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Somalia

Imperialistischer Stellvertreterkrieg

Theo Tiger, Neue Internationale 117, Februar 2007

Die äthiopische Offensive mit 12.000 Soldaten, Panzern, Flugzeugen und direkter amerikanischer Luftunterstützung gegen das Nachbarland Somalia verdeutlichen das Interesse des Imperialismus an Ostafrika.

Ziel der Offensive war der Sturz der Regierung der Islamischen Gerichte (MIC) in Somalia. Daneben geht es um die Aufteilung der Ressourcen in Ostafrika. Der Angriff von Äthiopien wurde von den USA und der EU politisch unterstützt und abgesichert. Nun soll die vom Westen installierte Übergangsregierung (TGF) mit einigen Hundert Söldnern in der Hauptstadt Mogadischu die Regierung übernehmen. Gleichzeitig drängt die EU die Afrikanische Union (AU) zur Entsendung afrikanischer Besatzungstruppen in Stärke von etwa 8.000 Mann.

Doch mit der Entsendung von Besatzungstruppen haben USA und EU schon 1993 schlechte Erfahrungen gemacht. Die Bilder von hingerichteten und verbrannten US-Soldaten gingen damals um die Welt. Der Widerstand und die Aussicht eines schwer zu „befriedenden“ Landes führten damals zum Abbruch der unter der Flagge der UNO laufenden Militär-Mission. Diese Erfahrung und das aktuelle Desaster im Irak werden den Imperialismus eher von einem erneuten Versuch in Somalia abhalten und sie bewegen, dafür Bündnispartner wie Äthiopien zu gewinnen, die die Drecksarbeit erledigen.

Während der Sudan als nächstes UN/AU/EU-Protektorat vorbereitet wird, hinterlässt die äthiopische Invasion Somalias das Land erneut in einem Bürgerkrieg. Die Islamisten sind nicht geschlagen worden, wie die bürgerlichen Medien berichtet haben, sie haben sich nur zurückgezogen und führen jetzt, wie schon in den vergangenen 15 Jahren, einen Guerillakrieg.

Die Angriffe auf den Präsidentenpalast in Mogadischu zeigen, wie wenig gefestigt die neue Macht ist. Die Übergangsregierung, unterstützt von einigen lokalen Warlords, hat nur einige Hundert Söldner zur Verfügung. Die Warlords - die eigentlich Mächtigen im Land - beginnen, zwischen ihren Machtgebieten wieder Wegzoll zu verlangen. Die Marionettenregierung in Mogadischu hat keinerlei Basis in der Bevölkerung. Ähnlich den Taliban in Afghanistan konnten sich auch die Islamisten in Somalia damit rühmen, wieder Sicherheit und Einheit im Land hergestellt zu haben. Mit dieser - freilich reaktionären - „Ruhe“ ist es nun wieder vorbei.

Seit dem Ende der blutigen Diktatur Siad Barre´s gilt Somalia in westlichen Papieren als „failed state“, jede Form staatlicher und gemeinschaftlicher Ordnung ist zusammen gebrochen. Unter der Diktatur Barre´s gab es Krieg mit Äthiopien. Dieser „Ogaden Krieg“ von 1976-78 sollte somalische Besitzansprüche in Äthiopien durchsetzen. In den südlichen Grenzprovinzen Äthiopiens ist die Bevölkerungsmehrheit muslimisch, dieser Grenzkonflikt ist ein Erbe der ehemaligen Kolonialländer Italien und Großbritannien.

Heute sind 40 Prozent der ÄthiopierInnen Muslime, die Existenz eines islamistischen Staates an der Grenze war eine unmittelbare Bedrohung der angestrebten Vorherrschaft Äthiopiens in Ostafrika. So verwundert nicht, dass der deutsche Botschafter im November 2006 die äthiopische Regierung vor einer „Somalisierung“ der ganzen Region warnte. Daneben prägt auch der seit der Unabhängigkeit Eritreas schwelende Grenz- und Landkonflikt beider Staaten die Situation in Ostafrika.

Rohstoffe

Während der amerikanischen Vorherrschaft konnten die US-Multis Amoco, Chevron usw. die Bohrrechte für somalisches Öl erwerben, nach dem Sturz Barre´s 1991 wurden diese Verträge hinfällig. Ähnlich dem Vorgehen in Afghanistan wurden nun auch einige Warlords für die Übergangsregierung eingekauft - d.h. diejenigen, welche seit 15 Jahren vom Bürgerkrieg profitieren, werden jetzt in die Regierung gesetzt. Diese Bande ist vergleichbar mit der afghanischen Nordallianz, es sind reaktionäre Mörder und Schlächter.

Ob diese Clan-Chefs gemeinsam gegen die Islamisten kämpfen werden, ist noch nicht ausgemacht, viele kooperierten mit der islamistischen Regierung, doch als die Checks aus Äthiopien und den USA größer wurden, wechselten die Warlords die Seite.

Äthiopien hat schon angekündigt, seine Truppen zurückzuziehen; eine längere Besatzung könnte Äthiopien nicht finanzieren und würde das Land zudem in einen Bürgerkrieg stürzen - mit nicht kalkulierbaren Folgen.

Über die UN wurden jetzt andere Staaten angefragt, doch außer dem in Sachen Vertreibung und Mord auch erfahrenen Militärregime von Uganda hat noch kein weiterer Staat Truppen für Somalia zugesagt. So wird sich die EU stärker auf Kongo und Sudan konzentrieren - dort sind die Verhältnisse stabiler und die Ausbeutungsmöglichkeiten größer.

Gegenwärtig ist eher mit der Entsendung europäischer Truppen in den Sudan zu rechnen. Mit Hilfe der UN-Beschlüsse und Soldaten der AU sollen der Einfluss im Sudan verstärkt und die christlichen Milizen und Separatisten im Süden gestützt werden. Im christlich dominierten Teil des Sudans befinden sich große Öl- und Gasvorkommen. Bislang hat da vor allem China den Fuß in der Tür und ist Hauptabnehmer des Öls aus dem Sudan. Mit der UN-Mission erhoffen nun auch die EU und die USA, Zugang zu den Öl-Quellen zu erhalten.

Anfang der 1990er stellte eine Studie der US-Energiewirtschaft fest, das besonders die Küstengebiete und ihr Hinterland in Ost- und Westafrika große, bislang nicht erschlossene Ölressourcen versprechen, das Augenmerk der Politik müsste sich also verstärkt auf diese Regionen Afrikas richten. Seit 1990 erleben wir einen neuen Wettlauf um Afrikas Rohstoffe. Dazu müssen auch korrupte und abhängige Marionetten-Regierungen unterstützt oder installiert werden.

Ein besonders prägnantes Beispiel dafür finden wir quasi gegenüber von Somalia, in Äquatorial-Afrika an der westafrikanischen Küste. Der dortige Militärherrscher vernichtete die Fischerei und damit die einzige Einnahmequelle seines Volkes und verkaufte die Küstengebiete an den US-Öl-Konzern Exxon. Seitdem fördert das Unternehmen exklusiv, überweist dem Junta-Führer einige Hundert Millionen pro Jahr. Während der Junta-Chef schon 10 Milliarden auf seinem Schweizer Konto haben soll, leben die ca. zwei Millionen EinwohnerInnen im Elend in Slums, umzingelt von Krankheiten, Verwahrlosung und Tod.

Europäische Taktik

Neben der Vormachtstellung Frankreichs in Westafrika versucht besonders Deutschland im Rahmen der EU wieder eine eigenständige imperialistische Afrikapolitik zu betreiben. Dafür machte auch der Ex-IWF-Chef und heutiger Bundespräsident Köhler mehrere Afrikareisen und lobte die Projekte der Unternehmen und Militärs zum Aufbau der „europäisch-afrikanischen“ Zusammenarbeit. Zu diesen Projekten gehört auch die Ausbildung der künftigen Militärelite Ghanas, damit diese einmal als effizienter „Verbündeter“ den Anweisungen der „neuen“ Kolonialherren Folge leisten kann.

Mit der Stationierung von Marineeinheiten in Dschibuti und der Teilnahme an der Kongo-Mission versucht Deutschland wieder, direkt imperialistische Politik zu betreiben. In Zeiten der sich verschärfenden globalen Konkurrenz zwischen den imperialistischen Blöcken müssen daher vermehrt auch Soldaten die politischen Ziele des Kapitals umsetzen.

Besonders das Vorgehen in der Sudan-Frage zeigt, wie heuchlerisch diese Politik ist. Das Schicksal der Darfur-Flüchtlinge wird benutzt, um eigene Militärstrategien zu verfolgen, in Somalia treibt man das Land in den nächsten Bürgerkrieg. Aber auch die Stationierung von AU-Truppen mit europäischer Unterstützung wird nur zu einer Spaltung des Sudans führen. Lange Zeit herrschte ein blutiger Bürgerkrieg zwischen dem islamischen Norden und dem christlichen Süden, nun wird der rohstoffreiche Süden versuchen, seine ökonomischen Interessen gegen Khartum durchzusetzen - wahrscheinlich mit tatkräftiger Unterstützung europäischer Unternehmen.

Der Stellvertreterkrieg Äthiopiens gegen Somalia und die bevorstehende UN/EU/AU-Intervention im Sudan offenbart erneut die Taktik des Imperialismus in Afrika. Die Vereinten Nationen dienen als Besatzungs- und Protektoratsgehilfin von EU und USA. Deren Politik wird dem Kontinent weitere Kriege und Bürgerkriege bescheren.

Kampf dem Imperialismus!

Von den Versprechen der G8 gegenüber Afrika von Gleneagles ist wenig übrig geblieben. Die Entwicklungshilfe für Afrika, die an neoliberalen Institutionen wie IWF und Weltbank gebunden ist, umfasst 50 Milliarden Dollar - so viel wie den USA neuen Monate Besatzung im Irak kosten.

Wir müssen jeden Widerstand der somalischen Bevölkerung gegen die äthiopische Besatzung und die eingesetzte Übergangsregierung unterstützen! Die Somalis sind von Jahrzehnten Diktatur und Bürgerkrieg gezeichnet - ihnen muss die Möglichkeit gegeben werden, ihr Schicksal ohne Besatzung selbst zu bestimmen und die Warlords aus der Gesellschaft zu vertreiben. Dabei unterstützen wir jedoch nicht die Islamischen Gerichte.

Ihre reaktionäre Ideologie ist genau wie der Imperialismus eine Bedrohung der Emanzipation der Somalis. Gemeinsam können die Somalis die Besatzungstruppen vertreiben, gemeinsam sollen auch sie die politische Zukunft ihres Landes gestalten. Der Imperialismus bietet keine staatliche oder soziale Zukunft für die besetzten Länder - nur eine verstärkte ökonomische Ausbeutung und die Installation autoritärer Apparate.

Im Gegensatz zu den erklärten “humanitären“ und „demokratischen“ Ambitionen der G8-Staaten und ihres „Anti-Terror-Kriegs“ stürzen ihre militärischen Aggressionen die Welt genauso in neue Konflikte und verschärfen die existenziellen Probleme der Menschheit wie deren politisches und ökonomisches Vorgehen.

So werden auch durch die Besatzungspolitik die separatistischen Tendenzen gestärkt, wie in Afghanistan und Irak geschehen. Die afrikanischen Völker können nur erfolgreich sein, wenn sie sich nicht entlang religiöser Linien spalten lassen. Sie dürfen sich genauso wenig den Interessen von „Staaten“ unterordnen, die letztlich nur künstliche Gebilde sind, die einst von den Kolonialmächten installiert worden sind. Sie dürfen sich nicht auf die „Hilfe“ von WTO, IWF oder Weltbank verlassen! Diese imperialistischen Agenturen dienen zu nichts anderem als der Ausbeutung und dem Abhängigmachen Afrikas.

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Nr. 117, Februar 2007
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