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Österreich nach dem 3. Juni

Eine Million streikte -
was jetzt?

ArbeiterInnenstandpunkt, 4. Juni 2003

Der Streik vorgestern grenzte von seiner Teilnehmerzahl her fast an einen Generalstreik. Die Beteiligung von einer Million Lohnabhängigen in 18.000 Betrieben bedeutet, dass ein Drittel aller ArbeiterInnen an diesem Arbeitskampf teilnahmen - und das, obwohl die Gewerkschaft in vielen Bereichen (z.B. Handel) gar nicht mobilisierte. Angesichts von oft nur 20-50% der Lohnabhängigen, die bei Generalstreiks in Frankreich oder Italien teilnehmen, kann sich der Streik am 3. Juni 2003 hierzulande im europäischen Vergleich durchaus sehen lassen.

Insgesamt können wir feststellen, dass das von uns vorausgesagte Ende der jahrzehntelangen Klassenkampfruhe in Österreich mit dieser dritten großen Arbeiteraktion innerhalb kürzester Zeit (nach dem Streik am 6. Mai und der Großdemonstration am 13. Mai) endgültig und definitiv vorbei ist. Entgegen allen postmodernistischen Beerdigungsreden abgehalfterter Schreibtischintellektueller lebt die Arbeiterklasse und bewegt in der politischen Landschaft weit mehr als die pseudoklugen Diskurse der zivilgesellschaftlichen Orientierungslosigkeit.

Aber auch wenn der praktische Klassenkampf einen eindeutigen Sieg über die Sprechblasen der linksliberalen Uni-Schickeria eingefahren hat, so ist er bislang am weitaus stärkeren Gegner - der herrschenden Klasse und ihrem schwarzblauen Exekutivorgan - gescheitert. Die Verantwortung dafür trägt einzig und allein die Gewerkschaftsbürokratie.

Denn Streik ist nicht gleich Streik. Die ÖGB-Spitze hat das eigentümliche Talent, eine enorme Mobilisierungsfähigkeit mit politischem Dilettantismus zu kombinieren. Der Streik - so beeindruckend er von seiner Größe her auch war - wurde gleichzeitig von der Bürokratie äußerst passiv und zersplittert gehalten.

Statt die Beschäftigten aus den Betrieben zu einer gemeinsamen Großaktion - zumindest innerhalb einer Stadt - zu mobilisieren, beließ die Gewerkschaftsbürokratie die KollegInnen entweder überhaupt in den Betrieben oder organisierte nur kleine Aktionen und "offene Betriebsversammlungen" auf der Straße. Einige Blockaden wurde bereits im Vorfeld abgesagt.

Viele dieser Versammlungen blieben daher leider auch sehr klein. Die offene Betriebsversammlung der Bankangestellten in Wien war kleiner als die letzte am 24. April, was wiederholt auch von den Rednern Verzetnitsch und Sallmutter angemerkt wurde. Die GPA-Demonstration auf der Mariahilferstraße glich einem beschaulichen Trauermarsch mit 200 ProzessionsteilnehmerInnen. Nur der REVOLUTION-ArbeiterInnenstandpunkt-Block (sowie drei AGM-GenossInnen) störten die Ruhe mit Losungen für den Generalstreik und gegen die Regierung.

Aktivitäten im Streik

AktivistInnen des ArbeiterInnenstandpunkt (ASt) und der Jugendorganisation REVOLUTION nahmen in den Betrieben und auf der Straße am Streik teil. Bei der Post beteiligten wir uns an den Streikpostenketten, im Metallbereich nahmen wir an einer Betriebsversammlung von mehreren hundert KollegInnen teil und verkauften unsere neue Zeitung mit dem Titel "Generalstreik jetzt!".

Bei der offenen Betriebsversammlung der Bankangestellten in Wien drückten wir mit einem Transparent "Solidarität mit dem Streik" und Flugblättern unsere Unterstützung für den Widerstand aus und drängten gleichzeitig auf die Ausweitung des Kampfes bis hin zu einem unbefristeten Generalstreik.

Am Nachmittag beteiligten wir uns an der GPA-Demonstration auf der Mariahilferstraße und danach an der offenen Betriebsversammlung der Einrichtungen aus dem Sozial- und Jugendbereich in Wien unter Beteiligung des Handels vor dem Museumsquartier, die noch eine der größten war und vom Aktivisten des ArbeiterInnenstandpunkt und Betriebsratsvorsitzenden des Fonds Soziales Wien Axel Magnus moderiert wurde.

In Graz nahmen AktivistInnen von REVOLUTION an der Demonstration der Bau-Holz-ArbeiterInnen teil und bekundeten ihre Unterstützung für den Streik.

Das Scheitern der reformistischen Gewerkschaftspolitik

Mit der Einigung von ÖVP und FPÖ über die Details des Pensionsraubes wurde nun auch endgültig das Scheitern der reformistischen Strategie offensichtlich. Verzetnitsch, Sallmutter & Co - ganz zu Schweigen vom Weinprofi und Politamateur Gusenbauer - wollten die Regierung niemals ernsthaft durch eine Massenstreik in die Knie zwingen. Ihr Ziel beschränkte sich darauf, den massiven Unmut an der Basis für einzelne Protestaktionen auszunützen, die wiederum Druck auf Teile der Abgeordneten der Regierungsparteien ausüben sollten. Die reformistische Bürokratie hoffte, so Zugeständnisse erzwingen zu können, ohne gleichzeitig eine Massenstreikbewegung zuzulassen, die nur allzu leicht ihrer Kontrolle entrinnen könnte.

Kaum verwunderlich stehen die VertreterInnen der reaktionärsten Teile des Kapitals - Haider und die FPÖ - ihren Klassenbrüdern und -schwestern aus der Bourgeoisie in Gestalt der ÖVP hundertmal näher als der ArbeiterInnenbewegung. Bei letzterer beschränken sich die Gemeinsamkeiten höchstens auf die Rotwein- und Spargelvorlieben von deren offiziellen RepräsentantInnen.

Viele KollegInnen in den Betrieben sind mit der Streiktaktik der Gewerkschaftsführung auch höchst unzufrieden. Unsere Erfahrung in den letzten Tagen gerade aus dem LehrerInnen- und Postbereich ist, dass viele KollegInnen mehr als einen eintägigen Streik wollen, da dessen Wirkungslosigkeit immer offensichtlicher wird.

Doch Verzetnitsch scheint sich bereits mit der Niederlage abgefunden zu haben - nicht anders sind seine Worte vom "zur Kenntnis nehmen der parlamentarischen Mehrheit" zu interpretieren. Aber Verzetnitsch und seine KumpanInnen an der Spitze der Gewerkschaft verlieren sicherlich nicht allzu viel durch den Pensionsraub - wir, die Millionen KollegInnen in den Betrieben und Schulen jedoch schon!

Wir müssen es klar sagen: Die Bürokratie reitet uns in die Niederlage, wenn wir sie nicht daran hindern! Deswegen ist es höchste Zeit für den Aufbau einer Basisbewegung in den Gewerkschaften, die darin für eine radikale Demokratisierung sowie einen klassenkämpferischen Kurs kämpft.

Ein weiteres Luftschloss, das durch den jüngsten Klassenkampfaufschwung zerstört wurde, ist das Hoffen der Gewerkschaftsbürokratie auf ein gemeinsames Vorgehen mit den SozialpartnerInnen - insbesondere der Wirtschaftskammer. Auch hier können sie noch nicht einmal das Einmaleins, das uns sagt: die Gesellschaft ist in Klassen gespalten, deren Interessen grundsätzlich gegensätzlich sind. Leitl's Solidarität mit dem Henkersknecht der Bourgeoisie - Wolfgang Schüssel - drängt die Bedeutung der langjährigen Bekanntschaft (Freundschaft?) mit dem ÖGB-Präsidenten ins Reich der Belanglosigkeiten. Die einzige Sprache, die das Kapital versteht, ist die des proletarischen Kampfes und der durch Streiks verursachten Gewinneinbußen, nicht aber das süßliche Gesäusel am runden Tisch!

Unbefristeter, aktiver Generalstreik jetzt ... oder Niederlage!

Die Regierung will nun allem Anschein nach die Pensionsreform rasch durchziehen. Mit anderen Worten: es ist 5 Sekunden vor 12. Wir haben noch 10 bis 14 Tage Zeit - dann ist der größte Pensionsraub der österreichischen Geschichte über die Bühne gegangen. Die wichtigste Aufgabe aller fortschrittlichen ArbeiterInnen und Jugendlichen ist es daher nun, für einen sofortigen, ungefristeten Generalstreik einzutreten und die Gewerkschaftsführung von der Basis her dazu zu zwingen.

Wir schlagen daher vor, umgehend mit einer Offensive der Basis gegen die Bürokratie zu beginnen!

Bombardieren wir gemeinsam die Gewerkschaftszentralen mit hunderten und tausenden e-mails für einen Generalstreik bis die Pensionsreform fällt! (Diese könnten etwa wie unsere unten stehende Modellresolution aussehen)
Berufen wir doch Versammlungen in den Betrieben ein, wo wir Aktions- und Streikkomitees bilden, um den Widerstand an der Basis zu organisieren.

Der Beschluss der Streikversammlung des BORG 3 in Wien lautet zurecht: "Wir verlangen die Fortsetzung gewerkschaftlicher Maßnahmen - allenfalls eines unbefristeten Streiks - bis zur Rücknahme der unpädagogischen, überfallsartig verhängten Stundenkürzungsverordnung." Warum also nicht auch ein unbefristeter Streik gegen den Pensionsraub?!

Ein solcher Generalstreik darf aber nicht so passiv bleiben wie der 3. Juni 2003. Die RevolutionärInnen in Argentinien haben daraus zurecht die Schlussfolgerung gezogen, nicht einfach für irgendeinen Streik einzutreten, sondern für einen aktiven Generalstreik! Unsere Losung lautet daher:

Für einen aktiven Generalstreik mit Blockaden und Großdemonstrationen!

Der ArbeiterInnenstandpunkt und die Jugendorganisation REVOLUTION werden in den kommenden Tagen und Wochen für eine solche Perspektive eintreten. Wir rufen all jene, die unsere Vorschläge unterstützen und aktiv werden wollen, auf, mit uns Kontakt aufzunehmen und gemeinsam in der Streikbewegung für eine zielführende Strategie zu kämpfen.

Für einen aktiven Generalstreik gegen die Pensionsreform!
Für die Bildung von Aktions- und Streikkomitees in den Betrieben, Arbeitsplätzen, Universitäten und Schulen!
Für eine österreichweite Konferenz aller BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen und gewerkschaftlichen Vertrauensleute, die über den weiteren Kampf entscheidet!

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