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Bundeswehr

Auf dem Weg zur globalen Eingreiftruppe

Martin Suchanek, Neue Internationale 120, Mai 2007

„Wir müssen einer gemeinsamen europäischen Armee näher kommen“, erklärte Kanzlerin Merkel vor dem Berliner EU-Gipfel am 24. und 25. März 2007.

Diese und ähnliche Aussagen müssen ernst genommen werden. Schon seit Jahren schreitet der Umbau der Bundeswehr zu einer global agierenden Eingreiftruppe rasch voran.

Neuanschaffungen

Das zeigt sich in der Anschaffung neuer Waffensysteme wie dem Eurofighter, von dem 180 Stück im Wert von 13 Milliarden beschafft werden sollen.

Von zentraler Bedeutung ist auch der Kauf von Transportflugzeugen Airbus A400M oder von gepanzerten, minensicheren Fahrzeugen bis zum wendigen leichten Panzer zur Bekämpfung von Guerilla-Einheiten oder zum Straßenkampf.

Schließlich geht es um moderne Kommunikationssysteme. Folgerichtig will die Bundeswehr in diesem Jahr auch das Satelliten-Aufklärungssystem SAR Lupe in Betrieb nehmen.

Diese Neuanschaffungen gehen auch mit einer inneren Reorganisation einher, um den militärischen Erfordernissen zunehmender Auslandseinsätze gerecht zu werden. Die Truppe soll demzufolge je nach Aufgabe in Eingreif-, Stabilisierungs- und Unterstützungskräfte unterteilt werden.

Die Eingreifkräfte sollen 35.000 Soldaten umfassen, die für Kampfeinsätze - im Weißbuch der Bundeswehr von 2006 „friedenserzwingende Maßnahmen“ genannt - zur Verfügung stehen.

Die Stabilisierungskräfte sollen 70.000 Soldaten umfassen und für Operationen „niedriger und mittlerer Intensität und von längerer Dauer“ bei „friedensstabilisierenden Maßnahmen“ dienen, als z.B. als Besatzer in Nordafghanistan oder im Libanon.

D.h. im Zuge der Umstrukturierung der Bundeswehr sollen die für Interventionen verwendbaren Truppen mehr als 100.000 Soldaten umfassen. Im Moment befindet sich rund ein Zehntel davon in Auslandseinsätzen.

Auch die verbleibenden rund 150.000 Unterstützungskräfte werden als Hilfskräfte - für Logistik, Sanitätsdienst, Ausbildung - gemäß den angestrebten neuen Erfordernissen ausgerichtet.

Allein anhand dieser Zahlen zeigt sich, wie tief greifend der Umbau der Bundeswehr ist und dass wir erst am Beginn dieser Entwicklung stehen.

Doktrin

Der Umbau der Bundeswehr zur globalen imperialistischen Eingreiftruppe geht Hand in Hand mit ebenso konkreten Plänen auf europäischer und internationaler Ebene.

Die Große Koalition folgt - wie auch ihre Vorgängerregierung - einer neuen, globalen Ausrichtung des deutschen Imperialismus, die seit der kapitalistischen Wiedervereinigung immer klarere Konturen annimmt.

Nach der Wiedervereinigung wurde die „neue“ Militärdoktrin der Bundeswehr offensiv und offen verfochten, so z.B. auf dem „Fürstenfeldbruck-Symposium für Führungskräfte der Bundeswehr und der Wirtschaft“ 1991. Unter Federführung hoher Militärs, Bundeswehrexperten der Parteien und Wirtschaftsbossen wurden u.a. vom damaligen Generalinspekteur der Bundeswehr und späteren NATO-Oberkommandierenden Naumann gefordert, die Bundeswehr für „kollektive Einsätze außerhalb des Bundesgebietes zur Verfügung zu stellen.“

Die „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ von 1992 trugen diesen Forderungen unverhohlen Rechnung, indem als zentrale Aufgaben der Streitkräfte definiert wird:

„Vorbeugung, Eindämmung und Beendigung von Krisen und Konflikten, die Deutschlands Unversehrtheit und Stabilität gefährden“ sowie „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt.“

Allerdings blieben zum Bedauern der deutschen und anderer kontinentaleuropäischer Imperialisten die Ambitionen allzu oft hinter den Zielen zurück, schritt die imperialistische Formierung nicht rasch genug voran. Auch wenn die Veränderung der Rolle des deutschen Imperialismus in den letzten 17 Jahren dramatisch ist, wenn praktisch permanent rund 10.000 Soldaten als Besatzungstruppen rund um den Globus aktiv sind, so ist das für die strategischen Ziele der herrschenden Klasse nur ein Vorspiel gegenüber dem eigentlichen anvisierten Ziel: Gleiche Augenhöhe mit der imperialistischen Hegemonialmacht USA.

Bedeutung der EU

Hier wird auch verständlich, warum die Europäische Union für die Weltmachtziele des deutschen Imperialismus von so großer Bedeutung ist.

Auf sich allein gestellt, wäre es jedem kapitalistischen Land in Europa unmöglich, die Vorherrschaft der USA in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten herauszufordern oder gar zu brechen.

Die Formierung der EU als imperialistischen Block unter deutsch-französischer Führung mit einer einheitlichen Währung, mit einer koordinierten Wirtschaftspolitik - inkl. der Formierung großer Monopole, die in der Lage sind im globalen Konkurrenzkampf zu bestehen - ist eine Überlebensfrage des deutschen Imperialismus.

Daher ist die „Agenda von Lissabon“ so eng mit nationalen „Umsetzungen“ wie der Agenda 2010 verbunden.

Allerdings sind die inneren Hindernisse auf diesem Weg beträchtlich. Die EU ist ein Staatenbund, der aus historisch etablierten, imperialistischen Großmächten besteht - insbesondere Deutschland, Frankreich, Britannien - samt wichtigen kleineren Imperialismen (Italien, Spanien, Niederlande etc.) bis hin zu einem großen halb-kolonialen Gebieten (i.w. die ost- und südosteuropäischen Staaten).

Während sich ein US-amerikanisches Finanzkapital und davor schon lange eine US-amerikanische Kapitalistenklasse formiert hat, so gibt es außer in - strategische durchaus wichtigen - Ansätzen bislang keine europäische Kapitalistenklasse.

Daher ist die Bildung der EU und ihrer Institutionen immer auch eine Frage der Konzentration der Macht in den Händen bestimmter nationale Bourgeoisien, die Formierung eines europäischen Kapitals immer auch die Frage der Formierung unter bestimmte nationaler Vorherrschaft.

Das lässt sich bis in die Bildung zentraler europäischer Institutionen verfolgen - so z.B. der europäischen Zentralbank, die von Deutschland und Frankreich beherrscht wird und nach dem Muster Bundesbank eingereicht wurde.

So auch auf dem Gebiet der Militärpolitik- und Rüstungspolitik. Am 6. November 2006 erklärte dazu Außenminister Steinmeier anlässlich der Europakonferenz der sozialistischen Fraktion zur deutschen EU-Präsidentschaft:

„In China, Indien, Russland, auch in Zentralasien und Lateinamerika, machen sich rund drei Milliarden Menschen auf den Weg, einen ähnlichen Wohlstand zu erwerben, wie wir ihn uns erarbeitet haben und wie ihn die gesamte westliche Welt im Durchschnitt genießt. Natürlich auch in der islamischen Welt. (...) Der Kampf um immer knapper werdende Rohstoffe und Ressourcen birgt erhebliches Konfliktpotential. (...) Die globale Konkurrenz (...) bedroht europäische Sozialstandards (...) Was sind unsere Antworten darauf, meine Damen und Herren? Zunächst einmal glaube ich, wir müssen vor allem an unserer inneren Stärke arbeiten. Und das hat gleichzeitig auch eine außenpolitische Dimension. Denn ich bin fest davon überzeugt, Europa kann und wird nur dann eine Friedensmacht sein und bleiben, wenn wir auch die entsprechende politische und wirtschaftliche und in Grenzen auch militärische Stärke auf die Waagschale bringen.“

Deutlicher, aber bringt das CSU-Staatssekretär Würmeling zum Ausdruck, wenn er zum Besten gibt, dass die EU „im globalen Kampf um Energiequellen härtere Bandagen anlegen“ müsse. Der Kongo-Einsatz und die Unterstützung der EU-Marionette Kabila dienen dabei als Vorbild.

Battlegroups und mehr

Seit Beginn der deutschen Präsidentschaft im Januar 2007 sind die ersten dreizehn EU-Kampfgruppen mit jeweils 1.500 Soldaten einsatzbereit. Diese sollen zur Sicherung „europäischer Interessen“ bei „künftigen Regionalkriegen“ eingesetzt werden (European Defence Paper).

Wie die Bundeswehr selbst, so werden auch in der EU Kampf- und Eingreiftruppen aufgebaut, die - wiewohl noch in Kooperation mit den USA und teilweise unter dem Dach der NATO - letztlich auch die Operationsfähigkeit ohne die führende Weltmacht herstellen sollen.

Operationsfähigkeit bedeutet aber nicht nur Truppen. Sie bedeutet auch die Formierung eines europäischen Rüstungskapitals, das diese selbstständig versorgen kann, den Aufbau europäischer Monopole und Federführung der BRD und Frankreichs. EADS, zu dem auch Airbus gehört, ist hier das Musterbeispiel, an dem sich zeigt, dass „europäisch“ immer die Dominanz bestimmter Kapitalgruppen und bestimmter imperialistischer Staaten bedeutet.

Was die Rüstungsindustrie betrifft, so sind die EU-Staaten bei der Umsetzung der Lissaboner Agenda schon weit vorangekommen. Laut der Forschungsinstitut SIPRI haben die EU-Staaten 2005 erstmals die USA und Russland als größte Rüstungsexporteure überholt und diese Stellung 2006 noch einmal ausgebaut.

Hier macht sich die Rüstungsagentur der Europäischen Union offenkundig bezahlt, deren Aufgabe es ist, nicht nur die großen europäischen Rüstungsvorhaben zu planen, sondern auch den Export von Waffen zu fördern.

Aufrüstungsgebot

Zu einer unter europäischem Dach zusammengefassten globalen Militärpolitik der führenden imperialistischen Staaten der EU - v.a. Deutschlands und Frankreichs - gehört natürlich an erster Stelle auch die Sicherung einer „gemeinsamen“ europäischen Außenpolitik und zweitens die Sicherstellung, dass alle EU-Staaten die Aufrüstung der EU unterstützen müssen.

Schließlich geht es darum, zukünftig zu sichern, dass sich im Fall offener inner-imperialistischer Gegensätze mit den USA - wie im Irak-Krieg - kleinere europäische Staaten hinter den Führungsmächten Deutschland und Frankreich stehen und sich nicht auf die Seite des imperialistischen Konkurrenten schlagen.

Daher enthält ja auch der Verfassungsentwurf, der von Merkel und den anderen Staats- und Regierungschefs am 24./25. März - wenn auch unter anderem Namen - wieder auf den Weg gebracht wurde, eine Verpflichtung zur Aufrüstung in Artikel I-41: „Alle Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“

Die Unterordnung unter eine gemeinsame Außenpolitik ergibt sich nicht nur aus Artikel I-6 des Entwurfes (Vorrang von Unionsrecht vor dem der Mitgliedstaaten) - sondern auch eine Verpflichtung, sich jeder Handlung zu enthalten, die der Union schaden könnte.

„Die Mitgliedstaaten unterstützen die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität.

Die Mitgliedstaaten arbeiten zusammen, um ihre gegenseitige politische Solidarität zu stärken und weiterzuentwickeln. Sie enthalten sich jeder Handlung, die den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit als kohärente Kraft in den internationalen Beziehungen schaden könnte (Artikel III-294 (2).“

Ob sich im Konfliktfall imperialistische Mächte wie Britannien daran halten oder ob ein solcher bis zum Bruch führt, ist natürlich trotzdem offen.

Eindeutig ist jedoch, dass die aktuelle Schwäche der US-Hegemonie für die deutschen und französischen Imperialisten eine große Chance darstellt, ihren eigenen Block zu formieren und den US-Einfluss drastisch zurückzudrängen. In diesen Kontext passt auch, dass die „Stabilisierung“ des westlichen Balkans zu einer zentralen Aufgabe der deutschen EU-Präsidentschaft erklärt wurde.

Klassenkampf

Doch die Formierung der EU bedeutet nicht nur die Durchsetzung der deutschen und französischen imperialistischen Bourgeoisien auf Kosten kleinerer imperialistischer und v.a. der halb-kolonialen osteuropäischen Staaten sowie die Zurückdrängung des US-amerikanischen Einflusses.

Es bedeutet v.a. auch die weitere Schwächung der Arbeiterbewegung in Europa. Dabei werden zwei Methoden gleichzeitig verfolgt. Zum einen geht es darum, die Ausbeutungsrate drastisch zu erhöhen, v.a. durch Erhöhung des absoluten Mehrwerts (sei es in Form der Verlängerung der Arbeitszeit, Kürzung des „Soziallohns“ etc.).

Zum anderen sollen die Arbeiterklasse bzw. deren privilegiertere Schichten und v.a. deren politische und gewerkschaftliche, reformistische dominierte Vertretung in eine sozial-chauvinistische und rassistische Legitimation des imperialistischen Europas samt seiner Rüstungspolitik eingebunden werden.

Das verdeutlicht das zunehmende Gerede vom „sozialen Europa“ durch diverse imperialistische Politiker. In oben zitierter Rede skizziert Steinmeier diesen „Zusammenhang“ ganz unverblümt. Damit „unser“ Europa, „unser“ Standort,“ „unser“ Wohlstand erhalten bleiben, müssen „wir“ über alle Klassengrenzen hinweg gegen Milliarden, die sich „auf den Weg“ gemacht haben, zusammenhalten. Damit z.B. die knapper werdenden Ressourcen auch „unsere“ bleiben und nicht womöglich von den Ländern kontrolliert werden, wo sie sich befinden.

Steinmeiers Programm ist so alt, wie der Sozialchauvinismus der deutschen und anderer Sozialdemokratien. Auch seine Funktion ist die gleiche: die Unterordnung der Arbeiterklasse und der Unterdrückten unter die immer aggressiver verfolgten Ziele des deutschen Imperialismus und der von ihm geführten EU.

An Steinmeiers Rede zeigt sich aber auch, dass das Gerede von einem „sozialen, demokratischen“ und sonst wie menschenfreundlichen Europa eben nicht die Alternative zum Europa des Kapitals, sondern nur dessen linke Flankendeckung ist. Es ist nicht nur illusorisch ob der bestehenden Eigentumsverhältnisse, sondern auch gefährlich, weil es den Sozialdemokraten und Reformisten aller Couleur erlaubt, das Bedürfnis nach sozialer Sicherung und Besserung für die Ziele des europäischen Kapitals zu missbrauchen.

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Nr. 120, Mai 2007
*  Erster Mai: Widerstand oder Wartestand?
*  Metalltarifrunde: Vier ist Verrat
*  WASG-Berlin: Spaltung droht
*  Nieder mit den G8! Nieder mit der imperialistischen Weltordnung!
*  Unsere Aktivitäten gegen die G8
*  Tschechien: Streik bei Skoda
*  Heile Welt
*  Pakistan: Für eine verfassungsgebende Versammlung!
*  Bundeswehr: Auf dem Weg zur globalen Eingreiftruppe