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G20 in Hamburg

Der Countdown läuft

Chris Kramer, Infomail 951, 29. Juni 2017

Nur noch wenige Tage bis zum Beginn der Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Die Stadt bereitet sich auf eine Woche Ausnahmezustand und den größten Polizeieinsatz ihrer Geschichte vor – 15.000 Polizistinnen und Polizisten sollen zum Einsatz kommen. Damit diese auch etwas zu tun bekommen, läuft die Vorbereitung der Repression auf Hochtouren. Seit Monaten wird Chaos von den Medien propagiert, kaum ein Tag ohne G20 auf den Titelseiten der großen Hamburger Blätter Abendblatt und MoPo. Die Hamburgerinnen und Hamburger stellen sich auf den Ausnahmezustand ein, viele haben Angst und Bedenken, während der Tage in die Innenstadt zu fahren – kein Wunder bei all den Nachrichten. Straßen werden weiträumig abgesperrt, ein Sonderfahrplan des HVV wurde eingerichtet, die Behörden richten sich auf den Katastrophenfall ein, eine exklusive Gefangenensammelstelle (GESA) für DemonstrantInnen wurde in Harburg im Süden der Stadt inklusive Schnellgerichtsbarkeit eingerichtet. Zusätzlich wurden noch Häftlinge aus Knästen verlegt, um weiteren Platz zu schaffen.

Bei einer Umfrage des Hamburger Abendblatts im Mai haben 73 % geantwortet, dass sie die Innenstadt meiden wollen, 29 % wollen gar die Stadt verlassen. Aber: Ganze 35 % haben geantwortet, dass sie demonstrieren gehen wollen (siehe http://www.abendblatt.de/hamburg/article210639119/Umfrage-zu-G20-Jeder-Dritte-will-Hamburg-beim-Gipfel-verlassen.html). Bei 1,8 Mio. EinwohnerInnen wären das also schon mal über 600.000 DemonstrantInnen alleine aus Hamburg. Und das ist die entscheidende Botschaft an Merkel, Scholz, Dudde (Hamburger Polizei-Chef) und Co.: Egal wie sehr ihr den Protest zu unterdrücken versucht, er wird groß werden, er wird laut werden, und er wird stark werden. Darauf könnt Ihr Euch verlassen!

Repression und Verbot

In der Tat tut Hamburg vieles, um die Proteste zu behindern. Viele haben nicht daran geglaubt, dass es die Stadt bei der Frage der Camps wirklich darauf ankommen lässt. Schließlich müsste es der Polizei und den Offiziellen doch auch lieber sein, wenn sich alle an definierten, angemeldeten Plätzen zum Übernachten einfinden als irgendwo wild verstreut in der Stadt. Es wird mit über 10.000 DemonstrantInnen gerechnet, die auf ein Camp angewiesen sind.

Doch die Stadt legt es offensichtlich wirklich darauf an. Bis zum 28. Juni waren beide Camps, im Altonaer Volkspark und im Stadtpark, verboten. Ob sich die Polizei dem Entscheid des Bundesverfassungsgerichts beugen wird, das Camp im Stadtpark zuzulassen, bleibt abzuwarten. Zweifellos sind aber die Chancen für beide Camps seit gestern gestiegen.

Aber die Stadt bleibt so hart und stur wie möglich – die Leute könnten ja privat übernachten oder sich Hotelzimmer nehmen, so Innensenator Andy Grote. Vermutlich hat er dabei mal wieder übersehen, dass nur wenige Menschen so viel Geld verdienen wie er und seine KumpanInnen von der „neuen Gerechtigkeitspartei“ SPD. Jetzt gibt es ein juristisches Tauziehen. Zunächst hatte das Verwaltungsgericht das Verbot des Camps im Stadtpark, das als politische Versammlung angemeldet wurde, gekippt. Das Oberverwaltungsgericht hat dann wiederum das Verbot des Verbots gekippt – also bleibt das Camp doch verboten. Und heute, ganz brandaktuell, hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot des Verbots des Verbots gekippt. Also: das Camp-Verbot wurde kassiert (siehe http://www.faz.net/aktuell/g-20-gipfel/richter-widersprechen-hamburg-karlsruhe-kassiert-verbot-des-g-20-protestcamps-15082049.html). Aufatmen! Allerdings kann es Auflagen geben und eine andere Fläche zur Verfügung gestellt werden. Es sieht momentan also ganz gut aus, dass es ein (oder zwei) Camp(s) geben wird, aber wo und unter welchen Bedingungen, ist noch völlig unklar.

Nicht besser sieht es beim Demonstrationsrecht aus. Nachdem SPD- und Grüne-Senatsmitglieder erst von einem „Fest der Demokratie“ geklönt und ausgeschlossen hatten, dass es so was wie eine Verbotszone geben wird, kam Anfang Juni eine sogenannte Allgemeinverfügung, die einen „Transferkorridor“, auch blaue Zone genannt, einrichtet, in der während der Gipfeltage (7.7. und 8.7.) jegliche Demonstrationen und Versammlungen verboten sein sollen. Diese blaue Zone reicht von der Innenstadt bis zum Flughafen und ist satte 38 km2 groß.

Also sagen wir es doch lauthals, wie es ist: Die deutsche Regierung labert ständig in aller Welt von Demokratie und demokratischen Werten, bei jedem Auslandsbesuch werden die üblichen Formeln nach den Nachrichten über die wirtschaftlichen Deals angefügt. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass uns die Medien an die mahnenden Worte in Richtung Trump, Putin und Xi Jinping erinnern. Und wenn genau diese Herren dann alle auf einmal zu Gast sind, zum großen Polit-Spektakel schlechthin, na dann ist es genauso wie bei denen zu Hause: Demonstrationen verboten. This is what democracy looks like? Yes, this is what capitalist democracy looks like!

Umarmung

Aber das ist doch alles Quatsch, werden der Hamburger Oberbürgermeister und seine braven Bürgerinnen und Bürger antworten, es sind ja ganz viele Demonstrationen erlaubt. Genau, die Sozialdemokratie wäre ja nicht die Sozialdemokratie, wüsste sie nicht geschickt mit den verschiedenen Strömungen innerhalb des Protests umzugehen. Und so haben sie natürlich die Protestwelle von Campact und Co. umarmt, Scholz hat persönlich dazu aufgerufen. So soll Protest sein – ein bisschen kritisch (aber nicht zu sehr), schön brav, „konstruktiv“, und eine Woche vorher, wo sowieso noch alles entspannt ist (und die Regierungschefs weit weg). Campact und Co. steigen natürlich ein und helfen mit, den „anderen“, „radikalen“ Protest zu kriminalisieren. Im Vorfeld hatten sich Campact und die Naturfreunde mit anderen Umweltverbänden im Schlepptau dazu entschieden, den Protest zu spalten und eine brave, bürgerliche Demo eine Woche vorher anzubieten. Eine Steilvorlage für Polizei und Politik, die diese gerne annehmen. Campact-Chef Christoph Bautz legte auch noch einen drauf, als er im Interview in der MoPo erklärte, dass Sitzblockaden und allzu radikale Aktionen gegen G20 das falsche Signal seien (http://www.mopo.de/hamburg/g20/organisator-der-g20--protestwelle---sitzblockaden-sind-das-falsche-signal---27820804). Sie wollen eben gerne mit am Tisch sitzen und nicht nur demonstrieren. Klare Botschaft: Wer gerne einbezogen werden möchte und mit kosmetischen Korrekturen zufrieden ist, der kommt bitte am 2.7. auf die Protestwelle. Wer grundsätzlich etwas ändern möchte, der kann am 8.7. demonstrieren – natürlich mit der Gefahr von Wasserwerfern und Pfefferspray.

Jetzt erst recht!

Doch das kann uns nicht abhalten. Auch wenn die genaue Route der Großdemo am 8.7. noch nicht abschließend feststeht, ist es klar, dass die Demo stattfinden und richtig groß werden wird. Die größte Demo seit langem, aus ganz Deutschland und Europa werden DemonstrantInnen anreisen. Es sind über 15 Blöcke angemeldet, die durch alle politischen linken Spektren reichen. Auch hier eine klare Botschaft: This is the place to be! Treffpunkt ist 11 Uhr an den Deichtorhallen, 5 Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt.

Für uns ist klar: Jetzt erst recht! Uns kann keine Schikane, kein Hindernis, kein Verbot und keine angedrohte GESA aufhalten. Wir werden nach Hamburg kommen und Merkel, Trump, May, Putin, Xi, Temer, al-Aziz, Erdogan, Modi und allen anderen zeigen, was wir von ihrer kapitalistischen Welt(un-)ordnung halten – nämlich absolut gar nichts. Wir organisieren und mobilisieren für den Internationalistischen Block. Bereits unter der Woche organisieren wir ein Barrio auf dem spektrenübergreifenden Camp mit täglichen politischen Veranstaltungen. Wir beteiligen uns an den Aktionen, an Block G20 am Freitag, der antikapitalistischen Demo am Freitagabend, und natürlich mit einem großen und kämpferischen Block auf der Demo am 8.7. Dabei ist für uns klar, dass es um keine kosmetischen Reformen gehen kann. Es ist das kapitalistische System, das die Probleme verursacht und das bekämpft werden muss. Dafür brauchen wir politische Inhalte und ein politisches Programm. Und darüber wollen wir mit Euch ins Gespräch kommen. Denn G20 ist nur eine Etappe auf dem Weg – es geht weiter, denn die Welt steuert wieder einmal auf die berühmte Alternative zu, die Rosa Luxemburg in ihre unvergessliche Formel gegossen hat: Sozialismus oder Barbarei!

Kommt nach Hamburg! Kommt auf das internationalistische Barrio! Kommt mit uns in den internationalistischen Block!

Workers of the world, unite against G20!

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