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Wie weiter im Widerstand gegen S 21?

Vorwort

Arbeitermacht-Broschüre, Januar 2011

Dass die Bewegung gegen S 21 so groß wird, kam für alle überraschend. Am meisten sicher für Mappus, Grube & Co., die glaubten, dass sie mit dem Abriss des Nordflügels und massiver Polizeigewalt die Leute in die Resignation treiben könnten. Sie haben sich in beiden Fällen geirrt und das Gegenteil erreicht.

Jetzt ist die Bewegung jedoch an einem Wendepunkt eingelangt, in der Krise. Was die Schlägertrupps am 30. September 2010 nicht geschafft haben, hat Geissler geschafft. Die Schlichtung hat der Bewegung die Dynamik genommen. Das heißt nicht, dass sie damit am Ende ist. Aber es gilt, die Lage zu analysieren und nach einem Weg vorwärts zu suchen. Hoffen auf ein Wunder bringt ebenso wenig weiter wie das Beschwören der „alten Rezepte“ zu Beginn der Bewegung.

Es reicht nicht mehr, „kreativ“ zu sein, wenn es schlicht um Macht geht. Es nützt nichts, Entscheidungsstrukturen abzulehnen, wenn Entscheidungen über die Zukunft dringend fallen müssen. Es hat keinen Sinn, weiter an die alten Führer wie Stocker zu glauben, wenn sein Weg in die Schlichtung im Desaster endete und er selbst dabei im entscheidenden Moment abgetaucht ist. Erworbene Verdienste brauchen nicht in Frage gestellt zu werden, aber sie berechtigen nicht zu Privilegien. Es nützt nichts, den „Aktionskonsens“ zu beschwören, wenn die übergroße Mehrheit der heute Aktiven ihn nicht kennt, geschweige denn mit beschlossen hat. Es gilt, ihn zu erneuern oder einen neuen zu finden - und zwar demokratisch.

Die vorliegenden Texte dieser Broschüre sind seit Oktober/November 2010 entstanden. In dieser Zeit lagen zwei wichtige Daten des Widerstands gegen S 21. Zum einen der 30. September, an dem die Landesregierung mit massiver Gewalt den Schlosspark räumen ließ, zum anderen der 30. November, an dem das „Schlichtungsergebnis“ von Heiner Geissler verkündete wurde.

Wir wollen diese Entwicklung analysieren - wie es zur Schlichtung kam und wie sich die Bewegung in dieser Zeit entwickelt hat. Seit April 2010 waren wir von der Gruppe Arbeitermacht in den Protesten aktiv und haben unsere Vorschläge eingebracht. Wir nahmen teil an der Verteidigung des Schlossparks, der zwischenzeitlichen Besetzung des Südflügels, sind weiterhin im Schlosspark präsent, ebenso auf den Aktionskonferenzen, welche seit Oktober stattfinden. Diese Broschüre legen wir auch als Vorschlag für die Bewegung vor und wollen mit allen AktivistInnen die weitere Perspektive und unsere Möglichkeiten und Ziele diskutieren.

Vernunft, Demokratie und Klassenkampf

Wir verbergen nicht, dass wir KommunistInnen sind und den Kapitalismus stürzen wollen. Wir beteiligen uns aber nicht deshalb an der Bewegung gegen S 21, weil wir glauben, dass diese - quasi hinter dem Rücken der AktivistInnen - zum Sozialismus führt.

Wir glauben allerdings, dass das Projekt S 21 sehr viel mit Kapitalismus und seiner Krise zu tun hat. Ein System, das nur deshalb wieder in Gang gekommen ist, weil Hunderte Milliarden den Spekulanten in den Rachen geworfen worden sind, um Letztere bei Laune zu halten. Milliarden, die zugleich Millionen in Armut und Not stürzen.

Wir halten es deshalb für völlig verfehlt, an die „Vernunft“ der PolitikerInnen oder Bosse zu appellieren. Gemäß deren Denken und Handeln ist es sehr vernünftig, den Menschen Geld weg zu nehmen, es nicht in Bildung oder Soziales zu stecken, sondern in ihre eigenen Taschen. Das ist nicht nur persönlich angenehm für diese Herrschaften, das ist auch durchaus systemerhaltend.

Ebenso unsinnig ist es aus unserer Sicht, an das „Demokratie-Verständnis“ der Herrschenden zu appellieren. Nein, diese parlamentarische Demokratie ist nicht dafür da, den Willen der Mehrheit zu exekutieren, sondern die Herrschaft einer Minderheit abzusichern.

Zehntausende merken, erahnen, dass mit parlamentarischen Mitteln dieses Projekt nicht zu stoppen ist und es auch vorher nie war. Aber was jetzt? Natürlich ist es prima, im März Mappus abzuservieren. Aber den Willen der Bevölkerung wird auch eine rot-grüne Regierung nicht zu ihrer Richtschnur machen, sie wird vermutlich nicht mal einen Baustopp für S 21 erlassen - auch wenn es natürlich richtig ist, dafür zu kämpfen und ihn von Grünen, SPD und Linkspartei einzufordern.

Wir wollen unser Nein zum Kapitalismus und unser Ja zur Rätedemokratie niemand aufzwingen, aber wir verstecken unsere Meinung nicht. Es ist genau diese Analyse des Konflikts, mittels derer wir beispielsweise schon zu Beginn der „Schlichtung“ sagen konnten, dass diese zu einer Niederlage wird. Weder die „Intelligenz“ noch die „Unkonventionalität“ von Geissler ändern etwas daran, dass er immer für das System war und ist, für die Herrschaft der Kapitalisten und nicht der „Vernunft“.

Daher propagieren wir weiter unsere Perspektive, dass es für den Sieg entscheidend sein muss, die Arbeiterklasse zu gewinnen. Nicht weil ArbeiterInnen bessere Menschen sind, sondern weil sie ein grundlegendes Interesse haben müssen, die Kapitalisten zu bekämpfen. Nicht, weil das ein einfacher Weg wäre: die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführungen, vor allem der IG Metall, tun alles, einschließlich der Missachtung innergewerkschaftlicher Beschlüsse, um die Belegschaften raus zu halten. Dass hier ein kampffähiges Potential liegt, konnte man am 13. November 2010 ahnen. Dass hier die Ängste der PolitkerInnen gewaltig zunehmen würden ebenso wie die der Kapitalisten und der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbürokraten, kann daran ermessen werden, wenn man sich erinnert, was im Dezember 2009 bei Daimler-Sindelfingen los war: tagelange inoffizielle Streiks, Belagerung von Verwaltungsgebäuden, 10 000 auf den Straßen - „vorrevolutionäre Zustände“ schrieb die Stuttgarter Zeitung.

Wenn wir von „Aufstand bei Abriss“ reden, sollten wir auch wissen, wie wir gewinnen können.

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Die Schlichtungs-Seifenblase ist geplatzt

Wie weiter im Widerstand?

Eine marxistische Analyse des Ursprungs, Charakters und der Perspektiven der Bewegung gegen Stuttgart 21

Januar 2011

*  Vorwort
*  Das Projekt
*  Die Bewegung und ihre Führung
*  Entwicklung der Bewegung und die Frage des Staates
*  K 21-Bündnis und Aktionskonferenzen
*  Wie weiter?
*  Nachsatz: Die Landtagswahlen im März