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Türkei

Das war kein Unglück, das war Mord!

Svenja Spunck, Infomail 751, 16. Mai 2014

Am 13. Mai ereignete sich im Kohlebergwerk Soma in der Provinz Manisa, ca. 40 Km von Izmir entfernt, der schwerste Grubenunfall der Türkei seit 20 Jahren. Bisher wurden rund 250 Todesopfer bestätigt, 360 Überlebende konnten geborgen werden - zum Zeitpunkt der Explosion waren allerdings 787 Kumpel unter Tage.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und seine regierende „Partei für  Gerechtigkeit und Aufschwung“ (AKP) ließen die Fahnen im Land auf Halbmast setzen und riefen eine  dreitägige Staatstrauer aus.

Zynismus

Als Erdogan am Mittwoch nach Soma fuhr, um den Betroffenen sein Mitleid auszusprechen, empfingen ihn dort die wütenden und traurigen Angehörigen der Verstorbenen und Vermissten, denn für sie ist klar, wer die Schuld an dem „Unfall“ trägt. Zurecht kritisieren sie und die großen Gewerkschaften, dass es eben nicht einfach ein Unglück war, sondern Mord.  Mangelhafte Sicherheitsbedingungen in vielen Firmen, z.B. auf Baustellen, sind in der Türkei nicht selten. Nach diesem Unfall steht die Türkei an der Spitze der Länder mit den meisten toten Bergarbeitern weltweit, sogar noch vor China. Der Durchschnittslohn eines Bergarbeiters liegt übrigens bei nur 360 Euro pro Monat.

Erdogan sagte schon 2010, als 30 Bergarbeiter gestorben waren, dass man in diesem Beruf eben mit solch einem Schicksal rechnen müsse. Zynischer kann man es wohl kaum sagen. Interessanterweise stellten die Oppositionsparteien vor zwei Wochen einen Antrag im Parlament, genau in diesem Bergwerk die Sicherheitsstandards zu überprüfen. Sie wurden  jedoch von der AKP überstimmt.

Seit Anfang des Jahrhunderts werden die Bergwerke in der Türkei privatisiert, was zu extremen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und zu großen Sicherheitsmängeln führte. Es ist auch kein Zufall, dass die Chefetage der Mine von Soma enge Verbindungen zur AKP hat. Während des letzten Wahlkampfes stellte das Soma-Coal-Unternehmen die sogenannten „Charity Coal Bags“ für die Partei zu Verfügung, die an die BewohnerInnen verteilt wurden, um Stimmen zu sammeln.

Doch wie heuchlerisch und verlogen diese Partei ist, zeigt sich auch daran, dass Erdogan diesen Massenmord an Arbeitern damit rechtfertigt, dass es immer wieder Unfälle in Gruben gegeben hätte und beruft sich dabei auf Zahlen aus dem 19. Jahrhundert.

Genau das beschreibt die Politik dieser Regierung, die das Land „nach vorne“ bringen will - koste es, was es wolle, Lebensinteressen oder das Leben selbst zählen dabei nicht.

Aktionen

Doch die Explosion im Bergwerk hat eine soziale Explosion im ganzen Land zur Folge. Seit Mittwochabend versammeln sich die Menschen in den großen Städten wie Izmir, Ankara, Istanbul und im kurdischen Diyarbakir, um den Rücktritt der Regierung zu fordern. SchülerInnen und Studierende bestreiken Schulen und Universitäten, um ihre Solidarität mit den Bergarbeitern zu zeigen. Der staatliche Gewerkschaftsverband Türk-Is rief für Donnerstag zu einem „Tag der Trauer“ und zur Arbeitsniederlegung auf. Auch der linke Gewerkschaftsverband DISK forderte seine Mitglieder zu einem eintägigen Streik auf.

Auf den Straßen greift die Polizei wieder hart gegen die DemonstrantInnen durch, es gab viele Verletzte, denn die Regierung duldet keine Kritik.

Erdogans Regierungssprecher Yusuf Yerkel wurde dabei fotografiert, wie er ganz persönlich einen Demonstranten in Soma verprügelt, der obendrein ein Angehöriger eines Opfers gewesen sein soll.

Wir bekunden ebenfalls unsere tiefe Trauer gegenüber den verstorbenen Arbeitern und ihren Angehörigen. Wir verurteilen die Politik der Regierung, die Tote billigend in Kauf nimmt, um den Profit der Bourgeoisie zu garantieren. Wir stehen Seite an Seite mit den DemonstrantInnen, die auf die Straße gehen und sich gegen diese menschenverachtende Politik zur Wehr setzen!

Doch es darf nicht bei der Forderung nach dem Regierungsrücktritt bleiben! Spätestens die tragischen Ereignisse in Soma zeigen, dass die Kapitalisten vor nichts zurückschrecken, dass ihnen die Leben von ArbeiterInnen nichts wert sind!

Die Verantwortlichen für den Tod Hunderter müssen zur Rechenschaft gezogen werden! Die Geschäftsunterlagen und die Verflechtung von Unternehmen und Politik müssen offengelegt und von Arbeiterinspektionen untersucht werden. Bergwerke u.a. Unternehmen, welche gegen  Sicherheitsbestimmungen verstoßen, müssen entschädigungslos enteignet und unter die Kontrolle der Arbeiterklasse gestellt werden! Dazu braucht es politische Massendemonstrationen im ganzen Land. Dazu müssen die Streiks müssen ausgeweitet werden zu einem unbefristeten politischen Massenstreik - getragen von Aktionsräten in den Betrieben und Stadtteilen!

Schluss mit der erbarmungslosen Ausbeutung der ArbeiterInnen, für ein Wirtschaftssystem ohne Profitgier und Unterdrückung!

Hoch die Internationale Solidarität - Her Yer Soma - Überall ist Soma) - Her yer Direnis  Überall ist Widerstand!

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