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IG-Metall

Kampf statt Co-Management!

Frederik Haber, Neue Internationale 146, Februar 2010

Über die IG Chemie schüttelten gestandene MetallerInnen früher die Köpfe, wenn diese in die Tarifrunde gingen und mal wieder darauf verzichteten, überhaupt eine Forderung aufzustellen. Die Führung dieser Truppe ließ sich einfach vom Kapital vorrechnen, was es denn zu geben bereit wäre, und so kamen Ergebnisse ohne Diskussion und Kampf zustande.

Die kämpferischen Vertrauenskörper in der IG Metall empören sich seit Jahren, wenn mit schöner Regelmäßigkeit die Vorsitzenden oder Bezirksleiter öffentlich über Forderungen reden, ohne dass es ausreichend Zeit zur Diskussion in der Organisation gegeben hatte.

Sondierungsgespräche des Vorstandes

Jetzt hat die IG Metall all das noch übertroffen. Seit Monaten wurden hinter dem Rücken der Organisation "Sondierungs-Gespräche" geführt - ohne Forderungen und ohne Auftrag der Mitglieder. Sie laufen unter dem Titel „Beschäftigungssicherung“ und werden mit den Arbeit"gebern" geführt, die schon 100.000en die Arbeit genommen haben und derzeit planen, weitere 250-600.000 über die Klinge springen zu lassen. Allein in Baden-Württemberg gibt es bereits 50.000 Beschäftigte weniger in der Metallindustrie, über 30.000 LeiharbeiterInnen wurden schon entlassen.

Dort hat die Große Tarifkommission am 19. Januar diese Geheimverhandlungen rückwirkend gebilligt und der dortigen Bezirksleitung den Auftrag erteilt, dies weiterhin zu tun. Es gibt keine Forderung und auch keine organisierte Diskussion darüber.

Der Umstand, der das möglich gemacht hat, ist natürlich die Krise, in der die exportabhängigen Branchen, vor allem die Auto- und Zulieferindustrie sowie der Maschinenbau, besonders betroffen sind. Massive Kurzarbeit, Entlassung der LeiharbeiterInnen und befristet Beschäftigten, die ersten Insolvenzen und Überführungen von Belegschaftsteilen in Beschäftigungsgesellschaften sind die Folgen für Arbeiterklasse. Sie sind es aber vor allem deshalb, weil seitens der Führung der IG Metall alles getan wurde, um Widerstand zu dämpfen oder zu kanalisieren.

Die Krise war für die IG Metall nie eine Frage des kapitalistischen Systems, sondern immer nur die Folge der bösen Zocker und Banken sowie ihrer neoliberalen Sprachrohre wie Westerwelle oder Professor Sinn. Über die Metallindustrie ist in den Augen der Funktionäre die Krise wie ein böses Schicksal gekommen, zum Schaden der ArbeiterInnen wie der Unternehmer selbst. Folglich blähen sich Huber und Co. auf und reklamieren die Verlängerung der Kurzarbeit auf zwei Jahre und die Abwrackprämie als von ihnen durchgesetzte Rettungstaten für die ganze Branche.

Es wurden nicht nur keine Aktionen gegen Kapital und Regierung organisiert, sondern die Anti-Krisen-Demos vom 28. März letzten Jahres wurden aktiv bekämpft. Es gab keine Anstalten, die Kraft der Belegschaften, die kämpfen wollten, ja mussten, zu vereinen. Krise - damit muss jede Belegschaft selbst fertig werden. Wer es nicht schafft, hat eben Pech gehabt.

Bereits in einem Interview im Oktober hatte Huber angekündigt, dass die Tarifforderungen sehr niedrig sein würden, zwischen den Zeilen konnte man 1-3 Prozent heraus lesen. Aber auch das war nur als Drohung zu verstehen, wenn „die Beschäftigung nicht hält“. Jetzt liegt auf dem Tisch, was sich die Krisen-Co-Manager vorstellen, um Entlassungen weiter abzufedern:

Modell 28 mit Teillohnausgleich: Es geht um Arbeitszeitverkürzung auf die 28-Stunden-Woche. Allerdings nur als betriebliche Maßnahme, sozusagen als Kurzarbeit selbst bezahlt. Bisher ist es nach einem Tarifvertrag möglich, auf 30 Std. zu verkürzen - bei entsprechend weniger Bezahlung. Für die weiteren zwei Stunden möchte die IG Metall einen Teilausgleich.

Damit werden die Folgen der Krise, aber auch von Rationalisierung, auf die Beschäftigten abgewälzt. Trotz der im Vergleich zu anderen Lohnabhängigen relativ guten Einkommen in dieser Branche können viele eine Kürzung von an die 20%, die sie schon bei Kurzarbeit erlebt haben, nicht einfach verkraften.

Zudem verliert die Arbeitszeitverkürzung mit dieser Regelung ihre gewerkschaftliche und erst recht ihre gesellschaftliche Perspektive. Es geht nicht mehr darum, über alle Betriebe - und möglichst alle Branchen - hinweg die Arbeit zu verteilen und die Arbeitslosen wieder einzugliedern. Es geht nur noch darum, Leute länger im Betrieb zu halten, bevor bestimmte Arbeitsplätze endgültig wegfallen: Ein weiterer Schlag gegen die Arbeitslosen durch die Metall-Bonzen, die seit Jahren mit „Beschäftigungssicherung“ eine spalterische Grenze ziehen zwischen der Stammbelegschaft und den Arbeitslosen, die wieder herein möchten.

Leiharbeit regulieren: Bereits im letzten Jahr hatte die IG Metall Baden-Württemberg ein Krisenpaket mit den Kapitalisten unter dem schönen Namen „TV KQB“ (Tarifvertrag Kurzarbeit, Qualifizierung, Beschäftigungssicherung) geschnürt. Dabei wurden die Aufzahlungen der Unternehmen auf das Kurzarbeitergeld neugeregelt (weniger, dafür über länger). Es wurde aber auch die Dauer für Befristungen deutlich ausgeweitet. Ein Signal an das Kapital: Wen immer ihr jetzt einstellt, ihr könnt ihn problemlos wieder entsorgen. Aber das Kapital will mehr. Ganz offen wird in der Gewerkschaft darüber geredet, dass die Unternehmer nach der Krise Einstellungen nur noch auf Leiharbeitsbasis wollen. Die Gefahr ist also bekannt. Die IGM hat das aber offensichtlich akzeptiert: Es soll nicht verhindert, sondern „reguliert“ werden. Es soll dann reguliert werden, wenn die IGM nach eigener Einschätzung am schwächsten ist, nämlich jetzt.

Qualität der Transfergesellschaften. Manchmal heißen sie Beschäftigungsgesellschaft, manchmal Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft, immer dienen sie zur Entsorgung der Beschäftigten, vor allem jener aus der Produktion. Wenn sich jetzt die IG Metall um die Qualität dieser Gesellschaften sorgt, dann heißt das, dass diese Anstalten nicht nur keine Hoffnung auf Beschäftigung geben können, sondern etliche auch dem Anspruch von Qualifizierung nicht im mindesten genügen. Aber das ist logisch: Wenn nirgendwo eingestellt wird, braucht auch keiner eine Qualifikation auf diese nicht vorhandenen Stellen. Im Grunde geht es darum, den KollegInnen, die sich über Jahre oft auch ohne Ausbildung eine Qualifikation erworben haben, die jahrzehntelang geeignet war, fette Profite für Daimler und Bosch zu erarbeiten, jetzt zu sagen: Ihr seid selbst schuld, dass ihr nichts Vergleichbares mehr findet.

Garniert wird das ganze mit der Forderung nach mehr Übernahmemöglichkeiten für Auszubildende. Aber was als Sorge und Engagement für die Jugend daher kommt, ist nur peinlich angesichts einer Politik der IG Metall, die sich fast nur um die (Stamm)belegschaft „kümmert“, LeiharbeiterInnen und bereits Entlassene aber links liegen lässt. Es ist nichst als Heuchelei, wenn man bedenkt, dass die IG Metall-Führung sich geweigert hatte, einen ernsthaften Kampf gegen die Rente mit 67 zu führen.

Kampf

Inhaltlich hat sich die Tarifpolitik seit Jahren verbetrieblicht. Es wurden immer mehr Möglichkeiten geschaffen, wie die Tarifverträge an die Bedürfnisse der Betriebe, also der einzelnen Kapitalisten, angepasst werden können. Jetzt wird eine ganze Tarifrunde nur noch zur Gestaltung betrieblicher Kriseninstrumente genutzt.

Die Festlegung von Arbeits- und Bezahlungsbedingungen für eine ganze Branche spielt praktisch keine Rolle mehr. Damit wird auch die Funktion der Tarifrunde, über die tägliche Zersplitterung in einzelne Betriebe hinaus, alle Mitglieder im gemeinsamen Kampf zu vereinen, völlig untergraben. Und das bei einem Thema - der Krise - das schon lange eine massive einheitliche Mobilisierung der Arbeiterklasse erfordert hätte.

Nicht aus Spaß, weil Demos schön sind. Sondern weil die Abwälzung der Krisenlasten letztlich zu  massenhaften Entlassungen, Stillegungen und Schleifen der Einkommensniveaus, zu einer historischen Niederlage der Gewerkschaften, insbesondere der IG Metall führt. Am Ende werden dann auch viele der jetzigen betrieblichen und gewerkschaftlichen Co-Manager einen Tritt bekommen.

Für alle, die den Weg der Hubers nicht mitmachen wollen, ist der Ansatzpunkt in dieser Tarifrunde die Arbeitszeitverkürzung. Als Thema steht sie auf der Tagesordnung. Als Perspektive muss sie verteidigt bzw. wieder erkämpft werden: Für alle Beschäftigten, mit Ziel der Ausweitung auf alle Branchen, zum Erhalt aller bedrohten Arbeitsplätze und zur Eingliederung der Arbeitslosen in die Betriebe zu tariflichen Bedingungen, mit vollem Lohn- und Gehaltsausgleich! 30 Stunden - bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Gegen den Verzicht auf Lohnerhöhungen treten wir für eine Erhöhung von 250 Euro für alle ein!

Bruch

Diese Perspektive erfordert einen Bruch mit dem „sozialverträglichen Abbau“, wie er auf betrieblicher Ebene derzeit vollzogen wird. Betriebe, die entlassen und abbauen wollen, müssen enteignet und unter Arbeiterkontrolle weitergeführt werden! Die Milliarden an Bankensubventionen und Kurzarbeitergeldern müssen zur Umstellung der Produktion auf gesellschaftlich nützliche Arbeiten unter Kontrolle der Belegschaften verwendet werden!

Als erster Schritt muss daher der Kurs der Bürokratie, ihre Strategie und die Taktik des Zurückweichens erst gar nicht zur Diskussion zu stellen, durchbrochen werden. In den Betrieben müssen Versammlungen der Gewerkschaftsmitglieder und der Beschäftigten abgehalten werden. Diese müssen die Führungen zur sofortigen Beendigung aller Geheimverhandlungen zwingen und selbst die Forderungen für die Tarifrunde festlegen sowie Streikleitungen und Tarifkommissionen wählen, die kämpfen wollen und unter der Kontrolle der Mitglieder stehen.

Weg mit den Co-Managern - wir brauchen eine klassenkämpferische Basisbewegung in den Gewerkschaften!

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Nr. 146, Februar 2010
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