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Ägypten

Mursis Verfassungsbetrug ist noch zu stoppen

Dave Stockton, Infomail 663, 4. Januar 2013

Präsident Mohammed Mursis Abstimmungssieg für seinen Verfassungsentwurf, den er von einer Marionetten-Verfassungsversammlung durchwinken ließ, hat nicht einmal den Hauch einer demokratischen Legitimation.

Von Wahl zu Wahl

Das Ergebnis brachte eine Wahlbeteiligung von nur 32% (17 Millionen von 51,3 Millionen Wahlberechtigten). Davon haben 6,5 Millionen, also etwa 36%, mit Nein gestimmt. Demnach waren nur 10,5 Millionen ÄgypterInnen, d.h. 20% der Bevölkerung für Mursis Verfassung. In Metropolen wie Kairo, Monufia und Gharbija im Nildelta sowie den ArbeiterInnenbastionen Mahalla al-Kubra sprachen sich die WählerInnen mehrheitlich gegen den Entwurf aus.

Mursi plant nun, auf der Basis dieses ‚Sieges’ weiteren Druck auszuüben und hat in zwei Monaten Parlamentswahlen angesetzt, bei denen er eine Mehrheit für seine Moslembruderschaft und die Salafisten erwartet. Doch die Volksabstimmung könnte sich auch als Scheinsieg für den ägyptischen Präsidenten erweisen, wenn die Arbeiterklasse es schafft, die vier Fünftel der Bevölkerung, die Mursi nicht trauen, für den Sturz der Reaktion in Gang zu setzen. Das bedeutet einen Kampf am Arbeitsplatz, auf den Straßen und auch an den Wahlurnen. Es ist vordringlich, die Islamisten von der Macht zu verdrängen, bevor sie die Konterrevolution vollstrecken und alle Hoffnungen von 2011 zunichte machen können.

IWF-Forderungen

Mursis Position offenbart eine weitere schwache Seite, abgesehen von seinem Scheinmandat, wenn er in den kommenden Monaten gezwungen sein wird, harte Kürzungen und Privatisierungen gegen die arbeitende Bevölkerung durchzudrücken, zumal dies der Preis sein wird, mit dem er sich den 4,8 Milliarden Notkredit vom Internationalen Währungsfonds erkaufen muss. Der IWF fordert zusätzlich Kürzungen der Körperschaftssteuer und die Umsetzung eines konterrevolutionären Agrarprogramms. Ägyptens Präsident hat am 19.12.12 unter dem Druck der Massenmobilisierungen gegen seine Verfassung die Annahme der IWF-Bedingungen verschieben müssen. Aber ohne den Kredit wird der heimische Kapitalismus in eine gewaltige Krise stürzen.

Ägyptens Haushaltsdefizit hat sich in den vergangenen 5 Monaten auf 13 Milliarden erhöht. Die Devisenreserven sind hingegen seit 2011 um mehr als die Hälfte geschrumpft. Die Zentralbank hat bereits 20 Milliarden aufgewendet, um das ägyptische Pfund zu stützen. Ohne die massiven Kredite aus Katar und der Türkei könnte sich die Regierung nicht halten. Die Ratingagentur Standard & Poors hat jüngst die ägyptischen Staatspapiere auf B- herunter gewertet und damit ihre Kreditwürdigkeit verschlechtert. All das hat die weitere Fähigkeit des Staates zur Einfuhr von lebenswichtigen Nahrungsmitteln und Öl untergraben.

Mursi wird zweifellos alle Hebel in Bewegung setzen, um die Endabrechnung bis nach den Parlamentswahlen zu verschieben. Aber selbst bei einem Wahlsieg werden Subventionskürzungen und Preiserhöhungen unvermeidlich sein. Im ganzen arabischen Einzugsgebiet werden solche Maßnahmen Massenproteste anstacheln.

Mursis Hauptstärke besteht in dem Geheimabkommen mit dem Führungsstab der Armee, das es dem Militär weiterhin gestattet, einen Riesenteil der Wirtschaft zu plündern und das Verteidigungsministerium in jedem Kabinett zu besetzen. Der Präsident kann sich auch auf die Unterstützung der US-Imperialisten verlassen - als Dank für seine Dienste 2012 bei der Stabilisierung der Lage im Gaza-Streifen. Beide Stützen werden seine diktatorischen Aktionen und Repressionen absichern, solange sie gegen die Arbeiterklasse und demokratisch gesinnte Jugend gerichtet sind.

Wie kämpfen?

Mursi muss mit Mitteln bekämpft werden, die über die Besetzung von Plätzen hinausgehen, die zwar notwendig, aber in entscheidenden Momenten taktisch unzureichend sind. Die Hauptaufgabe ist die Mobilisierung der Arbeiterklasse und der Stadt- und Landarmut. Es war die Drohung, ja sogar der Beginn eines Generalstreiks 2011, der Mubarak 2011 zu Fall brachte und nicht die Besetzung der Plätze. Demokratische Losungen allein sind nicht ausreichend, um die Arbeiterklasse für einen umfassenden Generalstreik in Marsch zu setzen. Das erfordert den Einsatz revolutionärer Formationen, der unabhängigen Gewerkschaften und Jugendorganisationen mit mächtiger Agitation gegen Mursis Pakt mit dem IWF und die ökonomischen und sozialen Härten, die dies mit sich bringt. Dieser Kampf kann einen Keil in die verbliebene Basis für Moslembruderschaft und Salafisten bei den ArbeiterInnen, BäuerInnen und städtischen Armen treiben.

Auch zwei andere Fronten sind in der Widerstandskampagne gegen Mursi bedeutsam: eine muss gegen seinen Versuch errichtet werden, die offiziellen Gewerkschaften zu vereinnahmen. Dies wird schon von den unabhängigen Gewerkschaften, aber auch Kräften innerhalb der offiziellen Gewerkschaften gestartet. In Zusammenhang damit muss gegen neue streikfeindliche Gesetze und Einschränkungen gekämpft werden, die anlässlich Mursis Verfassungsputsch angekündigt wurden.

Die zweite Front betrifft die Verteidigung demokratischer Rechte und der gesellschaftlichen Stellung der Frauen. Die islamistische Agenda, die in der neuen Verfassung niedergelegt ist, ist eine große Gefahr für die Frauen. Deren Mobilisierung gegen eine parlamentarische Mehrheit von Moslembruderschaft und Salafisten verdient gleichwertigen Einsatz.

Mursi hofft, in den kommenden zwei Monaten seine Macht durch eine islamistische Parlamentsmehrheit zu festigen. Zugleich wird die liberale Opposition in der Nationalen Heilsfront trotz aller demokratischen Beteuerungen jedes Abkommen mit dem IWF und jede Einschränkung für militante Gewerkschaften unterstützen.

Deshalb ist es eine dringliche Aufgabe, eine politische Vertretung für die Arbeiterklasse zu schaffen. Dies kann durch den Aufbau einer Arbeiterpartei geschehen, die die revolutionäre sozialistische Linke und die neuen unabhängigen Gewerkschaften auf einem Aktionsprogramm mit wichtigen Maßnahmen als Grundlage des Programms für eine Arbeiterregierung zusammenführt. Als Nahziel wäre die Erringung von Parlamentssitzen zu nennen, um sie dort mit Veröffentlichungen zum Sprachrohr des ArbeiterInnen und BäuerInnen zu machen und diese zu Massendemonstrationen und Streikposten aufzurufen.

Eine solche Partei muss eine internationale Perspektive der Solidarität mit den PalästinenserInnen und den Revolutionen in allen arabischen Ländern aufzeigen, muss anti-imperialistisch nicht nur in dem Sinn sein, gegen die US- und zionistische Beherrschung und Teilung der Region, sondern auch durch die Bekämpfung des IWF-Diktats und der Öffnung des Landes für die Großkonzerne aus USA, EU und China. Die Partei muss ein kühnes antikapitalistisches und sozialistisches Programm für Ägypten und die gesamte Region auflegen: für die Vereinigten Sozialistischen Staaten in Nahost!

Die Zukunft des gesamten ‚Arabischen Frühlings’, seine Verteidigung gegen die geballten Kräfte der inneren und äußeren Konterrevolution wird zentral von den Ereignissen in Ägypten 2013 abhängen. Eine zweite Revolution ist, wie auch viele junge DemonstrantInnen sagen, eine Notwendigkeit. Aber es muss eine Arbeiterrevolution, eine sozialistische Revolution sein!

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