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NPD nach den Wahlen

Aufstieg der Ratten

Hannes Hohn, Neue Internationale 114, Oktober 2006

Das Landtags-Wahlergebnis von Mecklenburg-Vorpommern sorgt für Jubel in der NPD-Zentrale. Mit 7,3 Prozent wurden die hochgesteckten Erwartungen erfüllt. In Berlin mussten sich die Braunen mit 2,6 Prozent begnügen und errangen 11 Sitze in den Bezirksversammlungen.

Diese Ergebnisse belegen klar, dass die NPD sich v.a. im Osten immer stärker etabliert - nicht nur sporadisch bei Wahlen, sondern auch - was weit bedeutender ist - hinsichtlich ihrer sozialen Verankerung. Die meisten ihrer Stimmen kommen aus Kleinbürgertum und Mittelschichten sowie deklassierten Teilen des Proletariats. Wie die Wahlanalysen aus MV zeigen, sind es dort v.a. junge und männliche Wähler, die NPD angekreuzt haben.

Der Wahlkampf der NPD zielte folgerichtig genau auf diese Klientel. Slogans gegen Sozialabbau und Hartz IV, aber auch gegen Ausländer und „Asylbetrüger“ sowie gegen die EU und Polen, welche die Existenz der Gewerbetreibenden untergraben und „den Deutschen Arbeitsplätze wegnehmen“ würden, waren zentrale Wahlparolen der NPD.

Man sollte sich auch nicht damit „trösten“, dass viele WählerInnen „nur“ Protestwähler wären. Im Unterschied zur DVU, die als reine Wahl- und Propagandamaschine kaum „Basisarbeit“ macht, verstehen es die NPD-Kader sehr gut, vor Ort Strukturen zu schaffen und ein Milieu um sich zu scharen, das vom frustrierten Fahrlehrer über den Langzeitarbeitslosen bis zum „überzeugten“ Nazi einer braunen Kameradschaft reicht.

So überrascht es nicht, dass die NPD in MV in einigen Orten sogar stärkste Partei wurde.

Strategie

Die NPD verfolgt dabei seit Jahren konsequent eine Strategie. Dazu heißt es auf ihrer Homepage:

„Es hat sich für die NPD als goldrichtig erwiesen, schon vor vielen Jahren personelle, intellektuelle und finanzielle Ressourcen auf Mitteldeutschland zu konzentrierten und dort zum Marsch in die Mitte des Volkes anzusetzen. Auch sechzehn Jahre nach der Wende kann mit Genugtuung festgestellt werden, daß die Mitteldeutschen geistig keine Bundesrepublikaner geworden (…)“

Und weiter:

„In Mitteldeutschland findet eine geräuschlose völkische Graswurzelrevolution statt. Mit einem moderaten Ton, zivilem Auftreten und alltagsnahen Themen gelingt es Nationalisten vielerorts zum integralen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens zu werden, während sich die Systemkräfte dem Volk immer mehr entfremden und in der Lebenswelt der von ihnen tief enttäuschten Durchschnittsbürger immer weniger vorkommen. Mit Plakatlosungen wie „Arbeit, Familie, Heimat“ und dem politischen Kampf gegen Zuwanderung, EU-Fremdbestimmung und Globalisierung als den Zerstörungsmächten der Zeit treffen Nationalisten zunehmend den Nerv der Menschen.“ (ebenda)

Hinter der festgestellten „Entfremdung“ und der mangelnden „republikanischen Gesinnung“ verbirgt sich, dass die Krise des Kapitalismus immer mehr Menschen dazu bringt, dieses System und seine Mechanismen in Frage zu stellen. Die in den letzten Jahren verstärkt auftretenden Tendenzen, einerseits nicht mehr wählen zu gehen, oder aber andererseits sich stärker auf „radikale“ Kräfte links wie rechts zu orientieren, zeigt das deutlich.

Demokratie und Parlamentarismus - und in diesem Zusammenhang die beiden großen „Volksparteien“ SPD und CDU - verlieren deutlich an Bindungskraft, weil das System, für das sie stehen, den Massen immer weniger soziale Perspektive bietet. Dass diese Entwicklung in Ostdeutschland besonders ausgeprägt ist, verwundert nicht.

„Jetzt steht mit den Landtagsfraktionen in Dresden und Schwerin sowie der Parteizentrale in Berlin (…) die nationale Achse Dresden - Berlin - Schwerin. Mit dieser strategischen Achse, die durch ihre parlamentarische Präsenz über Redezeiten, Mikrophone, Räumlichkeiten, Geldmittel und hauptamtliche Kader verfügt, lassen wir von Mitteldeutschland aus eine nationale Welle über das Land schwappen.“ (ebenda)

Dieses Zitat gibt klar Auskunft darüber, wie die NPD vorgeht. Die Wahlerfolge und die parlamentarische Arbeit sind für die NPD keineswegs Selbstzweck. Sie sollen der NPD den Ruf einer „normalen“ Partei verschaffen und somit für Wähler und Mitglieder der „Mitte der Gesellschaft“ attraktiv werden. So soll der nach 1945 immer noch heftige Stallgeruch des Faschismus in den Hintergrund gedrängt werden.

Nach dem Wahlerfolg in MV sprachen die NPD-Funktionäre ganz offen darüber, wie sie eine noch stärkere sozialere Verankerung erreichen wollen: durch die Einrichtung von Bürgerbüros und Jugendeinrichtungen unter ihrer Kontrolle, durch „Sozialarbeit“ und durch die Aufdeckung von Skandalen der etablierten Parteien.

Probleme der  Formierung

Bisher ist es der NPD leider recht gut gelungen, den Spagat zwischen unterschiedlichen sozialen und politischen Milieus zu schaffen und diese einzubinden. Einerseits gibt es einen national-konservativen Flügel, der v.a. dazu dient, in Biedermann-Manier demokratisch zu agieren und Mittelschichten und Kleinbürgertum einzubinden. Daneben ist in den letzten Jahren aber auch jener Flügel, der offen faschistisch-militant auftritt, stärker geworden. Zu ihm zählt die NPD-Jugendorganisation „Junge Nationale“ (JN) und etliche NPD-Führer, die aus anderen, offen faschistischen Organisationen wie der FAP, zur NPD gekommen sind.

Bisher hat keiner dieser Flügel eine klare politische Dominanz erreichen können - oder wollen. Immerhin ist es bis heute - gerade in Deutschland - schwierig, mit offen faschistischen Ansichten größeren Einfluss zu erreichen. Insofern versucht die NPD eine Balance zwischen Biedermann und Brandstifter.

Doch dahinter verbirgt sich auch ein strukturelles Problem. Es ist der NPD in den letzten Jahren nicht gelungen, die militante Faschistenszene mehrheitlich in die NPD zu integrieren. So ist die NPD den Kameradschaften und Nazi-Skinheads oft zu „zahm“. Das Verhältnis zwischen ihnen und der NPD ist eher ein kooperatives: die braune Basis macht die Drecksarbeit und den Wahlkampf vor Ort, die NPD liefert die Logistik und das Geld.

Ein weiteres Problem für die NPD ist die Divergenz ihrer nationalistischen Orientierung mit der Strategie des Kapitals, die auf Herstellung eines imperialistischen EU-Blocks zielt.

Das ist allerdings kein Grund für Entwarnung in dem Sinne, dass der Aufstieg der NPD zu einer starken faschistischen Partei unmöglich wäre. Die letzten Jahre zeigen, dass die NPD immer mehr zum Zentrum der gesamten extremen Rechten wird. Auch das Wahlbündnis mit der DVU, das jetzt noch durch die Einbeziehung der REPs erweitert werden soll, zeigt diesen Trend deutlich.

Doch weit schwerer wiegt, dass die NPD von zwei „objektiven“ Umständen profitieren kann:

Die soziale Krise wird sich weiter verschärfen, immer größere Teile der Gesellschaft an den Rand drängen und sie für „radikale“ Antworten empfänglicher machen.

Die reformistische Arbeiterbewegung (SPD, PDS, DGB) war bisher außerstande, effektiven Widerstand gegen die Angriffe von Regierung und Kapital aufzubauen und so zu einem Attraktionspol für die Massen zu werden. Auch die Bundes-WASG stellt hier keine Ausnahme dar.

Gerade die PDS hat in Ostdeutschland mit ihrer Orientierung auf Wahlen und das Schüren demokratischer Illusionen sowie durch ihre eigene Beteiligung an Sozial-Abbau-Regierungen sehr viel Image verspielt. Anstatt z.B. eine kämpferische Bewegung gegen Hartz IV aufzubauen, orientierte sie die Montagsdemos auf die „Betreuung“ der Opfer und setzt die Reform ansonsten selbst brav um.

Die Dominanz des Reformismus in der Arbeiterbewegung hat - zudem in Zeiten einer tieferen sozialen Krise - zwei fatale Folgen: einerseits das Anwachsen von Faschismus und Rassismus, andererseits das Aufkommen rein syndikalistischer, anti-politischer Strömungen als scheinbarer „Alternative“ zu den trägen und bürokratischen reformistischen Organisationen.

NPD bekämpfen - aber wie?

Die Erfahrungen zeigen auch ganz deutlich, dass es eine Illusion ist, den Faschismus zu bekämpfen, indem man auf den bürgerlichen Staat hofft. So haben z.B. die Verbote rechter Gruppierungen nur einen Effekt gehabt: dass sich die braune Szene enger um die NPD schart und somit die Gefahr der organisatorischen Vereinheitlichung der Rechten und der Schaffung einer faschistischen  Massenpartei und -bewegung sogar noch gewachsen ist.

Es ist vielmehr notwendig, den Faschisten und ihren Verbündeten auf der Straße gemeinsam entgegenzutreten, ihnen die Rede- und Propagandafreiheit streitig zu machen. Dazu braucht es ein Aktionsbündnis der Arbeiterbewegung, der Linken und MigrantInnen, das eigene Veranstaltungen schützt und die Nazis aus der Öffentlichkeit vertreibt, ihre Strukturen angreift und letztlich zerschlägt.

Die richtige Orientierung, den Nazis militant entgegen zu treten, ihre Aufmärsche, Treffpunkte, Propagandamöglichkeiten zu vereiteln, wird an sich das Problem nicht lösen.

So wie der Aufschwung der NPD auf seine Weise eine - reaktionäre - Folge der Krise des Systems ist und eine reaktionäre und scheinradikale Lösung bietet, so muss auch der Kampf gegen die NPD an der sozialen Frage ansetzen.

Das allein macht schon deutlich, dass die Antworten der Autonomen, und erste recht eine zunehmend anti-deutsch geprägten Antifa-Szene zu kurz greifen. Nicht eine militante „Ersatzavantgarde“, die Antifaschismus und Antirassismus letztlich als „separates“ Aktionsfeld ansieht, oder gar ein Bündnis mit liberalen und „aufgeklärten“ Kapitalisten sucht, kann die Nazis stoppen.

Dazu ist es notwendig, eine klassenkämpferische Bewegung aufzubauen, die eine schlagkräftige und dadurch auch glaubhafte Kraft darstellt - für die lohnabhängigen und arbeitslosen Massen und v.a. die Jugend - und nicht nur für das kleine Milieu subjektiver AntifaschistInnen und AntirassistInnen.

Natürlich brauchen wir konkrete Aktionen gegen die Nazis, ihre Aktionen und Stützpunkte - doch wir müssen auch eine alternative Kraft aufbauen: eine neue Arbeiterpartei! Diese Partei kann und muss eine gesellschaftliche Perspektive aufzeigen und alle Spektren von Widerstand zusammenführen - national wie international.

Wir brauchen v.a. eine revolutionäre Jugendorganisation, die Jugendliche anzieht und sie zum Kampf gegen den Kapitalismus führt, ehe sie den brauen Rattenfängern in die Hände fallen können.

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Nr. 114, Oktober 2006

*  DGB-Demos am 21. Oktober: Startschuss oder Rohrkrepierer
*  Nach den Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern: Rot/Rot schmiert ab
*  Kassel II: Wohin geht die WASG-Opposition?
*  CDU-Familienpolitik in Thüringen: 15 Packungen Pampers
*  NPD nach den Wahlen: Aufstieg der Ratten
*  Schweden: Nach der Wahl ist vor dem Kampf
*  Castros Krankheit: Kuba im Kreuzfeuer
*  Mexiko: Massen an die Macht!
*  Heile Welt
*  UNO, NATO, Bundeswehr: Raus aus dem Libanon!