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USA nach den Wahlen

Bushs letzte Tage?

Andy Yorke, Neue Internationale 116, Dezember 2006/Januar 2007

In beiden Häusern des US-Kongresses mussten Präsident Bush und seine Republikaner eine empfindliche Wahlschlappe einstecken.

Vor diesen Wahlen vom 7. November schwor Bush, er würde den Kurs im Irak nicht ändern, und alles andere als ein Sieg sei unmöglich. Dafür stieß er in der Öffentlichkeit jedoch auf schroffe Ablehnung. Die Demokratische Partei konnte die meisten Wählerstimmen auf sich vereinigen, da sie sich halbwegs als Kritiker von Bushs Irakpolitik darstellten und die Hoffnung nährten, dass die Truppen den Irak bald verlassen würden.

Natürlich bleibt Bush angesichts der Trennung von vollziehender und gesetzgebender Gewalt in der US-Verfassung immer noch genug Handlungsspielraum, besonders in der Militärpolitik. Aber die Furcht vor dem Verlust des Präsidentenamts 2008 hat die Republikaner animiert, die Demokraten in das Schlamassel einer Lösungssuche für den Irak zu treiben.

Das Wahlergebnis zeigt, dass die patriotische Welle durch die sich häufenden Opfer und das Chaos im Mittleren Osten abebbt. Wut und Widerwillen hat sich gegen die Lügen aufgetürmt, die den Krieg anfachten und die Besetzung des Iraks legitimierten.

Für die irakische Bevölkerung und die 655.000 Opfer ist die Besatzung schon lange zum blutigen Albtraum geworden. Mittlerweile haben auch fast 3.000 US-Soldaten im Irak den Tod gefunden, weit mehr wurden verwundet.

In den vergangenen Monaten sind Bushs Popularität und der Rückhalt für seine Irak-Politik auf ein historisches Tief gesunken. 60 Prozent der US-Bevölkerung missbilligen seine Politik, die Medien debattieren, ob er der schlechteste Präsident aller Zeiten sei.

Nicht nur die arbeitenden Menschen in Amerika sind über Bush desillusioniert. Auch die herrschende Klasse beschwert sich über die mangelhafte Vertretung ihrer Interessen. Führende Militärs, das politische Establishment und die einflussreichen Milliardäre erkennen zunehmend, dass die Strategie des Weißen Hauses nicht mehr haltbar ist.

Dauerhafte Besetzung

Die Aussicht einer dauerhaften Besetzung droht die Moral der Truppe und ihre Einsatzfähigkeit in anderen Krisenherden zu untergraben. In diesem Herbst wurde in neokonservativen Insiderkreisen und den Medien über die Möglichkeiten einer Niederlage im Irak spekuliert - eine Katastrophe für die USA und ihre Weltmachtstellung. Nun dringen sie auf einen Politikwechsel im Weißen Haus.

Die „Falken“ im „Projekt für ein neues Amerikanisches Jahrhundert“ (PNAC) stecken in der Klemme. Sechs Jahre lang verkörperten sie die führende Fraktion in der Kapitalistenklasse der USA. Amerikas Militärstärke erlaubte ihnen Angriffe auf „Schurkenstaaten,“ die dem US-Kapital im Wege waren. Eine zentrale Frage war für sie der unmittelbare Zugriff auf die Ölvorräte von der Quelle über die Transportwege bis zur eigenen Bevorratung sowie die Ausweitung des globalen Netzes von US-Militärstützpunkten, um ihre Besitzstände zu überwachen. Gleichzeitig förderten sie den neoliberalen Freihandel und die Macht der US-Konzerne durch Welthandelsorganisation, Internationalen Währungsfonds und Weltbank.

Das PNAC verhalf Bush zur Macht, entwickelte die Grundzüge seiner Politik und besetzte auch Posten in seinem Kabinett, v.a. durch Vize Cheney und Verteidigungsminister Rumsfeld. Seine Entlassung ist das erste Opfer, das die Fraktion nach der Wahlniederlage der Republikaner bringt. Wie Ratten, die das sinkende Schiff verlassen, distanzieren sich neokonservative Spitzenideologen nun von der Regierung. PNAC-Falken wie Richard Perle haben öffentlich bekannt, dass der Irakkrieg ein Fehler war, während Kenneth Adelman, der gesagt hat, die Invasion des Irak würde ein Spaziergang sein, jetzt behauptet, Bush habe die Besetzung verpfuscht.

Bush sah sich zu dem Versprechen genötigt, den Rat der „unabhängigen“ Irak-Studienkommission zu befolgen, deren Vorsitz der Familienfreund der Bushs und frühere Außenminister James Baker führt. Mit einem „Politikwechsel“ zu einer alternativen imperialistischen Strategie darf das allerdings nicht verwechselt werden.

Der Präsident vertritt nach wie vor die Idee, 20.000 Mann „als letzten großen Schlag“ in den Irak zu schicken, um so doch noch den Krieg zu gewinnen! Auch der Baker-Bericht empfiehlt nur außerdem einen Wechsel der Taktik, keinesfalls einen sofortigen und völligen Truppenabzug. Er skizziert eine „Vier- Punkte-Siegstrategie“, die von Pentagon-Kommissionsberatern entworfen worden ist.

Die Demokratische Partei (DP) will die Erkenntnisse des Baker-Berichts beherzigen. Das Ergebnis würde eine Umstrukturierung der Besetzung sein, aber nicht deren Beendigung.

Alternative Demokraten?

Die Demokraten, die einen überwältigenden Wahlsieg erringen konnten, machen deutlich, dass sie keinen kurzfristigen oder völligen Rückzug aus dem Irak anstreben. Schließlich haben etwa 80 ihrer Abgeordneten, darunter ihr Präsidentschaftskandidat von 2004, Kerry, und ihre wahrscheinlich nächste Kandidatin für 2008, Hilary Clinton, die heute noch keine Reue deswegen zeigt, damals dem Krieg zugestimmt. Die meisten ihrer Parteimitglieder haben mehrfach die von der Regierung geforderten Kriegskredite bewilligt und den reaktionären Patriot Act mit verabschiedet, der demokratische Rechte im angeblichen Interesse der „inneren Sicherheit“ beschneidet.

Aber auch Themen wie Ökonomie und Korruption waren ein Quell der allgemeinen Unzufriedenheit. 1994 konnte die Republikanische Partei die Kontrolle über beide Häuser des Kongresses ausüben, u.a. auch weil sie versprach, die Politik „sauber“ zu halten. Doch 2006 sind sie selbst in einem Sumpf von Korruptionsskandalen verstrickt.

Trotz einiger Wachstumserfolge im letzten Jahrzehnt stagnieren die Reallöhne und der landesweite Mindestlohn ist im Vergleich zu dem Durchschnitt von vor 50 Jahren gesunken. Studiengebühren, Schulden und die Kosten des Gesundheitswesens, durch dessen große Lücken nunmehr eine Rekordzahl von Menschen ohne jegliche Versorgung dasteht, führen zu einer deutlichen Verschlechterung des Lebensstandards der großen Masse. Viele Menschen sind auch über die Auslagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohngebiete wie China besorgt.

Im Gegenzug haben die Demokraten einen Sechs-Punkte-Plan entworfen, die Abhilfe in diesen Fragen versprechen. Die meisten davon werden jedoch wenig Wirkung erzielen. Der Haken ist: gemäß den von der DP selbst mit beschlossenen Regelungen müssten neue Ausgaben durch Steuereinnahmen oder Ausgabenkürzungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden.

Aber die Demokraten haben sich keineswegs gegen die Steuergeschenke an die Reichen und die Aufstockung des Rüstungshaushalts durch die jetzige Regierung gewandt. Also würde jede Steigerung von Sozialausgaben in einem Bereich nur durch Kürzungen in anderen Sozialbereichen gegenfinanziert werden. Die DP setzt wie Clinton in den 90er Jahren auf den Rückbau des Haushaltsdefizits, indem Sozialleistungen gestrichen werden.

Ferner werden die Demokraten ihre „zweiseitige“ Haltung in der Einwanderungsfrage fortsetzen, indem sie die weißen ArbeiterInnen von ihren Klassengeschwistern lateinamerikanischer Herkunft mit rassistischer Rhetorik, Gesetzen zur Beschränkung von Einwandererrechten und dem Bau eines über 1000 km langen Zaunes an der Grenze zu Mexiko spalten wollen.

In der Außenpolitik befürworten die Demokraten einen stärker imperialistische Bündnispartner konsultierenden und Verantwortung delegierenden Kurs. Damit können beispielsweise auch die konkurrierenden EU-Führungsnationen Deutschland und Frankreich, die sich gegen den Irak-Krieg ausgesprochen hatten, unter Zugzwang gebracht werden.

Deutschland, ohnehin in Afghanistan unter Druck der NATO-Partner, Kampfeinsätze auch auf den Südteil des Landes auszudehnen, hat durch Kanzlerin Merkel nun wissen lassen, dass es seiner internationalen Verantwortung auch im Irak nachkommen wolle. Außerdem könnte sich dieser neue US-Kurs den momentanen Zwist um den Türkei-Beitritt zur EU zu Nutze machen und den Einfluss einer „gemäßigten“ US-Diplomatie in dieser strategisch wichtigen Region wieder stärken. Dies alles sind gute Gründe für das US-Kapital, einen „Pferdewechsel“ von der desavouierten Bush-Administration zu einer scheinbar neuen Politik vorzunehmen.

Doch die Demokraten sind durch und durch eine Partei der Bosse - genau wie die Republikaner. Sie unterscheiden sich nur darin, dass sie jene Kapitalisten vertritt, die bewusst Kollaborateure unter den Führungen der Gewerkschaften und ethnischen Minderheiten als Unterstützer sucht. Mit ihrer Hilfe möchte die DP den Massen die bittere Pille des Neoliberalismus mit ein paar unzulänglichen Sozialprogrammen im Innern und mehrseitigen Absicherungen für die Kriegsführung nach außen schmackhaft machen.

Für eine Arbeiterpartei!

Die Arbeiterklasse der USA braucht eine Partei, um gegen Krieg, Armut und Rassismus kämpfen zu können. Doch sowohl die Führungen der Antikriegsbewegung wie die der Gewerkschaft haben die Demokratische Partei bei den Wahlen unterstützt.

Die liberalen Spitzen der Antikriegs- und Antiglobalisierungsbewegung „Gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit“ haben haben sich 2004 für den DP-Kandidaten Kerry ausgesprochen und als Teil der „Progressiven Demokraten von Amerika“ auch 2006 ihre Stimme der DP gegeben. Sie wollen auf diese Art Bushs Pläne durchkreuzen oder bremsen, obwohl in der Praxis auch die meisten demokratischen KandidatInnen hinter dem Krieg standen.

Ähnlich haben die Gewerkschaftsführer gehandelt, indem sie mehr als 100 Millionen US-Dollar für den Wahlkampf der DP aufgewendet und 100.000 Wahlhelfer dafür eingespannt haben. Sie behaupten, dass die Unterstützung der Demokraten den ArbeiterInnen die Möglichkeit gäbe, ihre eigenen Forderungen durchzusetzen und politische Macht auszuüben.

Gewerkschaften

Sweeney, der Vorsitzende der AFL-CIO-Gewerkschaft, behauptete: „Wir wussten, dass für unseren Verband die Aufgabe darin bestand, Frustration und Zorn in politische Macht umzuleiten. Wir haben mit dem größten, energischsten Basisprogramm unserer Geschichte geantwortet, und es hat geklappt.“

Solange ihre Gewerkschaften unter der Führung einer pro-demokratischen Bürokratie verharren, werden die amerikanischen ArbeiterInnen weitgehend zur politischen Ohnmacht verurteilt sein.

Sie werden keine elementaren Reformen wie ein kostenloses Gesundheitswesen oder eine ausreichende Rente durchsetzen können. Sie werden auch die Anti-Gewerkschafts-Gesetze nicht kippen und den Rassismus und die Diskriminierung von ImmigrantgInnen nicht besiegen können usw. usf.

Ohne Arbeiterpartei, die in den Gewerkschaften verankert ist, wird es viele der Errungenschaften, die die europäische Arbeiterschaft erkämpft hat, in den USA nie geben. RevolutionärInnen in den USA müssen an der Seite jener Massen kämpfen, die den neoliberalen und rassistischen Attacken Widerstand leisten. Aber sie müssen dies ebenso mit den langfristigen geschichtlichen und internationalen Interessen der Arbeiterklasse verknüpfen und sich dafür engagieren, die Arbeiterklasse von den Demokraten loszubrechen und eine Kampfpartei aufzubauen, die auf einem revolutionären sozialistischen Programm steht.

Die US-ArbeiterInnen haben in der Vergangenheit vor 1914 und in den 30er Jahren mächtige Gewerkschaften geschaffen und sich revolutionär-sozialistischer Politik zugewandt. Sie können und müssen dies wieder tun, wenn die schrecklichen Rückschläge der letzten 25 Jahre überwunden und die vollständige Befreiung der Arbeiterklasse erlangt werden soll!

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Nr. 116, Dez. 2006/Jan. 2007

*  2007: Neue Jahr - neue Kämpfe
*  Rente mit 67: Massenstreiks gegen Renten-Demontage!
*  Stuttgart: Erfolgreiche Aktionen gegen Rentenreform
*  WASG-Parteitag: Point of no return
*  Perspektive: Netzwerk Linke Opposition aufbauen!
*  Deutsche EU-Präsidentschaft: Der Hindukusch ist nicht genug
*  Anti-G8-Mobilisierung: Klüngelei oder Kampf?
*  Landwirtschaft: Grüne Gentechnik - kapitaler Blindflug
*  Heile Welt
*  Erfolg der niederländischen SP: Rote Tomaten wachsen
*  USA nach den Wahlen: Bushs letzte Tage?