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Ein Jahr 30. September 2010

Gegen S21 und Polizeigewalt - Klassenkampf!

Arbeitermacht-Flugblatt, Infomail 580, 30. September 2011

„Der Sinn der Volksabstimmung ist ja gerade, dass Befriedung eintritt.“ Das sagte Kretschmann (Grüne) in der ARD. „Frieden in Stuttgart“ wollte Geißler mit seiner Stresstest-Show schaffen. Zwar sind wir von einem Friedensschluss mit der Tunnel-Connection weit entfernt, aber um den Kampf gewinnen zu können, muss die Bewegung eine Perspektive entwickeln. Letztes Jahr hatten wir mehr als 100.000 auf den Straßen - doch das hat Stuttgart 21 nicht gestoppt. Manche dachten, mit freundlicher Unterstützung eines CDU-Mannes, das Projekt im Fernsehen kaputt diskutieren zu können. Aber während Millionen vor der Glotze saßen und sich das große Palaver anhörten, schrumpften die Demonstrationen auf ein paar Tausend.

Am 30.09.10 hatten Mappus & Co. ihren gesamten Gewaltapparat im Schlossgarten auffahren lassen, um unsere Massenbewegung zu zerschlagen. Sie hatten gehofft, die Demonstranten zu demoralisieren und zu verängstigen - sie haben das Gegenteil erreicht: Die meisten waren umso empörter über undemokratische Entscheidungen und den Versuch, diese gegen den Widerstand Tausender gewaltsam umzusetzen.

Eine Farce nach der anderen

Doch seit der Landtagswahl hat es keine wirklichen Massenmobilisierungen mehr gegeben, und von den hunderttausend DemonstrantInnen des letzten Jahres konnte nur ein Teil als dauerhafte AktivistInnen gewonnen werden. Die Bewegung gegen S21 ist nicht am Ende - aber sie droht, ihre Massenkraft zu verlieren und zu einer Randerscheinung dieses kapitalistischen Milliardenprojekts zu werden. Schuld hieran sind jedoch nicht die AktivistInnen, die Woche für Woche ihre Meinung über das Projekt kundtun - es sind vielmehr die selbsternannten Führer, die nicht nur verhindern, den Widerstand auf der Straße auszuweiten, sondern auch bereitwillig die Bewegung in die Fallen des politischen Gegners gelenkt haben.

Das Ziel der Schlichtungs- und Stresstest-Farce war von Anfang an, die Bewegung zu demobilisieren. Denn wenn die Entscheidung über S 21 einem privaten Debattierklub ungewählter Vertreter in die Hände gelegt wird, besteht für eine Massenbewegung kein Bedarf mehr. Da sie sogar schädlich für die Gesprächsatmosphäre war, wurde eine „Friedenspflicht“ auferlegt, die jedoch nur von den „Projektgegnern“ ernsthaft verfolgt wurde.

Nach den Gesprächen sind wir so schlau wie vorher. Es zeigt sich, dass es eine Illusion ist, man könne einen politischen Kampf einfach durch Austausch von „Argumenten“ und „Fakten“ beilegen. Die S 21-Clique ist jedoch einen entscheidenden Schritt weiter: die Bewegung wurde ausgebremst.

Auch der Stresstest hatte den Zweck, im Hinblick auf eine mögliche Volksabstimmung die „Bedenken“ der S 21-Gegner durch „neutrale“ und „wissenschaftliche“ Argumente zu entkräften. Während die AktivistInnen das Spiel mit falschen Annahmen und geschönten Berechnungen durchschaute, erwartete man, dass das „Wahlvolk“ das „wissenschaftliche“ Votum anerkennen würde.

Keine Hoffnung in die Regierung!

Auch die Hoffnungen in eine grüne Regierung haben sich als Illusionen erwiesen: die Farben haben gewechselt, die Politik blieb dieselbe. Nun sind es Grüne und Sozialdemokraten, die uns belügen, und die - falls nötig - auch Polizei und Justiz auf uns hetzen. Die Grünen haben versprochen, S 21 zu stoppen - tatsächlich jedoch konzentriert sich die Landesregierung darauf, über den „Volksentscheid“ die Bewegung gegen S 21 zu befrieden und sieht im Koalitionsvertrag die Umsetzung von S 21 vor. Dies ist kein Wunder, denn die Grünen stehen wie die CDU voll auf dem Boden des Kapitalismus und stellen sich lediglich als der bessere Manager desselben dar.

Das nächste Manöver gegen die Bewegung ist der „Volksentscheid“. Aufgrund der undemokratischen Verfahrensweise ist es recht unwahrscheinlich, dass er zu unseren Gunsten ausfällt - auch aufgrund des Medienmonopols der Projektbefürworter. Doch was werden all jene, die immer den Volksentscheid gefordert haben, tun, wenn S 21 „bestätigt“ wird? Vielleicht werden sie ihn anerkennen und den Kampf einstellen - auf jeden Fall aber wird die bürgerliche Meinungsmache dann die „demokratische Legitimation“ in der Hand haben, die immer vermisst wurde.

Wir treten dafür ein, zum Volksentscheid zu gehen und gegen S 21 zu stimmen, obwohl das hohe Quorum undemokratisch ist. Viel wichtiger ist es jedoch, die Protestbewegung wieder auszuweiten. Die nächsten Wochen geben noch einmal eine Chance, Tausende zu überzeugen - auch für den nächsten Kampf!

Das K 21-Aktionsbündnis lehnt es ab, wirksame Proteste zu organisieren und eine massive Kampagne für Massenaktionen zu starten, es ist aber sofort zur Stelle, Aktionen und AktivistInnen zu verurteilen, wenn diese sich ihrer Kontrolle entziehen, wie beispielsweise die Besetzung vom 20.6. o.a. spontane Aktionen. All jenen, die weitergehende Proteste wollen, halten sie ihre Rote Karte, den „Aktionskonsens“ vor die Nase, der in der Tat vielmehr ein politisches Diktat als einen Konsens darstellt.

Hinter dieser selbst verordneten politischen Harmlosigkeit steckt jedoch ein Missverständnis über den Charakter des S 21-Bauprojektes.

Während für viele dieses Projekt lediglich Folge „falschen Denkens“ ist, also „Fortschrittsgläubigkeit“, „Bauwut“ oder gar Größenwahn, meinen wir, dass die wahre Motivation der S 21-Protagonisten eine ganz und gar rationale ist: S 21 schafft sichere Aufträge und jahre- bis jahrzehntelang garantierte Profite auf mehreren Ebenen. Nicht nur Bauunternehmen, auch Banken, Grundstücksspekulanten und Handel haben auf lange Sicht alle Hände voll zu tun - bezahlt durch die Steuern der Arbeiter und Beschäftigten. Dies scheint gerade dadurch wichtig, dass die weltwirtschaftliche Lage sich äußerst labil darstellt und dies auch so bleiben wird. Wenn Spekulanten an den Aktien- und Finanzmärkten jederzeit ganze Staaten in die Krise stürzen können, kann ein solches Konjunkturprogramm wie S 21 zumindest zeitweise einige Branchen sichern.

Wer aber denkt, die Verantwortlichen hätten sich lediglich in ein „unsinniges“ Projekt verstiegen und würden die Überlegenheit von K 21 nicht sehen, der beschränkt sich logischerweise darauf, die „Entscheidungsträger“ mit kreativen und friedlichen Aktionen auf ihren „Irrtum“ hinzuweisen.

Wer kann das Projekt gestoppt werden?

Die Lohnabhängigen zahlen die Zeche. Sie sind aber auch diejenigen, die in der Lage wären, das Projekt zu stoppen. Solange die Polizei den Baumaschinen den Weg freiknüppeln kann, sind Demonstrationen nur symbolische Aktionen. Massive Streiks in den betroffenen Branchen und Solidaritätsstreiks in der ganzen Region würden dagegen das Projekt sofort zum Stillstand bringen. Daher treten wir dafür ein, die Arbeiterklasse gegen S 21 zu mobilisieren - und hierfür in den Gewerkschaften eine Kampagne zu starten.

Wir wollen daher dafür kämpfen, dass die Gewerkschaften in Baden-Württemberg ihre Halbherzigkeit oder „Neutralität“ gegenüber S 21 aufgeben - und Illusionen bekämpfen, S 21 würde doch in Wirklichkeit unsere Arbeitsplätze sichern. Das einzige, was S 21 sichert, sind die Profite der Unternehmen. Im Kampf gegen Krise und Arbeitslosigkeit brauchen wir keine Subvention kapitalistischer Profite - sondern massive Investitionen in Bildung, Gesundheit, Soziales - bezahlt vom Reichtum der Reichen.

Wir schlagen der Bewegung die massive Ausweitung der Proteste vor: auf der Straße, im Betrieb, in Schule und Uni. Die Bewegung muss auch zu solchen Mitteln greifen, die wirkliche und direkte Folgen für das Bauprojekt haben: Streiks und Besetzungen. Eine solche Streik- und Besetzungsbewegung sollte sich auf Komitees und Versammlungen stützen, die demokratisch die Ziele und Taktiken diskutieren und entscheiden.

Auch die Jugend muss gegen S21 mobilisiert werden! Daher schlagen wir die Vernetzung von S 21 mit Bildungsprotesten vor. Auch mit anderen sozialen Bewegungen müssen wir uns vernetzen - gegen Krise, soziale Angriffe, Sparprogramme und „Rettungspakete“, mit der Antifa und der Anti-AKW-Bewegung. S 21 ist ein kapitalistisches Krisenprogramm, wer gegen S 21 ist, sollte auch gegen Krise und Kapitalismus kämpfen!

Remember: 30. September 2010

Hunderte Bullen waren mit Kampfausrüstung und schwerem Gerät aufmarschiert, um den Schlossgarten zu räumen. Die DemonstrantInnen, die sich ihnen in den Weg stellten, wurden übel attackiert: hunderte Verletzte mussten behandelt werden, einige mit schwersten Augenverletzungen. Für die meisten AktivistInnen war dieser Tag ein Einschnitt, sie waren schockiert vom Ausmaß der Gewalt gegenüber friedlichen Demonstranten. Der Polizeieinsatz hat jedoch auch einige Illusionen gegenüber der Polizei offengelegt:

Die Polizei ist nicht neutral gegenüber unserer Bewegung. Ohne Polizei wäre S 21 nicht durchführbar.

Aufgabe der Polizei ist die Durchsetzung bürgerlicher Politik - auch mit Gewalt.

Sie ist eben nicht „unsere Polizei“ - sondern die der Regierung, die wiederum die Interessen der Kapitalisten vertritt.

PolitikerInnen und auch ehemalige Bullen haben den Polizeieinsatz als „unverhältnismäßig“ kritisiert. Klar ist, dass er seinen Zweck, die Zerschlagung der Bewegung, verfehlt hat. Doch was wäre „verhältnismäßig“ gewesen? „Etwas weniger“ Gewalt?

Wir verurteilen jede Repression gegen die Bewegung. Wir müssen uns aber auch auf Polizeigewalt vorbereiten. Wenn Bullen knüppeln, bringt es nichts, sich hinzusetzen und zu warten. Stattdessen müssen wir unsere Demos, den Schlossgarten und den Bahnhof verteidigen!

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Die Schlichtungs-Seifenblase ist geplatzt

Wie weiter im Widerstand?

Eine marxistische Analyse des Ursprungs, Charakters und der Perspektiven der Bewegung gegen Stuttgart 21

Januar 2011

*  Vorwort
*  Das Projekt
*  Die Bewegung und ihre Führung
*  Entwicklung der Bewegung und die Frage des Staates
*  K 21-Bündnis und Aktionskonferenzen
*  Wie weiter?
*  Nachsatz: Die Landtagswahlen im März