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Mai-Aktionen 2012

Ein Startsignal für den Widerstand!

Tobi Hansen, Neue Internationale 169, Mai 2012

Das letzte Jahr war von zunehmenden Klassenkämpfen weltweit geprägt, vom Arabischen Frühling, den Occupy-Protesten, den Assambleas der „Empörten“ und den Massenprotesten in Südeuropa gegen die Sparangriffe. Nach den letzten Anti-Krisen-Protesten hierzulande 2010 hat sich die politische und ökonomische Krise innerhalb der EU verschärft, mit vielen Verlierern und einem Hauptgewinner: dem BRD-Imperialismus.

Deswegen ist es wichtig, dass es eine neue Massenmobilisierung gibt. Am 12. Mai wird Occupy zu internationalen Protesten aufrufen: vom 16.-19.5. ein breites Spektrum zu Blockaden und Protesten in Frankfurt/M., direkt vor den Türen der EZB und dem Frankfurter Bankenviertel. Es ist wichtig, dass diese Proteste zu einem neuen Startschuss für eine Anti-Krisenbewegung in der BRD werden.

Widerstand ist notwendig

In Griechenland, Spanien, Portugal, Irland, Italien, Rumänien und Großbritannien wird die „Zukunft“ der EU jetzt Realität. Mit aggressiven Kürzungen im Öffentlichen Dienst und bei den Sozialausgaben, mit Privatisierungen und dem Abbau sozialer und demokratischer Rechte soll die Wettbewerbsfähigkeit wiederhergestellt werden. So muss Griechenland nach den Worten von Kommissionschef Barroso seine Lohnstückkosten um 15% senken, um wieder konkurrenzfähig zu sein.

Wer das vorgibt ist deutlich: die Troika und die EU-Bürokratie folgen maßgeblich den Befehlen aus Berlin - das deutsche Kapital betreibt Kahlschlag im unterworfenen Wirtschaftsraum. Dabei wurden auch zwei Regierungen ausgetauscht, in Athen und Rom dürfen jetzt die technokratischen Vollstrecker Papademos und Monti die Sparangriffe umsetzen. Dahinter versammeln sich die meisten bürgerlichen und reformistischen Parteien in beiden Staaten. Auch diese Coups zeigen das Ausmaß der Krise, aber auch die Stärke der BRD und der EU-Bürokratie zur Umsetzung ihrer ökonomischen Interessen.

Während in der EU Millionen in die Armut getrieben werden, in einigen griechischen Großstädten der Anteil von Menschen ohne jedes Einkommen auf über 20% gestiegen ist, wurde dem EU-Finanzkapitalmarkt ein Rettungsschirm in Billionenhöhe zugeschanzt.

Es reicht nicht, diesem europaweiten Angriff von Kapital und Staat nur national isolierten Widerstand entgegen zu setzen. So heroisch die griechische Arbeiterklasse und Jugend auch versuchen, die Angriffe zu verhindern, so sehr behinderte den Widerstand die fehlende revolutionäre Führung und Programmatik und die nationale Isolation des Kampfes. Der nationalistischen und rassistischen Hetze der der Herrschenden müssen wir mit Internationalismus und Solidarität begegnen!

Die Aktionen am 31. März in vielen europäischen Staaten, der Erste Mai sowie die Mobilisierungen am 12. Mai und danach in Frankfurt bieten die Möglichkeit, die vielen AktivistInnen des Widerstands zu vereinen und einen europäischen Massenwiderstand aufzubauen.

In den letzten Jahren waren die Spitzen der DGB-Gewerkschaften damit beschäftigt, die Firmen und Deutschland durch die Krise zu retten; die Reallöhne fielen, Arbeitsplatzvernichtung wurde fast widerstandslos hingenommen, ebenso die Ausweitung von Leiharbeit und Niedriglöhnen. Angesichts der verbesserten Konjunktur und des Drucks mancher Belegschaften, müssen jetzt auch die Gewerkschaftsführungen mehr fordern. Das ist gut so. Doch wir wollen nicht vergessen, dass dabei eine politische Abrechnung mit der Regierung nicht gesucht wird, vielmehr wollen die BürokratInnen in den Chefetagen des DGB ihr Image bei den KollegInnen aufbessern, ohne Kapital und Kabinett zu sehr in Verlegenheit zu bringen.

Mit den Gewerkschaften Widerstand aufbauen!

Der Regierung Merkel haben sie jahrelang den Rücken freigehalten, die Bankenrettung wurde unterstützt. Jetzt, wo die Massen für die Milliarden aufkommen sollen, wird um sozialen Ausgleich gebettelt. Der Kampf gegen die Rente mit 67 wurde fallengelassen und Merkels Diktat gegen die anderen europäischen Länder, den gleichen Weg zu gehen, wurde unterstützt. Die Forderung der DGB-Spitzen, der Bundestag solle dem „Rettungs“paket für Griechenland zustimmen, hieß zugleich dort für Lohn- und Rentenkürzungen einzutreten.

Statt die geschwächte Bundesregierung mit einer klinisch toten FDP zu stürzen, rühmen die GewerkschaftsführerInnen den „Einsatz der ArbeitnehmerInnen“ in der Krise und beklagen, dass der Respekt dafür ausgeblieben sei. Für die Krise der Kapitalisten haben die ArbeiterInnen auf Lohn verzichtet und die Gewerkschaften auf ernsthafte Mobilisierung gegen die Krise. Jetzt wundern sich die DGB-Spitzen über ausbleibende Dankbarkeit und neue Angriffe.

Ja, es ist richtig, dass überhaupt wieder um Lohn und Gehalt gekämpft wird, aber wenn wir nicht zugleich dafür kämpfen, dass sich die Gewerkschaften ändern, liegen sie in der nächsten Krise genauso auf dem Bauch wie in der letzten.

Die besondere Erbärmlichkeit der DGB-Fürsten besteht darin, eine der größten und bestorganisierten Arbeiterklassen auf dem Globus als verzagt und ohne Selbstbewusstsein zu präsentieren und zu repräsentieren. Nicht willens, Kämpfe zu führen, auszuweiten und zu vernetzen, degradieren sie sich und die Gewerkschaftsbewegung zu Bittstellern und servilen Dienern, die dem Herrn zur Hand gehen, wenn dieser stolpert. Die kämpfenden Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern wurden von DGB, IG Metall und ver.di schmählich im Stich gelassen.

Jammern gilt nicht!

Natürlich sind auch in Deutschland Teile der Arbeiterklasse kampfbereit. Das zeigen die ersten Warnstreiks und Proteste. Für alle, die den Kurs der Gewerkschaftsführungen kritisieren, die unzufrieden sind mit SPD und Linkspartei, die nur verbal die Regierung kritisieren ohne zu handeln, gilt es, selbst die Initiative zu ergreifen!

Es gilt, die Streikbewegungen zu stärken und zu politisieren und mit den Kampagnen gegen die Banken, mit Occupy und Anti-Acta zusammenzuführen und eine Anti-Krisen-Bewegung zu entwickeln, die mehr als protestieren kann.

Es gilt, den DGB aufzufordern, seine eigenen Forderungen ernst zu nehmen! Das darf jedoch keinen daran hindern, selbst mit weitergehenden Forderungen zu mobilisieren:

Weg mit der Leiharbeit! Übernahme in unbefristete Arbeitsverhältnisse!

Mindestlohn für alle sofort! Der DGB fordert 8,50 Euro, wir schlagen 11 Euro netto vor: Entscheiden sollen Ausschüsse von ArbeiterInnen, die davon leben müssen!

Volle Rente mit 60!

Weg mit den Hartz-Gesetzen! Mindestrente und Mindestarbeitslosengeld in Höhe von 1.600 Euro pro Monat!

Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Keine Privatisierungen, keine Entlassungen! Für ein Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten unter Arbeiterkontrolle, finanziert aus den Profiten der Konzerne und Besteuerung der Reichen!

Nein zu den Diktaten von EU und IWF und zur Schuldenbremse! Streichung der Staatsschulden (bei Entschädigung der kleinen Anleger)!

Die Reichen sollen zahlen! Abschaffung der Massensteuern! Progressive Besteuerung von Gewinnen, Kapital und Reichtum!

Entschädigungslose Verstaatlichung der Banken und Zusammenlegung zu einer Zentralbank - unter Kontrolle der Beschäftigten, Gewerkschaften und lohnabhängigen KundInnen!

Eine solche Kampagne zur Mobilisierung gegen Regierung und Unternehmer kann die DGB-Fürsten unter Druck setzen. Sie ersetzt aber nicht den Kampf für eine neue Führung in den Gewerkschaften. Mit Sommer, Huber und Bsirske kann eine Wende für die Arbeiterbewegung nicht gelingen. Sie und ihre Seilschaften müssen weg! Das ist kein Problem von Personen, sondern von Politik und Strukturen. Wir brauchen einen Bruch mit dem Kapital, seiner Regierung und der Sozialpartnerschaft - nur so können die Interessen der Klasse effektiv vertreten werden.

Wir brauchen Aktionen, die die Arbeiterklasse wieder in Bewegung bringt. Nur im Kampf werden die Organisierung, die Solidarität und das Selbstbewusstsein wieder aufgebaut und gestärkt. Nur durch gemeinsames Handeln kann das Gift bekämpft werden, dass jede Beschäftigtengruppe nur noch nach ihren eigenen Interessen schaut - ein Gift, das die heutigen Führungen durch ihre Politik verbreitet haben.

Dazu müssen wir uns in den Betrieben und an der Gewerkschaftsbasis organisieren - als eine oppositionelle, klassenkämpferische Basisbewegung, die eine Alternative zu den heutigen sozialdemokratischen Führungen und ihre Politik darstellt. Eine solche Bewegung würde uns in die Lage versetzen, die Gewerkschaftsführungen zur Aktion zu zwingen und selbstständig zu agieren, wenn die Bürokratie bremst oder sabotiert. Sie wäre zugleich der Kern einer neuen, alternativen Führung, so dass die Gewerkschaften zu einem Instrument des Klassenkampfes werden.

Damit im Zusammenhang muss auch eine neue revolutionäre Arbeiterpartei aufgebaut werden, die willens und in der Lage ist, den Kapitalismus zu stürzen und dafür die Arbeiterklasse zu gewinnen.

Die Strategie und Taktik der führenden politischen Kräfte für die Mai-Mobilisierungen ist wenig geeignet, um eine antikapitalistische, kämpferische Perspektive zu geben. Von Attac, der Interventionistischen Linken (IL), von Linkspartei und DGB oder von Occupy und der „Direkten Demokratie“ wird keine konkrete Alternative für diesen „Krisen-Kapitalismus“ formuliert.

Welchen Widerstand brauchen wir?

Während Attac den Kapitalismus regulieren will, im IL-Spektrum zwar viele den Kapitalismus „abschaffen“ wollen, aber leider wenig dazu sagen, wie das passieren soll, werden gleichzeitig Illusionen in parlamentarische Demokratie und die Reformierbarkeit des Kapitalismus geschürt.

Während viele aus der Occupy-, Indignado- und Demokratie-Bewegung berechtigte Forderungen an die „Demokratie“ stellen und diese Demokratie auch in Frage stellen, versuchen die „Strategen“ von Attac, der LINKEN und Co. der Machtfrage auszuweichen.

Dabei wird diese Frage von der herrschenden Klasse derzeit täglich beantwortet: sie drückt Angriff um Angriff gegen die Beschäftigten durch und positioniert so die EU im globalen Konkurrenzkampf gegen die USA und China - durch Lohnsenkung, Sozialkürzung und Privatisierung.

So wie die Volkswirtschaften in den betroffenen Staaten derzeit umstrukturiert werden, so stellt das deutsche Kapital die Zukunft der EU vor - massive Kürzungen auf der einen Seite und massive Bürgschaften auf der anderen Seite. Damit bleiben die Märkte fürs deutsche Exportkapital zahlungsfähig, können weiterhin für Extraprofite sorgen, während gleichzeitig die Beschäftigten, RentnerInnen und Jugendlichen die Kosten der Sparpakete und Bürgschaften tragen müssen.

Dieser Kapitalismus ist nicht reformierbar, in der aktuellen Krise zeigt dieses System, dass es keine Perspektive mehr bietet - außer die Profitinteressen des Kapitals gegen die 99% durchzusetzen.

Strategiedebatte

Daher braucht der Widerstand eine programmatische Auseinandersetzung darüber, was unsere Alternative zum Kapitalismus ist, wie wir für einen Sozialismus im „21. Jahrhundert“ kämpfen können!

Die „radikale“ Linke braucht dazu eine organisierte politische Auseinandersetzung und Diskussion. Eine solche wollen wir mit allen Gruppierungen führen, die sich als sozialistisch, antikapitalistisch, kommunistisch oder revolutionär begreifen, um so gemeinsam den Kampf voran zu bringen und in eine organisierte Debatte darüber einzutreten, welche Art von Organisation, welche Partei und Internationale wir brauchen!

Um eine Gesellschaft zu schaffen, deren Betriebe und Verwaltungen durch die Mehrheit, durch die Organe der Arbeiterklasse geführt werden, muss der Kapitalismus überwunden, der bürgerliche Staat zerschlagen und durch eine Rätedemokratie ersetzt werden, in dem die Lohnabhängigen herrschen. In den aktuellen Auseinandersetzungen, die nach den Wahlen in Griechenland am 6. Mai einem neuen Höhepunkt zustreben, müssen wir die Perspektive eines revolutionären Programms entwickeln, eines Programms, das tatsächlich den Widerstand in Europa vereint und für die Perspektive eines sozialistischen Europa kämpft!

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Nr. 169, Mai 2012
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