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Europäisches Sozialforum

Rechter Flügel beherrscht die Podien, die Linke die Auditorien

Infomail 143, 19. November 2003

Vom 13. bis 15.11.2003 waren die Vorstädte Bobigny, Ivry und Saint Denis Gastgeber für 50000 AktivistInnen aus ganz Europa, die auf dem Zweiten Europäischen Sozialforum diskutierten und sich vernetzten.

In diesen wenigen Tagen fanden 625 Vollversammlungen, Seminare und Workshops statt, zu denen ungefähr 900 RednerInnen geladen waren. Am Sonnabend Nachmittag demonstrierten etwa 100.000 gegen Krieg und soziale Ungerechtigkeit. Am nächsten Tag schloss ein Treffen der sozialen Bewegungen mit Überlegungen für die Aktionen des kommenden Jahres das ESF ab.

Das diesjährige Ereignis ließ sich im großen und ganzen mit dem ESF von Florenz 2002 vergleichen. Wie in Italien beherrschte die Jugend wiederum das Geschehen, zumindest was die Teilnahme an den Sitzungen anbelangt. Natürlich waren die PodiumsreferentInnen wesentlich ältere männliche und zumeist BürokratInnen, AkademikerInnen und NGO-VertreterInnen an Stelle von AktivistInnen.

Wie in Florenz waren die DiskussionsrednerInnen aus der Zuhörerschaft viel linker und radikaler als die, die auf dem Podium saßen. Das Forum 2003 hatte ein rechteres Gesicht als vergangenes Jahr, zumal Attac die führende Rolle bei der Organisierung des Forums innehielt, die Hauptplena und -referentInnen bestellte und den ideologischen Ton angab.

Bernard Cassen, Gründer des Weltsozialforums und scheidender Attac-Präsident, machte auf verschiedenen Veranstaltungen klar, dass die Antikriegsbewegung dieses Jahres die Antiglobalisierungsbewegung zu sehr radikalisiert hätte und ein Rückzug aus den Straßen nötig wäre. Der bürgerliche Reformist des 21. Jahrhunderts meinte, dass die Bewegung dem Kampf um die Macht abschwören müsse und die gutwilligen unter den Mächtigen im Westen überreden sollte, die mehr oder weniger vernünftige Politik von Attac zu übernehmen.

Der irakische Widerstand gegen die amerikanische und britische Besatzung sollte aus der Bewegung ausgeklammert werden, um nicht die Kräfte zu verschrecken, die Cassen davon überzeugen möchte, dass eine unbedeutende Steuer auf kurzfristiges Spekulationskapital notwendig sei, den Kapitalismus zu verändern - wie Attac glauben machen will.

Kaum zu betonen, dass die übergroße Mehrheit des ESF anders darüber dachte und erkannt hat, dass der Kampf gegen den Imperialismus und Kapitalismus durch unmittelbare Aktion gerecht ist.

Es blieb der Versammlung der sozialen Bewegungen am Sonntag vorbehalten, über weitere Schritte zu entscheiden. Das ESF selbst war auf Meinungsaustausch beschränkt. Auf dem vorabendlichen Vorbereitungstreffen für die sonntägliche Versammlung schloss der v.a. von Attac eingebrachte Entwurf den Aufruf für einen sofortigen Rückzug der US-Truppen aus dem Irak und einen ausdrücklichen Aufruf für einen Aktionstag gegen Sozialkürzungen und Privatisierungen aus.

Am Ende wurden schwache und ausweichende Formulierungen eingebaut.

"Wir kämpfen für den Abzug der Besatzungstruppen aus dem Irak und die sofortige Wiederherstellung der Souveränität des irakischen Volkes. Wir treten für den Rückzug aus den von Israel besetzten Gebieten und für den Baustopp und Abbruch der dortigen Mauer ein. Wir unterstützen die israelischen und palästinensischen Bewegungen, die für gerechten und dauerhaften Frieden arbeiten. Darum beteiligen wir uns am internationalen Aufruf von der US-Antikriegsbewegung und fordern einen Aktionstag am 20.3.2004.

(...)

Wir engagieren uns für die Teilnahme an Aktionen der sozialen Bewegungen, besonders für einen gemeinsamen Aktionstag, namentlich von Seiten der europäischen Gewerkschaftsbewegung. Wir rufen alle sozialen Bewegungen auf, diese Dynamik der Mobilisierung in einen Aktionstag für ein anderes Europa, Bürger- und Völkerrechte münden zu lassen, am 9.5.2004, dem Datum für das Inkrafttreten der europäischen Verfassung."

Die ganze Versammlung war in der Hand von französischen RednerInnen, die sich auf den 9.5.2004 versteiften und diesmal einen Sieg für die Rechten sicherten. Aber einen Antikriegstag am 20.3.2004 wird es geben und vielleicht auch einen 'sozialen 15. Februar'. Wenn jemand die Notwendigkeit von gemeinsamen Aktionen gegen neoliberale Attacken auf die Renten, den öffentlichen Dienst usw. erwähnte, stieg die Stimmung im Saal. Am 9.5.2004 wird eine internationale Demonstration in Rom organisiert.

Insgesamt aber ist klar, dass in der Bewegung der Sozialforen in den nächsten Monaten eine verschärfte politische Auseinandersetzung ansteht, die um die Demokratisierung und Umwandlung der Foren in echte Kampforgane stattfinden muss.

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