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Bayern

Linke wählen, aber Widerstand organisieren!

Helga Müller, Neue Internationale 132, September 2008

Am 28. September finden in Bayern Landtagswahlen statt. Noch nie war die CSU-Landesregierung so angeschlagen wie derzeit: Seien es Massenentlassungen in Traditionsunternehmen wie Siemens oder AEG, seien es die Schmiergelderaffären bei Siemens oder die lange verschwiegene Verwicklung der Bayerischen Landesbank in die Hypothekenkrise, seien es die Verschärfungen beim Versammlungs- und Demonstrationsrecht oder die Privatisierungen im Öffentlichen Dienst (allen voran die Privatisierung von Krankenhäusern und die Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung) oder sei es die Bildungspolitik, die durch starke soziale Selektion geprägt ist.

Das ist genügend Stoff, um den Oppositionsparteien die Möglichkeit zu geben, sich als „Verteidiger“ der Interessen der Bevölkerung zu profilieren. Zwar macht sich die SPD unter ihrem Landeschef Maget daran, gewerkschaftliche Forderungen wie die Unterstützung der Mindestlohnkampagne des DGB-Bayern und die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung in ihrem Wahlprogramm aufzunehmen. Doch angesichts der Politik der SPD auf Bundesebene entlarvt sich das fast von selbst als wahltaktisches Manöver. Die rot/grüne Bundesregierung hat mit der Agenda-Politik immerhin die größten Angriffe auf die Lebensbedingungen breitester Schichten der Bevölkerung durchgeführt.

Die Linke

Die Linke tritt in Bayern zum ersten Mal an. Glaubt man den Wahlforschern, hat sie durchaus Chancen, die 5%-Hürde zu knacken und in den bayerischen Landtag einzuziehen.

Ihr Wahlprogramm macht viele Versprechungen. Das Wahlprogramm bezieht sich auf die Angriffe der letzten Jahre auf ArbeiterInnen, Arbeitslose, RenterInnen, StudentInnen und SchülerInnen und formuliert Gegenforderungen. Sogar das kapitalistische Wirtschaftssystem selbst wird zumindest dafür verantwortlich gemacht, doch bleiben die Analyse und die entsprechenden Forderungen oberflächlich und ohne Konsequenzen. So heißt es am Anfang des Wahlprogramms: „Der kaum gebremste Kapitalismus schafft immer mehr Ungerechtigkeit. (...) Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist nicht in der Lage, die Arbeits- und Lebensinteressen der Menschen dauerhaft zu sichern“. Anstatt daraus die Konsequenz zu ziehen, dass es notwendig ist, für ein anderes System zu kämpfen, das in der Lage ist, durch eine geplante Wirtschaft, unabhängig vom Profitinteresse der Kapitalisten, die Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle zu sichern, will sie „die Stimme des sozialen Gewissens und der Gerechtigkeit sein, die im bayerischen Landtag bislang fehlt.“

Wie immer beruft man sich auf die Institutionen des bürgerlichen Staates. Die Linke „will, dass die guten Normen der Bayerischen Landesverfassung Wirklichkeit werden.“ Noch deutlicher wird ihre reformistische Grundhaltung in folgendem Zitat: „Wir stehen zu der im Grundgesetz verankerten Verpflichtung zur Demokratie, Sozial- und Rechtsstaatlichkeit. Wir treten für eine friedliche Politik des Ausgleichs der Interessen und der Verständigung ein.“

Durch diese Zitate wird nochmals deutlich, dass der Ansatz zur Herausbildung einer kämpferischen Arbeiterpartei mit der Gründung der WASG durch die Fusion von WASG und PDS zur Partei Die Linke vertan wurde. So hat sich nur eine weitere reformistische - wenn auch linksreformistische - Partei etabliert, welche die Illusionen der Arbeiterklasse und der lohnabhängigen Mittelschichten in die Reformierbarkeit des Kapitalismus und in die bürgerliche Demokratie und den Parlamentarismus aufrecht erhalten will.

Auch wenn sie einige Forderungen wie jene nach Arbeitszeitverkürzung in ihrem Wahlprogramm hat, die wir durchaus unterstützen, so ist ihr Programm keines, das zum Ziel hat, die bürgerliche Ordnung und das kapitalistische Wirtschaftssystem zu überwinden. Kein Wunder, dass einige Forderungen sehr stark aus dem Repertoire der Gewerkschaften kommen, haben sich doch in der Linken - v.a. in Bayern - sehr viele Funktionäre aus dem unteren und mittleren Gewerkschaftsapparat organisiert. Sie verstehen Die Linke - nachdem die SPD durch ihre Politik für ihre Ansprüche immer weniger tauglich ist - als parlamentarischen Arm der Gewerkschaften.

Warum wählen?

Auch wenn die Beteiligung an Wahlen immer mehr zurückgeht, heißt das nicht, dass die Massen ihre Illusionen in den Parlamentarismus verloren hätten. Diese Illusionen können letztlich erst unter sehr zugespitzten Klassenkampfbedingungen überwunden werden.

Der Mehrheit der Bevölkerung wird es angesichts des sich abzeichnenden konjunkturellen Abschwungs immer klarer, dass die Angriffe auf sie in den nächsten Jahren noch zunehmen werden. Aufgrund der Erfahrung mit der SPD in der Regierungsverantwortung wird ein immer kleinerer Teil der Arbeiterschaft an der Wahl der SPD festhalten. Dies wird eher dazu führen, dass die Illusionen verstärkt werden, durch die Wahl der Linken zumindest einige der Angriffe abzublocken oder SPD und Grüne zu einer „sozialeren“ oder wenigstens weniger brutalen Politik als CDU/FDP zwingen zu können.

Vor diesem Hintergrund müssen von RevolutionärInnen auch Wahlen dazu genutzt werden, den Reformismus in den Augen der Bevölkerung zu bekämpfen und zu entlarven.

Die Taktik der kritischen Wahlunterstützung von reformistischen bürgerlichen Arbeiterparteien bietet diese Möglichkeit. Sie knüpft an den Erwartungen der Massen in diese Massenparteien an, plädiert für gemeinsame Aktionen im Klassenkampf und verbindet das damit, die Politik des Reformismus zu kritisieren wie auch die eigene revolutionäre Politik zu verbreiten. So können die Reformisten einem Test in der Praxis unterzogen werden.

Das funktioniert aber nicht so, wie es die GenossInnen der SAV machen, die selbst auf der Liste der Linken kandidieren. Anstatt auf einem revolutionären Aktionsprogramm zu kandidieren, das den Namen auch verdient, und dieses auch zu propagieren, kandidieren sie zum einen für eine „soziale Politik“ oder geben als Begründung für die Wahl der Linken an, dass dadurch „dem entscheidenden Widerstand in Betrieben und auf der Straße eine parlamentarische Ausdrucksform verliehen werden“ kann.

Das stimmt so natürlich nicht, denn die Politik der Linken im Parlament ist v.a. Ausdruck der reformistischen Beschränkungen der Proteste und der Kontrolle und Begrenzung des Kampfes.

Doch das Herangehen der SAV ist auch ihrer Methode geschuldet, die meint, dass auch das Parlament für den Übergang zum Sozialismus genutzt werden könnte. Damit schüren sie die Illusionen der Massen in den Parlamentarismus und in einen friedlichen Übergang zum Sozialismus. Daran ändern auch schön klingende Sätze wie der folgende nichts: „Nötig ist eine ‚Linke' in Land- und Bezirkstag, welche bedingungslos die Interessen der Ausgebeuteten, der Beleidigten und Unterdrückten vertritt.“

Was die Linke vertritt, ist die Verbesserung der Lage der Massen - geknüpft an gewisse Bedingungen: ob es finanzierbar ist, ob die Wirtschaft boomt, ob es dafür eine „gesellschaftliche Mehrheit“ gibt usw. usf. Im Berliner Senat exekutiert die Linke schon lange ihre Politik - im Interesse der Sanierung der Landesfinanzen auf Kosten der sozialen Leistungen und der Löhne, mittels Privatisierung und Tarifbruch.

Obwohl Die Linke wie auch (noch) die SPD bürgerliche Arbeiterparteien sind (politisch bürgerlich, aber sozial v.a. auf die Arbeiterklasse gestützt), orientieren sich v.a. die linkeren, aktiveren, fortschrittlicheren Teile der lohnabhängig Beschäftigten, der Arbeitslosen und der Jugend auf die Linke und wenden sich von der SPD ab.

Darin drückt sich v.a. auch die Ablehnung der Regierungspolitik der SPD aus. Dieser Prozess ist grundsätzlich begrüßenswert und verbessert die Chance, den Reformismus zu schwächen und verbessert die Möglichkeiten zur Formierung einer wirklich antikapitalistischen Kraft.

Daher sagen wir: Wir gehen mit Euch einen Schritt gemeinsam. Wir wissen, dass das Parlament kein Mittel zur Verteidigung der Interessen der Bevölkerung ist und dass Die Linke euch verraten wird, aber wir wissen, dass ihr uns (noch) nicht glaubt.

Deswegen rufen wir bei der Landtagswahl am 28. September zur Wahl von Die Linke auf. Wir weisen aber gleichzeitig darauf hin, dass Die Linke kein taugliches Mittel sein wird zur Verteidigung eurer Interessen, weil sie eben nicht davon ausgeht, die Macht des Kapitals anzugreifen und sie durch die Organisierung des Klassenkampfes zu brechen.

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