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Manuel Kellners NaO-Bilanz

Viel Lärm und Nichts

Michael Prütz, Michael Eff, Infomail 893, 12. Juli 2016

0) Vorbemerkung: Nach langer, fünfjähriger Aufbauphase ist die NaO gescheitert. Die „Berliner Erklärung“, was auch immer man inhaltlich von ihr halten mag, ist der öffentliche und offizielle Schlussstrich. Obwohl der NaO-Prozess durchaus auch positive Reaktionen im linksradikalen Lager ausgelöst hatte, hat diese Auflösung in der radikalen Linken keine große Resonanz erfahren. Um so erfreulicher ist es, dass mit Michael Kellner (M.K.) überhaupt jemand Position bezieht. Wir stellen nicht den Anspruch, ein weiteres „NaO-Bilanzpapier“ zu erstellen. Uns geht es lediglich darum, ein paar Punkte aus dem Papier von Manuel Kellner „Die Neue antikapitalistische Organisation (NaO) ist aufgelöst. Woran ist sie gescheitert?“ klarzustellen.

1) Was wir ähnlich sehen

In drei Punkten können wir Manuel Kellner (M.K.) zustimmen: a) Es ist wohl richtig, dass die „positive Dynamik“ einer möglichen NaO-Entwicklung überschätzt wurde und darüber Illusionen bestanden; b) der Propagandastil war kritikwürdig. Schon in unserem Papier vom 24.6.15 „ ‚Vernunft kann es nur in Verzweiflung und Überschwang aushalten’ (Adorno)“ schrieben wir: „D. h., unsere Propaganda hat in aller Regel zu erklären und nochmals zu erklären und nicht aufzurufen. Der Stil im ‚Nieder mit…’ und umfangreiche Forderungskataloge am Schluss wirken einfach lächerlich. Unsere Ausdrucksweise ist manchmal etwas schablonenhaft und ein Schuss Humor und Selbstironie würde uns ganz gut anstehen.“ (Wir wissen allerdings nicht, ob M.K. dieses Papier zur Kenntnis genommen hat); c) es stimmt, dass es NaO-Berlin nicht gelungen ist, „die angestrebten kontinuierlichen Arbeitsfelder (Betrieb/Gewerkschaft und Stadtpolitik) aufzubauen.“

2) Polemik ohne Inhalte

M.K. bringt es fertig, auf über vier Seiten einen Vorwurf an den anderen zu reihen, ohne eine einzige Begründung oder einen beispielhaften Beleg. Da ist die Rede von:

„Triumphalismus“

„ Gruppen und Einzelpersonen… von denen die meisten sektiererische Züge trugen“

„Einengung des politische Blickwinkels“ und

„Überschätzung der eigenen Urteilskraft“;

„Allianz aus politischem Eventmanagement“, dass

„Strömungen und Einzelpersonen darum wetteifern, wer nur der radikalste und revolutionärste sei“;

„keine Bereitschaft zur reflexiven gemeinsamen Weiterentwicklung von Positionen“ (mit wem denn, wenn RSB und isl durch personelle und/oder programmatische Abwesenheit glänzten? M.P., M.E.);

„kurzschlüssigen Selbstgewissheiten der GAM-Kader“;

„kostümierte Nachspieler einer heroischen Vergangenheit gewisser idolatrierter Vorbilder“;

„ihre mittleren Kader und Adepten aber können nur die drei Dutzend Wahrheiten artikulieren“;

„Die Suggestion der verbürgten Wahrheiten ist zu stark, das Problembewusstsein für die…Probleme der Gegenwart zu gering“.

So reiht sich das über vier Seiten hin ohne eine einzige inhaltliche Begründung. Umgangssprachlich formuliert: M.K. ist ein Sprücheklopper.

3) Nebulöse Andeutungen

a) Zur Kampagne „Waffen für Rojava“ schreibt M.K.: „wobei dies (die Parole ?, M.P., M.E.) schon Ausdruck einer gewissen Einengung des politischen Blickwinkels war und einer selbstgewissen Positionierung in internationalen Konflikten, die eine Überschätzung der eigenen Urteilskraft mit beinhaltete).“

Geht’s bitte schön noch ein bisschen kryptischer? Wieder keine einzige inhaltliche Silbe. Sieht so die von M.K. geforderte „reflexive(n) gemeinsame(n) Weiterentwicklung von Positionen“ aus? Dabei wären doch hier ein paar selbstkritische Bemerkungen angebracht gewesen, dass die trotzkistische Bewegung mit wenigen Ausnahmen nichts für die Rojava-Solidarität getan hat. Dabei hat im Trotzkismus die internationale Solidarität mit Befreiungsbewegungen (z.B. algerischer Befreiungskampf, Vietnam, Salvador etc.) durchaus eine große Tradition. Diesmal herrschte eine weitgehende Ignoranz vor. Wenn hier jemand, bei aller möglichen Kritik, aus dem trotzkistischen Lager seiner internationalistischen Pflicht nachgekommen ist, dann die NaO.

b) Zum NaO-Manifest finden wir folgende erhellende Ausführungen: „Der Text selbst war als Ausgangspunkt für weitere Verständigung für isl und RSB akzeptabel. Als Endpunkt und Ausgangspunkt einer NaO-‚Gründung’ auf Bundesebene taugte er aber weniger – zuviel ‚Proklamation’, zu viel ‚Gewissheit’, zu wenig Bereitschaft zur Reflexion ungeklärter Fragen…“

Kein einziger Satz als Begründung, kein Beispiel, kein Textbeleg – nichts.

c) Zu Griechenland; hier scheint es zunächst inhaltlich zu werden. „Nach Bildung der Regierung Syriza-ANEL in Griechenland hatten sie daher rasch eine Antwort parat: Raus mit den bürgerlichen Ministern! Warum? Weil das 1917 die Forderung der Bolschewiki an die zusammen mit bürgerlichen Kräften regierenden Menschewiki und Sozialrevolutionäre war – das ist ein Teil des Kanon der revolutionär-marxistischen (‚trotzkistischen’) Überlieferung.“

Der Vorwurf lautet dann eines „Urteilens über aktuelle Prozesse nach Analogien, die aus der Vergangenheit geschöpft sind“. Das ist schlicht eine Unterstellung. Die Begründung der Forderung nach Aufkündigung der Koalition war nicht eine historische Analogie, sondern dass ANEL eine bürgerliche Partei ist (weit rechts stehend, auch mit besten Verbindungen zu griechischen Großreedern und zur orthodoxen Kirche) und dass ein solches Bündnis nur bedeuten kann, der herrschenden Klasse zu signalisieren, dass der Kapitalismus nicht infrage steht, dass man den Klassenkampf nicht mobilisieren werde. Der Verzicht auf eine solche Mobilisierung aber zieht dann die Kapitulation in Brüssel nach sich. So lautete (verkürzt) die Argumentation und in diesem Argumentationszusammenhang sind dann historische Analogien durchaus zulässig. Man mag diese Argumentation teilen oder nicht, aber man baue doch keinen Popanz auf, dass man nur mit historischen Analogien arbeite!

M.K. selbst enthält sich in dem Papier – wieder einmal – vornehm einer inhaltlichen Positionierung zur Koalitionsfrage. In diesem Zusammenhang wären schon ein paar selbstkritische Bemerkungen zu der Art der politischen Unterstützung der isl gegenüber Tsipras schön gewesen.

4) Passivität als Prinzip – zur Rolle von RSB und isl

Wir gehen davon aus, dass, wenn eine Organisation etwas unterschreibt, sie das auch alsOrganisation mitträgt. Wenn Bedenken bestehen, unterschreibt man das NaO-Manifest nicht (im äußersten Fall stellt man seinen Mitglieder frei, sich daran zu beteiligen).

Die Passivität von isl und RSB in der NaO aber grenzte an Boykott (mit Ausnahme der Kölner und einzelner GenossInnen). Man kann anderen schlecht vorwerfen, dass sie eine Position durchsetzen, wenn man selbst personell und programmatisch kaum anwesend ist. Statt einer weitgehend inhaltslosen Polemik gegen die aktiven Teile der NaO stünde RSB und isl eine umfassende selbstkritische Einschätzung gut zu Gesicht. Stattdessen folgender Eiertanz: “Für die isl war die Teilnahme Teil des üblichen ‚Spagats’, und im Übrigen war sie in ihren Reihen umstritten: ein Teil ihrer Mitglieder arbeitet in der Partei Die Linke und in deren antikapitalistischem Flügel mit, auch zu IL im Werden bzw. später zur IL bestanden und bestehen Verbindungen unterschiedlicher und wechselnder Intensität; eine Reihe von Mitgliedern der isl räumten dem NaO-Prozess von Anfang an wenig bis keine Erfolgschancen ein und fanden die Teilnahme daran eine Kräfte- und Zeitverschwendung.“ Und, weiter unten: „RSB und isl haben keine Veranlassung, von oben herab auf das Scheitern der NaO zu blicken (immerhin! M.P.,M.E.). Auch ihnen ist es nicht gelungen, eine positive Dynamik im NaO-Prozess auszulösen. Das mag mit den geringen investierten Kräften zusammenhängen oder auch mit der Unfähigkeit, in dem mit dem NaO-Prozess gegebenen Zusammenhang überzeugende und mitreißende Perspektiven zu formulieren. Jedenfalls waren isl- und RSB-Mitglieder in diesem NaO-Zusammenhang nicht die entscheidenden Akteure“.

„Nicht die entscheidenden Akteure“, – diese Formulierung ist ein schlechter Witz und/oder eine klassische Nebelkerze – RSB und isl stellten (mit wenigen Ausnahmen) kaum „Akteure“.

Isl und RSB haben nicht eine einzige Initiative ergriffen, die das NaO-Projekt vorangetrieben hätte. Nur als ein Beispiel der passiven bis destruktiven Haltung von RSB und isl: Als wir 2013 in Berlin die Veranstaltung mit Besancenot planten, wurde uns lediglich die Vergeblichkeit einer solchen Veranstaltung vorgehalten („Da kommen höchstens 50 Leute“). Es kamen aber über 300. Aber auch dann keinerlei Initiative, diesen Erfolg im Bundesgebiet zu verbreitern.

5) Unklarheit als Prinzip

Wir haben in unserem Papier „Vernunft kann es nur in Verzweiflung und Überschwang aushalten“ (siehe oben) im Abschnitt über „Programmatische Klarheit und ihre Grenzen“ einiges gesagt, was wir hier nicht wiederholen wollen, aber was M.K. in dem Papier zum Aufbau einer antikapitalistischen Linken im Abschnitt „Fragend vorwärts schreitend“ an inhaltsloser Phrasendrescherei liefert, ist kaum zu überbieten. Da ist die Rede von „antikapitalistisch gesonnenen Menschen…zusammenzuführen“ (?), von „Verständigungsprozesse mit viel breiteren Kräften“ (?) und sich „mit solchen Kräften zu verständigen…zu einer gemeinsamen politischen Kraft zu verbinden“.

Kann alles richtig sein, aber ebenso auch alles falsch. Genau das zeichnet inhaltslose Phrasendrescherei aus.

Eine ironische Schlussbemerkung sei uns gestattet: Dass ein derart inhaltsloses Papier „Vom isl-Sekretariat zur Veröffentlichung gebilligt“ werden muss, entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Berlin, 3.7. 2016

Michael Prütz, Michael Eff

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