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Konjunkturpakete I und II

Mogelpackung

Frederik Haber, Neue Internationale 136, Februar 2009

Die Richtung stimmt, die Reichweite nicht“ - so beurteilt die IG Metall das Paket 1. „Zu kleinkariert, zu spät!“ meint Gysi zu Paket Nr 2. Linkspartei und Gewerkschaften fordern natürlich mehr soziale Maßnahmen, sogar eine gewisse Umverteilung von oben nach unten, aber sie sind mit allen Parteien einig, dass die Stützung der Konjunktur nötig ist. Sie sind sich einig, dass „unsere Wirtschaft“ gerettet werden muss. Was bringen die Konjunktur-Pakete und werden sie die kapitalistische Wirtschaft wirklich retten?

Das erste Paket bestand aus 22 Milliarden, verteilt über vier Jahre, das zweite aus 50, verteilt über zwei Jahre sowie weiteren 100 Milliarden als Bürgschaften an Banken und Unternehmen. Inhaltlich bestehen diese Pakete aus unterschiedlichsten Maßnahmen. Das macht es allen Rettern „unserer Wirtschaft“ möglich, jeweils etwas Gutes zu finden und natürlich auch Bedenkliches, das man kompetent kritisieren kann. Die Bundesregierung klebt über diesen Teller Buntes noch ihre Perspektive: „Es kommt jetzt auf den Gemeinsinn an und den Zusammenhalt aller Kräfte in der Gesellschaft an, um Deutschlands Stärken gerade in der Krise voll zur Geltung zu bringen ... Betriebe und Behörden, Banken und Sparkassen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Verbände und Bürgerinitiativen sind aufgerufen, ihren Teil beizutragen.“

Die Unternehmen und Banken, die für diese Krise verantwortlich sind, bekommen Milliarden, damit sie das tun, was sie selbst gerne als ihre gesellschaftliche Aufgabe beschreiben: Kredite vergeben, Produkte entwickeln und herstellen, Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Mit zweistelligen Milliarden-Beträgen wurden einzelne Banken gerettet, jetzt gibt es noch Bürgschaften von 115 Milliarden, damit diese feinen Institute auch mal wieder Kredite vergeben, mit denen dann andere Firmen produzieren können. Diese bekommen auch noch direkte Subventionen, z.B. 500 Millionen an Forschungsgeldern für die Auto-Industrie, 450 für Klein- und Mittelbetriebe. Auch Steuererleichterung gibt es durch schnellere Abschreibungsregeln für Investitionen. Dazu kommt die indirekte Förderung der Auto-Industrie durch 1,5 Mrd. Euro Abwrackprämien für die Käufer neuer Autos. Auf diese Prämie ist die Führung der IG Metall besonders stolz.

Ebenfalls uneingeschränkt begrüßen die Gewerkschaften die Ausweitung der Kurzarbeit auf 18 Monate im Paket 1 und die Entlastung der Unternehmer im Paket 2. Diese bekommen bei Kurzarbeit die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge auch noch erstattet und sogar 100% bei Qualifizierungsmaßnahmen. Angesichts der Weigerung der Gewerkschaften den Krisen-Kapitalisten offensiv zu begegnen, die Öffnung aller Bücher, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und die Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle bei drohenden Entlassungen zu fordern, ist für die Beschäftigten in der momentanen Lage die Kurzarbeit das kleinere Übel. Für die Kapitalisten dagegen bedeutet es die Übernahme großer Teile der Lohnkosten finanziert aus der Arbeitslosenversicherung, also den Beiträgen der Arbeitenden. Der Regierung kostet all dies gar nichts und sichert ihr - so hofft sie - den sozialen Frieden, mindestens bis zur Bundestagswahl. Zusätzlich werden die Unternehmer bei der Krankenversicherung entlastet, die Arbeit“nehmer“ ebenfalls, aber sie haben bereits in den letzten zwei Jahren deutliche Erhöhungen hinnehmen müssen, während die Unternehmer bereits entlastet worden waren. Sozial? Fehlanzeige!

Die sozialen Wohltaten der Konjunkturpakete reduzieren sich also auf eine einmalige Prämie von 100 Euro für alle Kindergeldbezieher - sogar für „Hartzis“! Auch werden die Hartz IV-Sätze für 6-13jährige um 35 Euro im Juli erhöht. Steuersenkungen gibt es dann noch für alle: Die Progressionsstufen werden verschoben. Das heißt, dass z.B. der Grundfreibetrag um 170 Euro auf 7.834 erhöht wird, nächstes Jahr erneut. Jede dieser Verschiebungen bringt konkret jedem Betroffenen genau 25,50 Euro im Jahr. Doch dieses Geld haben die Steuerzahler längst gezahlt. So hat der Staat z.B. bei einer Inflation von 2% und einer Lohnerhöhung von 2% - also stabilem Realeinkommen - durch die steigenden Steuersätze genau dieses Mehr an Steuern abgegriffen, das sie jetzt zurückzahlen. Ein extra Mogelpäckchen also in der großen Mogelpackung.

Da kann selbst die IG Metall-Spitze nicht mehr jubeln, umso mehr aber bei den Investitionen in Infrastruktur, Schulen und Kindergärten. 1,3 Milliarden werden z.B. über vier Jahre verteilt zur energetischen Gebäudesanierung ausgegeben.

In der Tat könnte man Gysi recht geben, dass diese Beträge lächerlich sind im Vergleich zu den über 60 Milliarden, die allein die Hypo-Real schon erhalten hat. Aber die angeblichen sozialen Wohltaten wie die öffentlichen Investitionen sind Grundaufgaben des Staates, die dieser selbstverständlich leisten müsste! Sie dienen dazu, der tatsächlichen Umverteilung zugunsten der Banken und Konzerne ein soziales Mäntelchen umzuhängen. Zusätzlich dient das Konjunkturpaket 2 natürlich dazu, die weitaus größeren Summen der direkten Bankenhilfe vertretbar zumachen - und da wird ratzfatz noch ein Mehrfaches der schöngerechneten 50 Miliarden des K-Pakets rausgefeuert werden!

Gysi und die Gewerkschaftsspitzen wären gefordert, diese Verlogenheiten zu entlarven. Stattdessen geben sie ihren Segen dazu, fordern mehr davon und stellen sich hinter das große Ziel der Regierung: „Deutschland soll aus der Krise stärker herauskommen, als es hineingeht.“ Sie meint damit, dass das deutsche Kapital im Kampf der Imperialisten stärker wird. Mit diesen Paketen, wie allen anderen Regierungsmaßnahmen, wird es auf Kosten der Massen gestärkt. Das ist aus ihrer Sicht logisch, denn Lösung der Krise heißt aus ihrer Sicht: Die Schwächeren zahlen lassen, zuhause und überall auf der Welt.

Durch die Anti-Krisen-Pakete steigt auch die Staatsverschuldung wieder in astronomische Höhen. Allein das zwingt Kapital und Staat dazu, durch Sozialabbau, Steuerrformen usw. wieder Geld in die Kassen zu lenken. Vor allem aber werden die deutliche Steigerung der Arbeitslosigkeit und die sich abzeichnenden Inflationstendenzen dafür sorgen, dass der Lebensstandard der Massen gedrückt wird.

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Nr. 136, Februar 2009
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*  Weltwirtschaft: Krise und Politik
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