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Linkspartei

Immer noch keine Unterstützung für die Refugees

Svenja Spunck, Infomail 743, 23. April 2014

Am 15. April lud die Linkspartei im SO 36 in Berlin-Kreuzberg zu einer Diskussionsveranstaltung unter dem Motto „Europäische und deutsche Asylpolitik- eine kritische Bestandsaufnahme“ ein. Auf dem Podium saßen Monika Herrmann, die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg von den Grünen, die Linksparteiabgeordnete Halina Wawzyniak sowie die Refugees Darlington, Marius und Turgay Ulu vom Oranienplatz. Die Moderation wurde von Reza Amiri übernommen, Linksparteiler im Ausschuss für Integration und Jugendhilfe. Die Veranstaltung war von Beginn an spannungsgeladen, da die Linkspartei Eintritt verlangte, das Publikum sich jedoch lautstark und deshalb erfolgreich vor der Tür dagegen wehrte.

Es folgten die Eingangsstatements, wobei sich Frau Hermann, die nur als „Ersatz“ für Senatorin Frau Kolat (SPD) dort war, ihre ersten Buh-Rufe kassierte, als sie sagte: „Alle Zeitungsberichte über die Räumung des Oranienplatzes sind wahr, auch die, die von einer friedlichen Räumung sprechen.“ Das Mikro wanderte dann zwischen den Refugees hin und her, jedeR wollte zu Wort kommen und von den katastrophalen Zuständen berichten, die in den Lagern, in den neuen Unterkünften und in der Schule in der Ohlauer Straße herrschen. Ein Beitrag stellte Frau Herrmann die Frage, was sie dazu zu sagen hätte, dass es mittlerweile eine ganze Generation von Kindern gibt, die in solchen Lagern geboren werden. Mit so viel Realität hatte sie an dem Abend wohl nicht gerechnet. Der Vorschlag, den sie als Bezirksbürgermeisterin unterbreitete, umfasst lediglich eine unbefristete Sondergenehmigung zur Nutzung des Oranienplatzes für ein Informations- und Veranstaltungszelt. Es sei nicht gestattet, dort zu übernachten, und auch die BewohnerInnen der Schule haben keinerlei feste Zusage, geschweige denn Hilfe bekommen. Im Gegenteil, sie werden erpresst, in dem man ihnen erst dann eine Dusche und eine Küche einbauen würde, wenn sie sich dazu bereit erklärten, einer gemeinsamen „Planungsgruppe beizutreten, in der sie dann Dank eines Mandats sprechen dürfen.“ Na, da ist der Senat ja wieder auf dem gönnerhaften Kurs, wenn Menschen, um deren Lebensverhältnisse es geht, auch was dazu sagen dürfen. Als die Refugees, allen voran die Schul-Bewohnerin Mimi, Frau Hermann dies vorwarfen, rief sie nur „Ach sei doch leise, Mimi!“

Den peinlichsten Auftritt des Abends leistete sich jedoch die Linkspartei. Zuerst versuchte die Abgeordnete, den Refugees und dem Publikum zu erklären, wie das mit dem Parlamentarismus so funktioniere und dass man als Opposition eben in der Minderheit sei. Die Änderung der Asylgesetze können nicht von Linkspartei und Grünen allein durchgesetzt werden, dazu müsse man „die breite Bevölkerung aufklären“. Außerdem sei der Oranienplatz auch nur den BerlinerInnen bekannt, andere hätten gar keine Ahnung, was dort vor sich ginge. Frau Wawzyniak versuchte also allen Ernstes, diesem jugendlichen, hauptsächlich linksradikalen Publikum weiß zu machen, dass die SPD und CDU-Abgeordneten lediglich unwissend seien und den strukturellen Rassismus im bürgerlichen Gesetz nur unbewusst verankert hätten. Als sie dann in die radikalere Richtung schwenkte und dazu aufrief, man könne sich nicht auf das Parlament verlassen, sondern müsse Druck auf der Straße erzeugen, bekam sie ein deutliches Echo aus dem Publikum zurück. „Wo war denn die Linkspartei in den letzten Wochen?“, „Dann mobilisiert doch mal eure Mitglieder!“ oder „Lass uns in Ruhe mit deinem scheiß Parlamentarismus!“ wurde ihr zugerufen. Den Rest des Abends war sie dann ziemlich still.

Einer der Übersetzer und Aktivisten auf dem Podium rief dann dazu auf, dass das Publikum so lange die Arme heben solle, bis es eine Zusage von Frau Hermann auf die Forderung gäbe, dass niemand aus der Schule gegen seinen Willen geräumt würde. Sie stimmte wieder nur unter der Bedingung der Beteiligung an einer Planungsgruppe zu und als die Stimmung dann hochkochte, verließ sie die Bühne. Das Publikum ging dann in einer spontanen Demonstration zum Oranienplatz, um Solidarität mit den Refugees zu zeigen, die sich dort seit 5 Tagen im Hungerstreik befinden.

Der Abend zeigte mehr als deutlich, dass die Linkspartei immer noch die Vorstellung hat, Innensenator Frank Henkel müsse nur richtig überzeugt werden, damit er den Refugees eine Aufenthaltsgenehmigung ausspricht. Es gibt nur einen kleinen Hoffnungsschimmer: dass wirklich so viel Druck auf diese Partei aufgebaut wird, dass sie zu den nächsten Aktionen stärker mobilisiert. Und so kritisch und aufgewühlt das Publikum auch war, es zeigte sich schon bei der zaghaften Demonstration im Anschluss, dass auch in der radikalen Linken der Funke noch nicht übergesprungen ist, dass die Forderungen nur durch eine starke Bewegung auf der Straße durchzusetzen sind.

Dass das Camp am Oranienplatz kein Selbstzweck war und ist, scheint einigen nicht ganz klar zu sein. Es geht nicht darum, dass die Refugees dort hingezogen sind, weil sie gern in improvisierten Hütten schlafen, sondern weil sie damit den öffentlichen Druck für ihre Forderungen erhöhen konnten. Wenn Frau Hermann jetzt Genehmigungen für ein Info- und Veranstaltungszelt erteilt, ist das nur ein minimaler Fortschritt, denn wenn trotzdem alle Refugees abgeschoben werden, braucht auch keiner mehr dieses Zelt.

Die gesamte Veranstaltung in ihrem Konzept war zwar interessant, aber hat die Bewegung nicht voran gebracht. Es ist eine Illusion zu glauben, dass Frau Herrmann oder auch Frau Kolat nicht wissen, was sie tun. Stattdessen hätte die Linkspartei zu einer Veranstaltung - oder noch besser - zu einer Konferenz aufrufen müssen, wo gemeinsame Aktionen geplant werden, damit endlich die Forderungen erfüllt und die Fronten klar gemacht werden.

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