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Wahl im Saarland

Große Koalition im kleinen

Hannes Hohn, Neue Internationale 168, April 2012

Nach dem Platzen der ersten Jamaika-Koalition aus CDU/FDP und Grünen musste im Saarland ein neuer Landtag gewählt werden. Nachdem CDU und SPD sich schon vorher für eine Große Koalition ausgesprochen hatten, ging es eigentlich nur noch darum, wer von beiden stärkste Partei im kleinsten deutschen Bundesland wird.

Die Ergebnisse

Die Wahl fiel dann klarer aus, als erwartet. Die CDU wurde mit 35,2% (+1,7) stärkste Partei. Trotz des Zuwachses von 5,1%  reichte es für die SPD nur zu 30,6%. Einbußen verbuchten die LINKE mit 16,1% (-5,2) und die Grünen mit 5% (-0,9), die damit gerade so den Wiedereinzug in den Landtag schafften.

Angesichts der Krise im Euro-Raum und der wachsenden sozialen Schieflage in Deutschland ist es bemerkenswert, dass die LINKE davon nicht profitieren oder wenigstens ihren Standard halten konnte. Doch wie schon in anderen Wahlen zeigte sich auch im Saarland, dass die Linkspartei mit ihrer Orientierung auf Parlamentarismus und Mitregieren und ihrer Inaktivität in punkto Klassenkampf und Mobilisierungen nicht in der Lage ist, neue Schichten an sich zu binden, ja dass sie sogar viele AktivistInnen abstößt. Neuere Themen wie die Frage von User-Rechten im Internet haben sie verschlafen und den Piraten überlassen. Auch ihre Kritik an der SPD ist weder grundsätzlich noch besonders ambitioniert, so dass es ihr nicht gelingt, politisch gegenüber der SPD zu punkten. Einer Linkspartei als nur wenig linkerer Kopie der SPD ziehen viele WählerInnen daher das Original vor, die ja immerhin reale Chancen auf einen Wahlsieg hat.

Wichtige Parameter - Mitgliederzahl, Altersschnitt, Wahlergebnisse, Rolle in Mobilisierungen, Programm - deuten eher darauf hin, dass die Linkspartei ihren Zenit überschritten hat.

An der Saar gab es einen großen Verlierer und einen großen Gewinner. Die Liberalen erlebten mit 1,2% - ihr schlechtestes Abschneiden in einer westdeutschen Landtagswahl - ein totales Desaster. Ihr Verlust von 8%, d.h. über 80% (!) ihrer Stimmen, zeigt, dass der Niedergang der FDP immer bedrohlichere Dimensionen annimmt.

Der große Gewinner waren erneut die Piraten, die mit 7,4% aus dem Stand den Einzug ins Saar-Parlament schafften. Bemerkenswert an ihrem Ergebnis ist erneut, dass sie v.a. jüngere WählerInnen (darunter viele Erst- und NichtwählerInnen) anzog und von CDU, SPD und der LINKEN je 15% abzogen. Lt. Umfragen wählten die meisten Leute Piraten jedoch nicht wegen deren Politik und Programmatik (die den meisten Menschen wie auch der Partei selbst nicht besonders klar sein dürften), sondern aus Enttäuschung über die etablierten Parteien. Das verdeutlicht eine wachsende Enttäuschung über die bürgerliche Demokratie und deren traditionelle Parteien.

Daher lassen sich die Piraten auch nicht auf die Themen „Transparenz/Internet“ reduzieren, sondern sie sind derzeit die neue „Alternative“ und können dadurch sogar mit Glaubwürdigkeit massiv punkten. Dies tun sie allerdings nur mit dem ältesten Trick des Parlamentarismus nach dem Motto „Wir sind neu und nicht so verbraucht wie die etablierten Parteien“. Zudem sind sie programmatisch so „flexibel“, dass sie für die Schuldenbremse und einen kostenlosen Nahverkehr eintreten, also die Gefahr einer Enttäuschung über ihr Programm minimieren. Insofern spielen auch Illusionen in Parlamentarismus, Bürgerbeteiligung und Transparenz in der bürgerlichen Demokratie eine wichtige Rolle für den Wahlerfolg der Piraten.

Dass die CDU gewann und mit Annegret Kramp-Karrenbauer die neue alte Ministerpräsidentin stellt, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Union ihren Sieg v.a. der Wählerwanderung von der FDP zur Union verdankt, ohne die auch sie deutlich an Stimmen verloren hätte.

Welche Regierung?

Theoretisch käme neben der Großen Koalition auch eine rot/rote Regierung in Frage. SPD und LINKE hätten eine hauchdünne Mehrheit mit 26 von 51 Sitzen im Landesparlament. Linken-Spitzenkandidat Lafontaine ist auch mit dieser Zielstellung ins Rennen gegangen und hat die SPD auch nach der Wahl dazu aufgefordert. Dass SPD-Chef Heiko Maas das grundsätzlich ablehnt, zeigt, dass die SPD an einer „anderen Politik“ - selbst im reformistischen Sinne - absolut nicht interessiert ist. Schon vor der Wahl hatte er erklärt, dass es keinen Weg vorbei gebe an der Sanierung des Haushalts und einer Schuldenbremse, also der Abwälzung der Schuldenlast auf die Massen statt einer stärkeren Belastung von Kapital und Reichtum. Zudem sollte die Große Koalition an der Saar auch ein Signal für die kommenden Bundestagswahlwahlen sein, wo es angesichts des Niedergangs der FDP für die Bourgeoisie kaum eine realistische Alternative zu einer Regierung aus CDU und SPD gibt.

Doch selbst wenn Rot/Rot zustande gekommen wäre, würde deren Politik nichts viel anders aussehen als in Berlin, wo die LINKE in zwei Legislaturperioden bewiesen hat, dass sie linke Phrasen sehr gut mit einer zuverlässigen Verwaltung der Krise und des Kapitalismus verbinden kann - auf Kosten der Lohnabhängigen und der eigenen WählerInnen.

Trotzdem mussten RevolutionärInnen SPD und die LINKE dazu auffordern, die Regierung zu stellen. Diese Position entspricht nicht nur der Tatsache, dass die Mehrheit der Arbeiterklasse (und fast der Wählerschaft insgesamt) auch im Saarland „links“ gewählt hat und entsprechend Illusionen in SPD und LINKE hat; sie ermöglicht es auch, die Reformisten in die Regierungsverantwortung zu zwingen und sie damit einem Test zu unterziehen, was ihre Versprechen in der Praxis wert sind. Die damit verbundene Möglichkeit, Teile der Lohnabhängigen, der Jugend, der Arbeitslosen und Armen vom Reformismus wegzubrechen, ist ein wichtiger Beitrag auch dafür, sie für eine revolutionäre Alternative zu gewinnen.

Insofern sollte die erneute Schlappe der Linkspartei - noch dazu unter ihrem Vorzeige-Promi Lafontaine - vor allem jenen Linken in der Linkspartei (u.a. SAV, ISL, MARX 21) zu denken geben, die immer noch glauben, dass die Mitarbeit in dieser Partei die Entwicklung eines klassenkämpferischen oder gar antikapitalistischen Potentials voran bringen könnte.

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Nr. 168, April 2012
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