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NPD und Polizei marschieren in Stuttgart

Der Staat und seine nützlichen Faschisten

Stefan Andersen, Infomail 637, 15. August 2012

Auf ihrer aktuellen „Deutschlandtour“, angeführt von einem mit rassistischen und chauvinistischen Hetzparolen versehenen Lastwagen, kann sich die NPD ganz auf die „Freunde und Helfer“ der herrschenden Klasse verlassen: Sie kesseln, räumen und prügeln den Nazis den Weg und ganze Innenstädte frei.

So auch am 30. Juli in Stuttgart. Trotz Geheimhaltung und Verwirrspiele durch Nazis und Behörden und nur sehr wenig Zeit für die Mobilisierung von Widerstand hatten sich gegen den erwarteten NPD-Aufmarsch bereits am frühen Vormittag rund 200 AntifaschistInnen in der Innenstadt versammelt, um den öffentlichen Raum nicht widerstandslos dem braunen Mob zu überlassen. Mit einer Gegendemonstration und Sitzblockaden versperrten sie den Nazis zunächst erfolgreich den Weg zum Kronprinzplatz, ihrem Veranstaltungsort in der Innenstadt.

Die Polizei marschierte mit mehreren Hundertschaften mit Helmen und Schlagstöcken auf und riegelte ganze Straßenzüge vom Rotebühlplatz bis zum Veranstaltungsort hermetisch ab und  prügelte den Faschisten und ihrem LKW förmlich den Weg frei: GegendemonstrantInnen wurden in den Rücken getreten, umgeworfen, über den Boden geschleift und mit Schlagstöcken traktiert. Mehrere Personen erlitten Verletzungen mit teils offenen Wunden, ein Demonstrant musste wegen einer Kopfverletzung in stationäre Behandlung. Zugleich wurde ein großer Teil der GegendemonstrantInnen, zusammen mit zufällig anwesenden PassantInnen, ohne jede Vorankündigung von den Bullen eingekesselt und musste über vier Stunden lang ohne Wasser in der prallen Sonne ausharren. Obwohl bereits vor Ort die Personalien der Eingekesselten aufgenommen worden waren, wurden diese anschließend festgenommen und zur „Wasenwache“ in Bad Cannstatt gebracht. Insgesamt gab es 75 Festnahmen, wobei die letzten Gefangenen erst gegen 19 Uhr wieder freigelassen wurden. Zum „Trost“ wurde einigen Gefangenen auf der Wache gesagt, dass man eigentlich nicht wisse, weshalb sie festgenommen worden seien. Dennoch droht den Festgenommenen nun eine Anzeige wegen „schweren Landfriedensbruchs“.

Die NPD hatte zu diesem Zeitpunkt bereits längst unter dem Schutz der Polizei auf dem hermetisch abgeriegelten Kronprinzplatz ihre rassistische und menschenverachtende Hetz-Kundgebung durchgezogen. Hunderte GegendemonstrantInnen versuchten, die Hassparolen der Nazis lautstark zu übertönen.

Aktive Deckung und Förderung faschistischer Verbrechen und Strukturen

Einmal mehr hat der bürgerliche Staat im Umgang mit Faschisten und antifaschistischem Widerstand in Stuttgart seine demokratische Maske fallen lassen. Kein Tag vergeht, an dem nicht neue Details über die Deckung und Förderung der Faschisten, ihrer Verbrechen und Strukturen durch den bürgerlichen Staat ans Tageslicht kommen, wie zuletzt beim Auffliegen der vom Verfassungsschutz gedeckten und letztlich ermöglichten Morde durch die rechte Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Nicht ohne Grund ordnete das Bundesinnenministerium umgehend nach Bekanntwerden des NSU-Skandals das massenhafte Schreddern von Akten über das „rechte Milieu“ an. Praktischerweise liefert die „angegriffene Glaubwürdigkeit“ des Verfassungsschutzes nach den jüngsten Skandalen bürgerlichen Politikern nunmehr eine willkommene Begründung dafür, weshalb ein angestrebtes NPD-Verbot geradezu „aussichtslos“ und damit erledigt sei - obwohl ein Verbot ohnehin die falsche Strategie ist, um Nazis effektiv zu bekämpfen. Notwendig wäre hingegen die Organisierung und Mobilisierung der Linken und der Arbeiterklasse, v.a. ihrer Parteien und Gewerkschaften , gegen Rechts in Einheitsfrotstrukturen.

Aktuell berichten die Medien, dass zwei Polizisten in Baden-Württemberg weitgehend folgenlos Mitglieder eines Ablegers des rassistischen Ku-Klux-Klans waren. Vielsagend ist in diesem Zusammenhang eine interne Stellungnahme der Dienststelle eines der beiden Polizisten: "Unser Mitglied hat durch die kurzzeitige Mitgliedschaft in der EWK KKK („European White Knights of the Ku Klux Klan“) nicht gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes verstoßen."

Faschismus als Option der herrschenden Klasse

All dies macht deutlich: Der bürgerliche Staat als Gewalt- und Unterdrückungsapparat der herrschenden Kapitalistenklasse ist nicht einfach „auf dem rechten Auge blind“. Er deckt den Faschismus und seine Strukturen, weil dieser als Machtoption für die herrschende Klasse in Zeiten der immer tieferen Krise des Kapitalismus wieder zunehmend an Bedeutung gewinnt. Nicht nur ein Blick in die Geschichte zeigt: Der Faschismus an der Macht ist die brutalste Form der kapitalistischen Herrschaft. Derzeit sind es faschistische Banden, die auch in Griechenland, das von der „Troika“, also v.a. vom deutschen Imperialismus, in den Ruin getrieben wird, fast täglich und oft unter tatkräftiger Mitwirkung der Polizei ArbeiterInnen und MigrantInnen überfallen.

Auch hier in Deutschland brauchen die Nazis von NPD und Co. nur die von der „bürgerlichen Mitte“, von den bürgerlichen Parteien und den Massenmedien verbreitete Hetze über „die faulen Griechen“ und die „fleißigen, zahlenden Deutschen“ aufzugreifen, wenn sie auf ihrem Lastwagen Parolen wie „Wir wollen nicht die Zahlmeister Europas sein“ plakatieren.

Gleichzeitig werden durch die ständige Erhöhung der Ausbeutungsrate, durch die immer stärkere Prekarisierung von Lohnabhängigen immer mehr Menschen in die Arme der braunen Rattenfänger getrieben - nicht zuletzt, weil die reformistische Linke mit ihrer Anpassungspolitik keine radikale, glaubhafte Alternative ist.

Wenn die Krise des Kapitalismus nicht mehr im Rahmen der bürgerlichen Scheindemokratie, mit ihren immer offener entmachteten parlamentarischen Schwatzbuden, „in den Griff zu bekommen“ ist, dann könnte der Faschismus wieder zum „letzten“ Instrument werden, um die Klassenherrschaft mit maximaler Brutalität aufrechtzuerhalten.

Für die antifaschistische Einheitsfront der ArbeiterInnen und der Jugend!

Ein Sieg gegen den Faschismus ist letztlich nur durch den organisierten Kampf gegen seine gesellschaftliche Grundlage möglich: den Kapitalismus.

Dieser Kampf ist kein isolierter oder „klassenunabhängiger“, der sich auf spontane Aktionen „breiter Bündnisse“ im Rahmen von Nazi-Aufmärschen beschränken kann. Dort wechseln kleinbürgerliche Vertreter z.B. der Grünen bei Bedarf auch sehr schnell die Fronten und betätigen sich lieber als Wortführer gegen angeblich „gewalttätige“ AntifaschistInnen, wie jüngst Ereignisse in der Region Stuttgart gezeigt haben.

Vielmehr ist die Herstellung der Aktionseinheit der Arbeiterklasse, eine Einheitsfront von Arbeiterinnen und Arbeitern, Jugendlichen, Migrantinnen und Migranten und allen Unterdrückten erforderlich, die selbst den Aufbau eigener organisierter Selbstverteidigungsorgane und Massenaktionen gegen Faschisten und Rassisten in den Kontext des Kampfes gegen die Angriffe der herrschenden Klasse stellt.

„Kampf“ bedeutet dabei nicht etwa Isolation, Absonderung, pseudo-radikales Sektierertum, sondern vielmehr Aktion gemeinsam mit der Masse der ArbeiterInnen, die den Gewerkschaften, der SPD oder der LINKEN verbunden sind, den Kampf um dringende Tagesforderungen aufzunehmen. Daher bedarf es konkreter Forderungen an die Führungen von Gewerkschaften, SPD und Linkspartei, um sie in der Praxis zu testen und sie zur Mobilisierung ihrer Basis zu zwingen. Im Kampf gegen den Faschismus können und dürfen wir nicht auf den bürgerlichen Staat, sondern nur auf unsere eigenen Kräfte vertrauen.

Die Aktionseinheit mit ReformistInnen soll sich dabei auf konkrete Kampfziele, also Aktionen, beschränkten. Es geht nicht darum, gemeinsame „Plattformen“ oder Erklärungen rauszugeben, sondern „nur“ darum, sich über konkrete Aktivitäten und Ziele zu verständigen.

Gleichzeitig müssen RevolutionärInnen alle Fehler und Schwächen dieser „BündnispartnerInnen“ offen kritisieren und dem bürgerlichen Antifaschismus dieser  Organisationen eine revolutionäre Perspektive entgegenstellen.

Jeder „Antifaschismus“, der sich dieser zentralen Aufgabe nicht stellt, wird letztlich zum Scheitern verurteilt sein. Die Gruppe Arbeitermacht und die Liga für die Fünfte Internationale rufen alle Arbeiterinnen und Arbeiter, die Jugend und die Unterdrückten dazu auf, konkrete Schritte zur Solidarität mit der griechischen Arbeiterklasse, gegen nationalistische, rassistische und chauvinistische Hetze und für den gemeinsamen, europaweiten Aufbau einer Gegenmacht der Arbeiterklasse zur Herrschaft der Kapitalisten und ihrer staatlichen Gewaltapparate, nicht zuletzt als einzig wirksamen Schutz gegen den Faschismus, in die Tat umzusetzen!

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