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Attac

Die Finanz-TÜV(tler)

Peter Lenz, Neue Internationale 134, November 2008

Die Krise hat ihren Ursprung in der neoliberalen Deregulierung der Finanzmärkte. Und die wurde in Deutschland genauso betrieben wie in den USA." Und weiter: „Die Finanzmarktkrise drohe die Weltwirtschaft mit sich nach unten zu reißen (...) Die Banken haben mit ihrer Zockerei den Zusammenbruch des gesamten ökonomischen Systems riskiert“. (aus: Pressemitteilung Attac Deutschland, 24./25.9.08)

„Zockerei“ - das ist das zentrale Erklärungsmuster von Attac. Es liege an der „Casinomentalität“, die durch „systematische Deregulierung“ befördert wurde. Zentrale Forderung: „Das Casino schließen“- dann wird alles gut. Die Krise entsteht für Attac außerhalb der „Realwirtschaft“, die unter „Auswüchses“, „Eskapaden“ usw. leide.

Für ein „neues Finanzmarktsystem“ fordert Attac:

die Einführung eines effektiven Finanzmarkt-TÜVs, der neue Produkte  standardisiert und prüft, bevor diese gehandelt werden dürfen;

einen speziellen Krisenfonds, dessen Kosten die Finanzmarktakteure selbst tragen;

wirtschaftliche Sanktionen gegen Steueroasen;

eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene, um die Spekulation zu reduzieren und die Kurzfristorientierung der Finanzmärkte zu schwächen. (ebenda)

Notwendig sei laut Attac „ein grundlegender Umbau des Finanzsystems, um das Diktat der Kapitalmärkte über die Realökonomie zu brechen und den damit verbundenen Druck auf das Sozial- und Steuersystem zu stoppen.“

Gute „Realökonomie“ - schöner kann man den Begriff Kapitalismus kaum umschreiben. Der Druck auf die Sozialsysteme geht aber auch von der „Realökonomie“ aus. In der „Realökonomie“, in der Überakkumulation von Kapital und in der Tendenz des Falls der Profitrate liegen die eigentlichen Ursachen der Krisenhaftigkeit des Systems. Doch die Kritik von Attac entspringt nicht einer systematischen Analyse und Kritik des Kapitalismus, sondern bleibt an der Oberfläche.

Auch darüber, was „demokratische Kontrolle" der Finanzmärkte bedeutet, lässt uns Attac im Ungewissen. Aber aus dem Kontext geht hervor, dass Attac diese Forderung nur an den Staat stellt. Derselbe Staats-Apparat, der Deregulierung und Politik für das Finanzkapital betrieben hat, soll nun die Finanzkapitalisten „demokratisch“ kontrollieren.

Der radikal anmutende „Systemwechsel“ von Attac entpuppt sich lediglich als Reform des Systems.

In diese Richtung zielt auch die Forderung von Attac, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu reformieren. Attac fordert einen „Finanz-TÜV“. Dazu soll die BaFin umgebaut werden - doch von wem?

Nötig ist eine entschädigungslose Verstaatlichung der Banken und deren Kontrolle durch gewählte Komitees der Lohnabhängigen auf allen Ebenen, eine Offenlegung aller Bücher und Aktivitäten! Davon ist bei Attac keine Rede. Kein Wunder, würden diese Maßnahmen ja in letzter Konsequenz den Kapitalismus und seine Grundlage - das Privateigentum - unmöglich machen.

„Auch gegen Steueroasen müsse die Bundesregierung endlich konsequent vorgehen.“  Was Attac total vergisst: die größte „Steueroase“ nicht nur für deutsche Konzerne ist Deutschland selbst. Dafür hat die Steuergesetzgebung der letzten Bundes- und Landesregierungen nachhaltig gesorgt.

„Innerhalb der Europäischen Union muss sich die Bundesregierung (...) für eine Finanztransaktionssteuer einsetzen, um risikoreichen Jagden nach Höchstrenditen die Attraktivität zu nehmen (...) Notwendig sei zudem die Einrichtung eines ausreichenden, von den Banken selbst finanzierten Krisenfonds. Die Verluste der Zocker dürfen nie wieder den Steuerzahlern aufgebürdet werden." (ebenda)

Fragt sich nur, was mit den Verlusten der „nichtzockenden“ Wirtschaft passiert? Die „Finanztransaktionssteuer“, also eine europaweite Tobinsteuer“, sowie eine „Börsenumsatzsteuer“ sollen Transaktionen verteuern. Doch selbst die Taz vom 25.9.08 stellt dazu fest:

Diese Vorschläge „hätten die jetzige Finanzkrise nicht verhindern können. Denn der Handel mit Schrottpapieren fand vor allem innerhalb des Währungsraums des Dollars statt und wäre durch eine Tobin-Steuer auf Devisengeschäfte nicht erfasst worden. Zudem wurden die Papiere direkt von Bank zu Bank vertrieben, so dass eine Börsenumsatzsteuer ebenfalls nicht angefallen wäre. Bester Beweis, dass eine Börsenumsatzsteuer nichts bringt, um eine Finanzkrise zu verhindern: Die USA haben diese Steuer bereits.“

Längere und ausführlichere Kritik an den Positionen von Attac:

Vorschläge zur Reparatur des kapitalistischen Desasters

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Nr. 134, Nov. 2008
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