital, einen massiven sozialen Angriff auf die Arbeiterklasse zu führen. Diese Krise kann nämlich nicht durch „billiges“ Geld der Zentralbanken gelöst werden. Im Gegenteil: das bereitet nur dem nächsten Einbruch den Boden.

Die aktuellen Großorganisationen der Arbeiterklasse hatten und haben diesem Angriff nichts Substantielles entgegen zu setzen. In Griechenland konnten auch über 30 (begrenzte) Generalstreiks den Angriff durch EU, Kapital und Staat nicht stoppen, wie auch auf europäischer Ebene kein gemeinsamer Widerstand stattfindet.

Die Gewerkschaften und Parteien des Reformismus versuchen, ihre Standortpolitik zu retten, sie agieren als „Mitverwalter“ der Krise, betreiben somit aktiv die Spaltung der europäischen Klasse und spielen damit auch den aufstrebenden rechtspopulistischen und faschistischen Organisationen in die Hände.

Aus diesem objektiven Faktor der Kräfteverhältnisse erwächst auch die Umgruppierung/Neugruppierung der radikalen revolutionären Linken als notwendige Aufgabe in dieser imperialistischen Krise.

Ein klares Bekenntnis zum Klassenstandpunkt

Inzwischen zeichnet sich manche „moderne“ radikale Linke schon dadurch aus, dass Lohnabhängige für sie kein Bezugspunkt mehr sind. Die Abkehr von der Klassenanalyse dieser Gesellschaft wird als methodischer Fortschritt gesehen, das Gegenteil ist der Fall. Das Manifest dazu: „Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die Menschen, die im Kapitalismus gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, auch diejenigen sind, die die potenzielle Macht haben, eine solche Umwälzung zustande zu bringen. Nur die Klasse der Lohnabhängigen hat aufgrund ihrer Stellung im Produktionsprozess und ihrer Größe die Möglichkeit, dieses System lahm zu legen und damit eine revolutionäre Entwicklung einzuleiten. Dies trifft gleichermaßen sowohl auf (Büro-)Angestellte, Erwerbslose und Reinigungskräfte wie z.B. auf IngenieuerInnen zu. Sie können durch ihren Kampf (Streiks, Generalstreiks, Aufstände, Revolution) genügend ökonomischen Druck aufbauen, um die Herrschenden in die Knie zu zwingen. Mit diesen Kämpfen wollen wir uns verbinden und sie radikalisieren.“

Dabei vergessen wir nicht die zahlreichen Spaltungslinien, die in der Klasse existieren, oder die  verschiedenen Ideologien, die derzeit vorherrschend sind und eben nicht auf Rätesystem und Revolution ausgerichtet sind. Aber gerade da sehen wir die Notwendigkeit einer politischen Organisation, die versucht, das zu ändern und eben nicht bei der passiven Zustandsbeschreibung stehen bleibt.

Sehr wichtig dabei ist auch die Arbeit in den Gewerkschaften, wozu sich die Gruppen in der NaO auch klar bekennen. Das Manifest sagt hierzu: „Deshalb kritisieren wir die Orientierung der deutschen Gewerkschaften auf ‘Sozialpartnerschaft’ und ‘Standortsicherung’. Dennoch sind die Gewerkschaften als VerteidigerInnen der unmittelbaren Interessen der abhängig Beschäftigten nicht zu ersetzen - dass wir in ihnen arbeiten, ist für uns selbstverständlich. Allerdings kämpfen wir dort für einen Kurswechsel: Mut zum Konflikt, Aneignung der Arbeitskämpfe durch die Belegschaften, vollständige Demokratie und Transparenz in den Organen der Interessenvertretung auf allen Ebenen.“

Diese Positionierung ist wichtig für die deutsche Linke, in der viele Teile sich von den Gewerkschaften abgewandt haben, sich in passiver Kritik üben, aber nicht versuchen, etwas am politischen Kräfteverhältnis in den Gewerkschaften zu ändern. Auch die LINKE hat sich inzwischen in der Bürokratie verankert und hat dort verschiedene Posten. Sie hat jedoch keine politische Alternative zur SPD-Dominanz im DGB aufgebaut, sondern sich höchstens als dynamische Kraft des Apparats dargestellt. Das Ansinnen der NaO-Gruppen ist es, der reformistischen Dominanz in den Gewerkschaften etwas entgegen zustellen, eine Basisopposition aufzubauen, die der Standortpolitik und dem Co-Management eine wahrnehmbare Alternative entgegen stellt.

Revolutionärer Bruch

Gegenüber allen Hegemonie- oder Transformationsmodellen stellt das Manifest klar: „Auch in schwersten Krisen ist der Kapitalismus nicht ‚von alleine' zusammengebrochen und wird uns diesen Gefallen auch in Zukunft nicht tun. Ohne ‚bewusste geschichtliche Tat' keine nicht-kapitalistische Gesellschaft. Denn noch nie ist eine herrschende Klasse freiwillig abgetreten - die Reichen und Mächtigen werden es weder ‚übersehen' noch akzeptieren, dass ihnen ihre Eigentumsordnung(und ihr Staat) irgendwie ‚wegtransformiert' wird, sondern sich mit allen, auch und gerade gewaltsamen Mitteln dagegen wehren.“

Hier findet sich auch ein Bekenntnis zu einer demokratischen Planwirtschaft, welche sich von der bürokratischen Kommandoplanung des Stalinismus unterscheidet und real den Fähigkeiten und Bedürfnissen der Menschen gerecht werden kann. Die Benennung der Planwirtschaft im Gegensatz zur heutigen kapitalistische Anarchie der Produktion ist wesentlich für eine revolutionäre antikapitalistische Linke.

Das Manifest spricht sich auch klar für eine Rätedemokratie aus:

„Rätedemokratische Strukturen können nur aus Klassenkämpfen erwachsen, nur in Phasen großer Aktivität der Unterdrückten und Ausgebeuteten entstehen. Sie verweisen auf eine andere Form der gesellschaftlichen Organisation, die mit dem Privateigentum an Produktionsmitteln und der bürgerlichen Herrschaft unvereinbar ist.

Die Rätedemokratie einer zukünftigen Gesellschaft wird unvergleichlich demokratischer sein als die bestehende Gesellschaft, weil die Gesellschaftsmitglieder nicht nur aktiv als ProduzentInnen einbezogen werden, sondern vor allem auch über die Prioritäten und den Zweck der Produktion und aller gesellschaftlichen Prozesse bestimmen.“

Diese Punkte beziehen sich klar auf einen revolutionären Arbeiterstaat und wie dieser entstehen kann - nach unserem Verständnis wichtige Bezugspunkte der Diktatur des Proletariats. Die Betonung von Planwirtschaft und Rätedemokratie ist fest mit der kommunistischen Bewegung verbunden, ebenso ein Verständnis eines revolutionären Internationalismus, wie er im Manifest erwähnt ist: “‘Hände weg vom Iran’ ist nicht gleichbedeutend mit der Verteidigung des Mullah-Regimes. Die arabischen Revolutionen waren und sind legitime Massenbewegungen gegen ‘ihre’ Despoten. Zugleich gilt es, gegen den wachsen-den Einfluss von reaktionären pro-imperialistischen oder islamistischen Kräften bis hin zu proto-faschistischen zu kämpfen. Wir wollen dazu einen Betrag leisten durch aktive Unterstützung der sich formierenden ArbeiterInnenbewegung wie z.B. unabhängiger Gewerkschaften, der Frauenbewegung und v.a. der sozialistischen Linken.

Im Rahmen unserer Möglichkeiten werden wir uns aktiv an Diskussionen und Initiativen zur Schaffung einer neuen kämpferischen und demokratischen Internationalen beteiligen.“

Dieser Internationalismus wäre für die deutsche radikale Linke ein enormer Fortschritt, denn gerade auf diesem Feld herrscht bei großen Teilen Konfusion, die sich entweder in Unterstützung des Imperialismus ausdrückt (z.B. Teile des UG-Bündnisses) oder in der Verteidigung der Regime Gaddafis oder Assads.

Wir werden im NaO-Prozess auch die anstehenden EU-Wahlen zum Thema machen, um dort eine sozialistische Perspektive für Europa zu entwerfen. Während derzeit v.a. die rechten Kräfte von der EU-Krise profitieren, streitet sich die Linkspartei darüber, ob die EU denn als „militaristisch und neoliberal“ bezeichnet werden darf - irgendeine Alternative zum Europa des Kapitals wird nicht benannt. Dabei zeigen auch gerade die Proteste und Klassenkämpfe in der EU in den letzten Jahren, dass hier ein großes Potenzial für eine europaweite antikapitalistische Orientierung liegt.

Was das Manifest nicht bietet

Das Manifest ist noch kein fertiges Programm, es ist eine Grundsatzerklärung, welche politische Richtung wir jetzt als NaO darstellen. Es hat noch keinen wirklichen Programmcharakter wie z.B unser Aktionsprogramm , in dem wir konkret für verschiedene Kämpfe und Bewegungen Forderungen aufstellen, Taktiken benennen und eine programmatische Antwort und Perspektive geben. Davon ist das Manifest noch weit entfernt. Diesen Mangel zu überwinden, Forderungen für aktuelle Kämpfe zu entwickeln und diese praktisch einzubringen wird eine wichtige Aufgabe im anstehenden NaO-Aufbau sein.

Es gibt noch genügend offene Diskussionspunkte: der Charakter bzw. die Lösung der Frauenunterdrückung im Kapitalismus, ob es eine Demokratie an sich geben kann (ohne Klassencharakter), welche Vorschläge wir für die radikale Linke in anderen europäischen Staaten entwickeln (z.B. für Griechenland) etc. Das werden wir weiter miteinander diskutieren, so wie wir  das auch bisher beim Manifest schon solidarisch getan haben. Dazu sagt das Manifest: „Gleichwohl geschieht der von uns vorgeschlagene Aufbruch aus dem Zirkelwesen hin zu einer gesellschaftlich wahrnehmbaren radikal linken Kraft nicht voraussetzungslos. Die bislang im NAO-Prozess Versammelten verbinden wichtige programmatische Einsichten, die uns von anderen Strömungen trennen.

Unsere bisherigen Erfahrungen in diesem Prozess sind trotz aller Probleme und weiter bestehender Differenzen positiv: Es ist nicht nur erfolgversprechender, sondern macht auch mehr Spaß, das Gemeinsame zu suchen, anstatt das Trennende zu pflegen.“

Der aktuelle Stand im NaO-Aufbau

Nach der Veröffentlichung des Programmatischen Manifests wurde am 15.2. die NaO Berlin gegründet. Schon davor gründete sich die NaO in Potsdam. In Berlin ging der Gründung die Teilnahme am Schulstreik für die Refugees voraus, wie auch die gemeinsame Pressekonferenz mit Ken Loach und Paul Laverty zur Krise in der EU und den Möglichkeiten der antikapitalistischen Linken in Europa.

In Berlin haben dann GenossInnen der GAM, der SIB, der ISL, von Revolution und der SYKP gemeinsame Arbeitsschwerpunkte besprochen und beschlossen. Wir wollen mit anderen Kräften gemeinsam eine internationalistische Solidaritätsarbeit voran bringen, im Herzen der imperialistischen Bestie wollen wir Widerstand aufbauen. Beim revolutionären 1. Mai wollen wir ein starkes internationalistisches Zeichen setzen, wie auch bei den dezentralen Aktionstagen von Blockupy rund um den 17.5. Ebenso werden wir in Berlin weiter die Mobilisierungen der Refugees unterstützen und versuchen, die Unterstützerkreise zu verbreitern. Wir werden Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit besprechen und mögliche Interventionen bei der Tarifrunde des Öffentlichen  Dienstes in den Ländern vorbereiten. Auch zum Internationalen Frauentag wird die NaO Berlin eine gemeinsame Veranstaltung durchführen und sich an der Demonstration beteiligen.

In Stuttgart, Kassel, Köln, Halle und Hamburg gab bzw. gibt es erste Treffen von UnterstützerInnen und Interessierten, welche sich mit dem Programmatischen Manifest beschäftigt haben und weitere erste Schritte planen.

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Nr. 187, März 14
*  Ukraine: Gegen den reaktionären Putsch!
*  Bosnien: Beginn einer neuen Arbeiterrevolution?
*  Bericht der Solidaritätsdelegation nach Bosnien
*  Linkspartei: Europa aus der Sicht der ostdeutschen Kleinstadt
*  Neue anti-kapitalistische Organisation (NaO): Wichtige Erfolge
*  Energiepolitik: Die Wende nach der Wende
*  Heile Welt
*  Pakistan/Belutschistan: Kampagne für die "Verschwundenen"
*  Tarifrunde Öffentlicher Dienst: Klassen -oder Kassenfrage?
*  Schul- und Unistreik in Berlin: Refugees are welcome!
*  "Tarifrechtsreform" der Regierung: Ein Angriff auf das Streikrecht