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Landesparteitag der Berliner PDS

Sozialistischer Eiertanz

Infomail 136, 1. Oktober 2003

Die Debatte um die Erhöhung der Kitabeiträge hat die Delegierten des 8. Landesparteitages der Berliner PDS dann doch noch aus der Ruhe gebracht. Verständlich, soll doch die Höchstgebühr für eine Ganztagsbetreuung von 286 auf 428 Euro steigen. Die dafür mitverantwortliche Regierungspartei PDS plagen offenbar Gewissensqualen. Doch was ist erbärmlicher als ein Dieb, der dem Bestohlenen auch noch sein schlechtes Gewissen aufdrängt? Tatsächlich hatte sich die PDS-Fraktion bereits zuvor für die Senatspläne entschieden. Die vier Bezirks-Bürgermeister der PDS stimmten in einer Anwandlung seltener Kühnheit im Rat der Bürgermeister mit - Enthaltung.

Fraktionschef Stefan Liebich stellte unmissverständlich fest, dass sich die Fraktion im Abgeordnetenhaus an den Beschluss des Parteitages sowieso nicht halten müsse - auch die Fraktion ist schließlich nur ihrem Gewissen verpflichtet.

Der Parteitag befürwortete noch einmal die Erhöhung der Kita-Gebühren, doch die PDS-Fraktion solle sich bemühen, mit der SPD im Detail noch einmal nachzuverhandeln.

Mit dieser mutigen wie cleveren Politik wird es die PDS bestimmt auch bald schaffen, jüngere Menschen für die Partei zu begeistern. Das ist nicht ganz unwichtig für die PDS, bei der fast 65 % der Mitglieder älter als 65 sind.

Um für junge Leute noch attraktiver zu sein, ist sie ja auch einer Landes-Regierung beigetreten, die bis Ende 2005 über 200 Mill. Euro bei Leistungen für Kinder, Jugendliche und jungen Erwachsenen einsparen will.

Politische Selbstumwertung

Weit entfernt davon, eine reale Bewegung oder Widerstand aufbauen oder führen zu wollen, laviert die PDS zwischen devoter Anbiederung und kritischer Begleitung der bürgerlichen Politik.

Wie weiland die alte SED übt sich die PDS in der "Dialektik von Kontinuität und Erneuerung". Früher diente sie dem Wertesystem des DDR-Staates und ordnete diesem die Interessen der Arbeiterklasse unter. Heute ist das ganz anders. Sie orientiert sich am Wertesystem des deutschen Imperialismus und ordnet diesem die Interessen der Arbeiterklasse unter.

Das nimmt so obskure Formen an, dass die PDS - die immer noch als nicht verfassungskonform verdächtigt wird - das Grundgesetz am ernsthaftesten verteidigt. Diese Rolle übernimmt sie gegenüber den Angriffen auf das Sozialsystem durch die Bundesregierung ebenso wie gegenüber den Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Doch die PDS denkt dabei nicht etwa an antiimperialistische Mobilisierung. Sie spezialisiert sich darauf, die völkerrechtlichen Ungereimtheiten zu betonen.

Für alle Konflikte fällt ihr auch immer die passende Universallösung ein: die UNO. Das geht so weit, dass sie einen positiven und unkritischen Bezug auf die UNO in ultimativer Weise einforderte, um so den Aufruf zum internationalen Aktionstag gegen die Besetzung des Irak und die Solidarität mit der Intifada zu unterstützen.

Auch ihr Engagement gegen die Agenda 2010 offenbart eine besondere Originalität. Sie beruft sich auf den Verfassungsrang der sozialen Sicherheit, auf keynesianische Argumentationen und verbindet diese krude Mischung mit einer Kritik am Abbau sozialer Leistungen, der verstärkten Deregulierung des Arbeitsmarkts, am Rückgang der Massenkaufkraft etc.

Ausgerüstet mit diesem schillernden Argumentationsprofil trägt sie ihre 'Agenda sozial' ins Parlament, wenn sie sonst schon nichts zum Aufbau von Widerstand beiträgt.

'Sozialistische' Praxis

PDS-Sozialsenatorin Knake-Werner forderte vom Parteitag Wertschätzung dafür, dass die Partei Schlimmeres verhüte. Die hohe Verschuldung der Stadt verlange eben derbe Kürzungen. O-Ton Liebich: "Wer kürzt, der nimmt, das ist nun mal so und das tut weh." Wer hätte das gedacht - und geglaubt, dass so etwas als politische Grundlage einer "sozialistischen" Partei ausreichen könnte?! Aber Sumpf ist ja auch eine Art Untergrund ...

Bekannt wurde die PDS jüngst auch durch ihr Mittun beim Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst. Die ca. 60.000 Beschäftigten des Landes Berlin verdanken der reformerischen Mitwirkung der PDS immerhin ein Einkommensminus von etwa 10%! Das ist Spitze in der Geschichte der Bundesrepublik. Vorwärts zu neuen Reformhöchstleistungen! Bis 2009 spart Berlin damit insgesamt 2,16 Mrd. Euro an Personalkosten. Aber, Genosse Liebich, da ist doch bestimmt noch mehr drin, oder?!

Die PDS ist eine Partei, die auf Bundesebene gegen jene unsoziale Politik zu bekämpfen vorgibt, die sie auf regionaler Ebene selbst exekutiert.

Insofern wundert es nicht, dass Oskar Lafontaine vorschlug, dass die PDS mit der SPD in den neuen Bundesländern fusionieren soll. Das ist insofern nicht ganz abwegig, weil die politische Differenz zwischen PDS und SPD immer mehr verschwindet. Auch deshalb bot ihm Gysi seinerseits nun den Eintritt in die PSA an. Zwei gescheiterte Reformer in einer Partei - wenn das kein Fortschritt ist?!

Gerade Berlin ist ein Musterbeispiel dafür, was (scheinbar) linker Reformismus in der Praxis bedeutet. Da man die Sachzwänge des Kapitalismus, z.B. die Verschuldung der Kommunen, akzeptiert, tendiert der Reformspielraum gegen Null. Das Lavieren zwischen Pest und Cholera wird dann noch als Reformbemühung und Suche nach Alternativen ausgegeben, bevor das Personal - im Fall Berlin Wirtschaftsenator Gysi - dann entnervt das Handtuch wirft.

Die Geschichte von Buridans Esel erzählt, wie das edle Tier verhungert, weil es sich nicht entscheiden kann, von welchem der zwei Heuhaufen es fressen soll.

Wahrscheinlich wird es der PDS ähnlich gehen. Nur sind ihre Heuhaufen - die reformistischen Illusionen hier, die Zwänge des Kapitalismus dort - beide gleich unverdaulich. Prost Mahlzeit, PDS!

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