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Streik bei Opel

Die richtige Antwort

Infomail 185, 17. Oktober 2004

Am 14.10. gab General Motors bekannt, dass über 10.000 Opel-Arbeitsplätze in Deutschland gestrichen werden sollen. Davon allein 4000 in Bochum, weitere in Schweden und in anderen europäischen Werken. Dazu kommt noch die Drohung des GM-Managements, das Werk Bochum und evtl. auch das in Rüsselsheim überhaupt zu schließen.

Daraufhin legten am 14.10. die ArbeiterInnen der Bochumer Opel-Werke die Arbeit nieder. Die Werktore wurden dichtgemacht und mit Gabelstaplern blockiert, jede Material-Anlieferung und jede Auslieferung wurde unterbunden.

Die Werksblockade der Bochumer Arbeiterinnen ist die richtige Antwort! Ohne die Bochumer Produktion, insbesondere die Achsenproduktion, wird ein Grossteil der Gesamtproduktion von GM in Europa lahm gelegt. Kein Wunder, dass die GM-Manager schnell erklärten, Streiks sei das "falsche Mittel, wir brauchen stattdessen Lösungen" (GM-Manager K.P.Forster).

Der Streik begann genau in dem Moment, als die GM-Kapitalisten Teile-Reserven anlegen wollten, um sich für eine Arbeitsniederlegung vorzubereiten. Ein klarer Hinweis darauf, dass eine Verzögerungstaktik durch Verhandlungen, wie sie in solchen Fällen von der Gewerkschaftsbürokratie oft und gern verwendet wird, die Erfolgschancen der Beschäftigten schmälert. Die OpelanerInnen zeigen sich da entschlossener: "Das geht da drinnen alles viel zu bürokratisch zu, wir müssen die B1 zumachen, dann ist Schluss hier", meinte ein streikender Kollege im ZDF-Morgenmagazin mit Blick auf die Verhandlungen zwischen Werksleitung und BR.

Die Ursache der Angriffe bei Opel wird von Medien wie von den Gewerkschaftsspitzen und BR-Chef Franz v.a. darin gesehen, dass das Management jahrelang gravierende Fehler gemacht und Opel deshalb immer mehr Marktanteile verloren hat. Das ist richtig, aber nur die halbe Wahrheit. Was diese Experten übersehen, ist die hinter der Misere bei Opel und hinter den Problemen der meisten Auto-Konzerne steckende allgemeine Krise des Kapitalismus. Riesige Überkapazitäten, immer schärfer werdende internationale Konkurrenz und eine immer deutlicher hervortretende Tendenz zum Fall der Profitrate (immer höhere Aufwendungen für Technologie und Innovationen bei relativ - und tw. auch absolut - schlechter werdenden Profiten) sind der allgemeine Hintergrund. Es geht nicht um Managementfehler - der Fehler ist das kapitalistische System, das außerstande ist, immer höhere Produktivität mit immer höherem Lebensstandard zu verbinden. Im Gegenteil!

Eine Welle von Angriffen

Die Diskussionen um Hartz IV und Agenda haben fast vergessen lassen, dass es noch eine "zweite Front" gibt. Nicht nur die Regierung, auch die Konzerne selbst greifen die ArbeiterInnen an. Daimler, Karstadt, VW, Schlecker, Philipps - jeden Tag wird ein neuer Fall bekannt, dass ein Konzern versucht, Leute zu entlassen, einen Betrieb zu schließen, die Arbeitszeit zu verlängern oder Lohnverzicht zu erpressen.

Das Kapital hat spätestens seit 2003 einen verschärften Kurs eingeschlagen. Der Kampf zwischen den Wirtschaftsblöcken, zwischen den Kapitalisten hat sich deutlich verschärft. Über einen langen Zeitraum sinkt die Durchschnittsprofitrate sowohl in Nordamerika als auch in Europa. Was der eine an miesen Arbeitsbedingungen hat, will der andere auch. Wenn Daimler-Chrysler 500 Millionen einspart, wollen - und müssen - das nach der Logik des Kapitals auch VW und General Motors. Wenn die US-Kapitalisten heuern und feuern, wie sie wollen, dann wollen sie es überall so haben. Die europäischen Kapitalisten reden von Wettbewerbsverzerrung, wenn es in Europa noch Tarifverträge und Sozialleistungen gibt …

Um soziale Sicherungssysteme, "sozialen Frieden" oder gar "die Stärkung der Massenkaufkraft" scheren sich die Konzerne einen Dreck. Jede Schwäche der organisierten Arbeiterbewegung wird gnadenlos ausgenutzt. Das alte Spiel von Forderung und Gegenforderung, um dann einen "Konsens" zu erreichen - dieses Spiel geht nicht mehr auf. Es gehört der Vergangenheit an.

Genau dies wollen und können die Co-Manager in Gewerkschaften und Betriebsräten aber nicht begreifen - aus zwei Gründen. Einmal, weil ihr politisches Grundverständnis sich insgesamt den Spielregeln des Kapitalismus, den "Sachzwängen" der Profitproduktion unterordnet und zweitens, weil diese "Arbeiter-BürokratInnen" selbst erhebliche soziale Privilegien für ihre Rolle der "Vermittler", der "Unterhändler" genießen, die in einer Situation des verschärften Klassenkampfes grundlegend ins Wanken gerät.

Aber auch viele KollegInnen haben den Gedanken der "Klassenzusammenarbeit", der "Sozialpartnerschaft" verinnerlicht; sie sind geprägt von der langen Zeit des scheinbaren sozialen Friedens nach 1945. Doch die Vorstellung, dass auch etwas für die ArbeiterInnen vom Tisch der Konzern-Profite abfällt, erweist sich immer mehr als falsch.

Die Rolle des Gesamt-BR-Vorsitzenden Franz

Franz hat versucht, im Vorfeld einen Streik zu verhindern, da es sinnlos sei, bei stagnierenden Absätzen zu streiken. Ein BR darf nicht zum Streik aufrufen, wenn "Friedenspflicht" herrscht. Doch wenn die GM-Führung ihrerseits den tariflichen "Frieden" aufkündigt - warum fühlt sich dann Franz noch daran gebunden?! Dahinter steckt nichts anderes als Vasallentreue gegenüber seinen kapitalistischen Vertragspartnern. Für deren Wohlwollen, für den "Betriebsfrieden" zum Nutzen der Profitproduktion opfert er die Interessen der KollegInnen. Während der GM-Vorstand den Krieg nicht nur erklärt, sondern begonnen hat, gibt Franz immer noch Friedenbeteuerungen ab.

Das ist kein Zufall und keine Ausnahme. Wir erinnern uns nur zu gut daran, wie Franz im Frühsommer 2003 den ArbeiterInnen in den neuen Bundesländern in den Rücken gefallen ist, als diese um die 35-Stunden-Woche gekämpft haben.

Von den Aktionen der Bochumer war Franz im Fernsehinterview sichtlich angeschlagen, wurde ihm doch Zeit und Gelegenheit genommen, allzu viele Zugeständnisse an GM zu machen. Doch welch wundersame Wandlung fand dann statt! Erst meinte Franz, Kündigungen wären unvermeidlich, wenn nur der Standort erhalten würde. Als der Streik dann lief, sagte er, man wolle soziale Härten weitgehend per Sozialplan verhindern. Als der Streik anhielt, verhielt er sich dem Streik gegenüber "neutral" und verkündete, man sei weder mit Entlassungen noch mit einer Schließung einverstanden. Das nennt man Nachtrabpolitik – in einer Situation, in der entschlossenes Handeln gefragt ist.

Diese Politik des Abwiegelns, ja Ausverkaufens der Kampfentschlossenheit der Basis hat immer wieder zu fatalen Niederlagen geführt. So zuletzt bei Daimler-Chrysler. Trotz der Kampfbereitschaft zehntausender KollegInnen wurde das Sparprogramm für DC weitestgehend verwirklicht. Doch nicht überall geht die Ausverkaufspolitik der Betriebs- und Gewerkschaftsbürokratie so glatt durch. Bei Maggi/Nestle in Singen wurde durch Streik die Pläne des Multis erst einmal gestoppt.

Solidarität ist ein Muss

Jetzt müssen die KollegInnen der IGM, aber auch der anderen Gewerkschaften und die Bevölkerung hinter den Opel-KollegInnen stehen und sie nach Kräften unterstützen. Die schnelle Solidaritätsdemonstration von Bochumer SchülerInnen für den Streik, die Mobilisierungen durch das Bochumer Sozialforum und die Versorgung der Streikposten zeigen, dass die OpelanerInnen nicht allein sind, sondern die ganze Region hinter ihnen steht.

Solidarität heißt auch finanzielle Unterstützung. Die IG-Metall will keine Streikgelder auszahlen, weil die Aktion der Opel-Leute ja formell kein Streik ist. Selbst wenn es nicht gelingen sollte, die IG Metall zur finanziellen Unterstützung eines Arbeitskampfes zu zwingen, so kann Solidarität auch durch Spenden organisiert werden. Wenn aber nur drei Millionen GewerkschafterInnen Geld geben, kommt eine Menge zusammen, um lange durchzuhalten, ohne dass die Arbeiterinnen und ihre Familien Not leiden müssen ...

Doch bei aller Solidarität – entscheidend ist, ob der Kampf über Bochum, ja über Opel hinaus ausgedehnt und so lange konsequent geführt wird, bis der Angriff komplett gestoppt ist.

Die anderen Werke in Eisenach, Kaiserslautern und Rüsselsheim werden dem Beispiel der Bochumer nicht automatisch folgen, da deren betriebliche Situation nicht unbedingt identisch ist. Doch wenn der Angriff in Bochum durchkommt, ist es nur eine Frage der Zeit, wann die anderen dran sind. Bedroht sind alle Arbeiterinnen der Automobil- und Zubehörindustrie, LogistikarbeiterInnen, Beschäftigte im Handel, Zehntausende in den Regionen um die Werke.

Wie kann der Kampf Erfolg haben, wie kann er ausgeweitet werden?

Zunächst müssen Streik-Delegationen zu anderen Opel-Werken, zu anderen Auto-Betrieben und zu umliegenden Unternehmen entsandt werden, um auch dort die Belegschaften in den Streik zu ziehen oder zumindest Solidaritätsaktionen durchzuführen. Wichtig wäre dabei v.a. der Kontakt mit VW, wo die Belegschaften sich einem rabiaten Sparprogramm ausgesetzt sehen. Auch dort bereitet der Gesamt-BR schon den Ausverkauf vor. Insofern setzt Opel Bochum auch für VW ein wichtiges Signal Richtung Streik.

Die derzeitige Aktion muss zu einem unbegrenzten Streik ausgeweitet werden, denn die permanente "Informationsveranstaltung" wird durch Gerichte sicher bald als "illegal" eingestuft werden, was Leuten wie Franz dann als handhabe gilt, den Widerstand zu beenden.

In Belegschaftsversammlungen müssen Streikkomitees/Streikleitungen gewählt werden, die der Basis jederzeit verantwortlich und bei Bedarf auch abwählbar sind. Die Führung des Kampfes und die Kontrolle über die Verhandlungen muss der Bürokratie der IG Metall und den Betriebsratsspitzen und damit deren Manövern entrissen werden! Nur so kann ein Ausverkauf verhindert werden!

Jede Zielsetzung, jede Verhandlung, jedes Ergebnis muss an der Basis diskutiert und beschlossen werden!

So schnell wie möglich müssen die aktivsten Kräfte des Streiks gemeinsam mit den Vertrauensleuten anderer Opel- und Autobetriebe eine Konferenz einberufen, auf der die Weiterführung und Ausweitung des Kampfes beraten und beschlossen wird.

Inzwischen ist vielen Lohnabhängigen bewusst, dass die betrieblichen Angriffe und die Reformen der Regierung derselben Logik folgen. Deshalb müssen die betrieblichen Kämpfe mit jenen gegen Hartz IV und die Agenda, mit den Montagsdemos, mit den Sozialforen verbunden werden. Der Solidaritätsaufruf für Opel beim Europäischen Sozialforum ist ein Schritt in diese Richtung.

Ob Opel, Daimler, Karstadt, ob Hartz IV oder Agenda 2010: all diese Vorstöße sind Teil eines Generalsangriffs des Kapitals, um die Krise ihres Systems auf die Lohnabhängigen und die Mehrheit der Bevölkerung abzuwälzen. Dieser Generalangriff verlangt nach einer generellen Antwort: Generalstreik! Die Aktion in Bochum kann, ja muss ein Auftakt dafür sein. Jede Gelegenheit, die wir versäumen, wird der Klassengegner nutzen; jede Chance, die wir verspielen, stärkt ihn und schwächt uns.

Folgerungen

Auch in Antwerpen wird jetzt auch über Streik geredet. Die Kämpfe in Österreich, in den Niederlanden zeigen, dass alle vor den gleichen Problemen stehen. Die Fiat-ArbeiterInnen in Turin, die Werftarbeiter in Spanien, Beschäftigte im Gesundheitswesens in Ungarn und Polen, Hafenarbeiter in ganz Europa, EisenbahnerInnen, Feuerwehrleute in England, sind auf einen gemeinsamen Kampf  angewiesen, sonst werden sie gegeneinander ausgespielt.

Es geht nicht um Sicherung von Standorten – was die Konkurrenz der LohnarbeiterInnen  dieser Standorte untereinander schürt – es geht um den gemeinsamen Widerstand aller Lohnabhängigen über Standort- und Ländergrenzen hinaus.

Vor 4 Jahren hat sich auch die ARBEITERMACHT an einer Solidaritätskampagne für VW-ArbeiterInnen in Südafrika engagiert. Damals hatte VW 1500 ArbeiterInnen wegen eines Streiks in Uitenhage gekündigt. Die IG Metall-Führung war nicht zu einer umfassenden Solidarität bereit. So etwas muss unbedingt der Vergangenheit angehören.

Wenn die Gewerkschaftsführungen nur an den "eigenen Standort", an "unser Sozialsystem" denken, dann werden alle vereinzelt in die Niederlage getrieben. Und es wird die Grundlage für den Vormarsch rechter und faschistischer Bewegungen gelegt.

Wenn wir gegen die Unternehmer und gegen ihre Regierung siegen wollen, müssen wir auch gegen deren Büttel in unseren eigenen Reihen siegen – gegen Franz, gegen Sommer und Bsirske. Niemand anders als diese reformistischen Bürokraten tragen die Verantwortung dafür, dass die Arbeiterbewegung jahrzehntelang entpolitisiert und eingelullt wurde, dass sie sich zur Manövriermasse für Verahndlungen degradieren ließ. Sie in erster Linie sind dafür verantwortlich, dass betriebliche Konflikte wie bei Siemens, Daimler usw. in Niederlagen endeten. Sie tragen die Hauptschuld daran, dass die Bewegung gegen Hartz und Agenda auf Proteste beschränkt blieb und keine Massenstreiks ausgerufen und vorbereitet worden sind.

Deshalb brauchen wir eine Alternative zu diesen professionellen Loosern! Wir brauchen eine organisierte Basisbewegung aus all jenen, die gegen die Angriffe kämpfen wollen. Eine Bewegung, die demokratisch und zugleich schlagkräftig ist, eine Bewegung, die eine Alternative zur gegenwärtigen reformistischen  Bürokratie in Betreib und Gewerkschaft darstellt und dafür auch kämpft.

Uns wird immer wieder eingeredet, es gäbe keine Alternative zu Kapitalismus und "Marktwirtschaft". Als seien Arbeitslosigkeit und Verelendung, Lohnsenkung und Arbeitszeitverlängerung ebenso wie Kriege naturgesetzliche Erscheinungen. Wenn wir diese "Glaubenssätze" akzeptieren, haben wir schlechte Karten. Aber wir müssen offen über ein anderes System der Produktion, der Wirtschaft reden, und darüber, wie wir es durchsetzen.

Die Fragestellung ist doch eigentlich ganz einfach: Ist es möglich, auf dem hohen Stand der Produktivkräfte, der Technik, der Wissenschaft allen ein anständiges Leben zu ermöglichen, kürzer zu arbeiten, Gesundheit für alle zu verwirklichen usw.? Und wenn ja, was steht dem im Wege?

Wenn der Kapitalismus nicht in der Lage ist, die Produktion zu organisieren, dann dürfen sich die lohnabhängigen Menschen dieses System nicht mehr leisten.

Die Opelaner erhielten schon Solidaritätsbekundungen von: MAN Oberhausen, Opel Eisenach, Thyssen-Krupp, Deutsche Steinkohle u.v.a.

15.10.04, 18:45 per SMS: Die ca. 400 TeilnehmerInnen des Workshops "Die linke in den Gewerkschaften in Europa" beim ESF in London erklären sich solidarisch mit den kämpferischen KollegInnen bei Opel Bochum!

Soli-Erklärungen an die Bochumer OPEL-Belegschaft bitte immer an die Leitung des Vertrauenskörpers und den Betriebsrat:
Fax 0234 - 989 2680 (Werk I)
Fax 0234 - 989 3499 (Werk II)

und zwecks Verbreiterung der Solidarität an Labournet:
Fax 0234 - 3254143 (e-mail: mag.wompel@labournet.de)

Sozialforum Bochum
http://www.bo-alternativ.de/opel-streik-15-10-04.htm#Mit

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