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Griechenland

Für eine Arbeiterregierung!

Internationales Sekretariat der Liga für die Fünfte Internationale, 12. Juni 2012, Infomail 627, 15. Juni 2012

Die Wahlen am 17.6.2012 könnten Syriza, eine Koalition linksreformistischer und kleinerer weiter links stehender Organisationen, den Wählerauftrag zur Regierungsbildung bescheren, und dies auf Grundlage einer strikten Ablehnung des Spardiktats, das Griechenland von der Troika, d.h. dem Internationalen Währungsfonds, der europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank auferlegt worden ist.

Dies wird die gesamte Europäische Union in eine weitere Krisenspirale hineinschleudern. Ein Gemisch aus wirtschaftlichen und politischen Faktoren bedroht die Zukunft Europas. Weltweit verringern sich die Wachstumsraten der vermeintlichen Motoren der Wirtschaftserholung wie Brasilien, Indien und China. Die Bankenkrise in Spanien wirft wieder einmal die Frage der Zukunft des Euro auf. Unter diesen Umständen finden die griechischen Wahlen statt.

Diese Verkettung von Ereignissen würde die ganze Verwaltungsstruktur der Europäischen Union unter unerhörte Spannung setzen und eine Krise erzeugen, die dem weltweiten Finanzkrach von 2008 gleichkommt. Jedes EU-Land wird davon betroffen sein, aber in Griechenland spitzt sich die Lage sofort auf die entscheidende Frage zu: Wer herrscht und in wessen Interesse?

Syriza könnte 35% der Wählerstimmen erhalten und wäre damit in der Lage, eine Regierung zu bilden. Sie hat die Hauptmaßnahmen genannt, die ihr Regierungsauftrag wäre:

Absetzung des drohenden Deals, der die Fortsetzung von Zahlungen aus der EU um den Preis von weiteren Lohn- und Rentenkürzungen im privaten Sektor vorsieht;

Keine Gesetze, die das kollektive Arbeitsrecht aushebeln;

Abschaffung der Sondervergünstigungen und Rechtsfreiräumen für Parlamentsabgeordnete und Reform der Wahlgesetze;

Sofortige Veröffentlichung der Untersuchung im griechischen Bankensystem durch den weltgrößten Vermögens’verwalter’, den imperialistischen US-Konzern Black Rock;

Einsetzung eines internationalen Untersuchungsausschusses zur Ermittlung der Verschuldung im öffentlichen Sektor und Einfrierung aller Schulden, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.

Die Herrschenden Europas ergehen sich in den düstersten Warnungen, was ihre Reaktionen darauf anbelangt. Die Troika droht damit, die gesamten Zahlungen von130 Milliarden Euro an den griechischen Staat auf einen Schlag zu stoppen und damit das Land zum Verlassen der Eurozone zu zwingen. Natürlich bliebe ein solches Vorgehen auch für diese Herrscher nicht ohne Risiko. Wirtschafts’experten’ warnen vor einem ‚ungeordneten Rückzug’ aus dem Euro. Dies könnte zu einem Dominoeffekt bei Spanien, Portugal und Italien führen und das Überleben der Euro-Währung grundsätzlich in Frage stellen. Das wiederum würde eine neue europäische Bankenkrise auslösen, die den Kontinent in eine noch stärkere Depression und die Weltwirtschaft in eine scharfe Rezession stürzen würde.

Die Wahl einer Regierung, die willens wäre, der unverhohlenen Erpressung der Troika und den anmaßenden Drohungen der deutschen und britischen Regierungschefs zu trotzen, hat Europa elektrisiert. Das überrascht kaum, denn Syriza macht den Kapitalismus offen für diese Krise verantwortlich und spricht von der Notwendigkeit von Verstaatlichungen bzw. Vergesellschaftungen von Banken und deren Überführung in ein staatliches Banksystem unter gesellschaftlicher und Arbeiterkontrolle, von großem kapitalistischem Besitz, der in die öffentliche Hand übergehen und demokratisch entlang gesellschaftlicher und umweltfreundlicher Merkmale verwaltet werden soll, von der Notwendigkeit zur Wiederherstellung eines starken Wohlfahrtstaates und zur Abkoppelung von der NATO.

Wenn Syriza gewählt wird und sich dann an diese Versprechen hält und die Austeritätsmaßnahmen widerruft, das Abkommen mit der Troika zerreißt, dem Verkauf der Werte und öffentlichen Dienste des Landes Einhalt gebietet, die Entlassung von hunderttausenden Staatsbediensteten zurücknimmt, deren Löhne und Renten in voller Höhe weiterzahlt, wird dies eine revolutionäre Lage heraufbeschwören, wie es sie in Europa seit 1974 in Portugal nicht mehr gegeben hat.

Selbstredend besteht die reale Gefahr einer Konterrevolution gegen eine solche Regierung, angestiftet von Berlin, Brüssel, London und Paris und durchgedrückt von der griechischen Elite und deren Apparat für das schmutzige Geschäft, Polizei und Armee.

Die Drohungen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel sind bekannt; die PolitikerInnen der meisten Eurozonen-Staaten folgen ihr. Der britische Premier David Cameron hat sich noch zynischer ausgedrückt als Merkel und die griechische Wahl am 17. Juni zur Abstimmung über den Euro erklärt: „Wir müssen der Bevölkerung in Griechenland unmissverständlich klar machen, dass sie entweder für den Verbleib im Euro stimmen mit all den Verpflichtungen, die dies mit sich bringt, oder für den Abschied vom Euro, falls sie sich anders entscheiden.“ Der konservative Justizminister Clarke hat betont, wenn die griechische Bevölkerung ‚verrückten Extremisten’ ihre Stimme geben und die Schulden nicht beglichen werden sollten, würde dies schwerwiegende Folgen für sie nach sich ziehen. Der ‚Economist’, das Sprachrohr des britischen finanzkapitalistischen Zentrums in London, titulierte den jungen Syriza-Führer Alexis Tsipras als „Emporkömmling“.

Andererseits könnte Griechenland mit seiner Standhaftigkeit auch ein Beispiel für einen erneuerten Massenwiderstand in den am stärksten unter der Krise leidenden Bevölkerungen anderer Länder geben. Damit käme ein Berg von Verantwortung auf die Linke in ganz Europa zu, der griechischen Bevölkerung zu Hilfe zu eilen und jede Blockade gegen die neue Regierung durch die Ausbeuter im eigenen Land zu durchbrechen und die Rücknahme jeglicher Sanktionen zu erzwingen.

Griechische Tragödie? Nein, mutiger Gegenangriff!

Griechenland wehrt sich, weil die Masse der Bevölkerung zwischen Februar 2010 und 2012 nacheinander 5 Sparpakete über sich ergehen lassen musste. Die ersten 3 enthielten Kürzungen von 30 Milliarden Euro, was 12% des griechischen Bruttoinlandsprodukts von 2009 entspricht. Dann folgte eine weitere Kürzung von 5% des BIP von 2010 und 2011 wurden noch einmal 4% gekürzt. Eine solche Schneise der wirtschaftlichen Verwüstung ist seit den 30er Jahren in Westeuropa nicht mehr geschlagen worden. In ihrer Schärfe ähnelt sie dem Zusammenbruch der Wirtschaft in der UdSSR und Osteuropa im Jahrzehnt nach der Restauration des Kapitalismus.

Griechenlands Rezession hat sich seit 2008 auch in den sogenannten Erholungsjahren fortgesetzt. Das griechische Inlandsprodukt fiel 2011 um 6,9%. Die Schätzungen für 2012 gehen von einem Rückgang zwischen 5 und 7,1 % aus. Die saisonbereinigten Arbeitslosenzahlen schnellten von 7,5% im September 2008 auf 21,7% im Januar 2012 empor. In der Altergruppe der 15-24 Jährigen stieg die Arbeitslosenrate sprunghaft von 22 auf 51,1 Prozent.

Die ArbeiterInnen im Öffentlichen Dienst mussten einen Lohnraub im Schnitt von 40% hinnehmen. Auch die meisten Renten wurden drastisch gekürzt. Vor einem Jahr erhielten verrentete ArbeiterInnen im öffentlichen Dienst noch etwa 1.200 Euro im Monat. Im Herbst wurden die Bezüge auf 800 Euro abgesenkt. Die Papademos-Regierung plante zudem eine weitere Kürzung auf 600 Euro. Im Privatsektor fielen die Löhne ebenfalls, z.B. im Bauwesen auf die Hälfte des Verdienstes von vor 2 Jahren.

Die öffentlichen Suppenküchen in Athen verköstigen täglich etwa 400.000 Menschen. Immer mehr BewohnerInnen müssen im Freien nächtigen. In nur einem Jahr wurden 20.000 Griechen obdachlos. Viele Erwerbslose sind in ihre Heimatorte zurückgekehrt und müssen von Familienangehörigen beherbergt und versorgt werden.

Doch die ArbeiterInnen, Jugendlichen und Erwerbslosen haben nicht in stummer Ergebenheit verharrt. So schrecklich die vergangenen Jahre waren, es ist nicht einfach eine ‚griechische Tragödie’, sondern vielmehr ein Ansporn für all jene in Europa, die auch unter der Austeritätspolitik leiden oder unmittelbar davon bedroht sind.

Auftakt des Abwehrkampfes war der Dezember 2008, als die Jugend drei Wochen lang militant gegen den Polizeimord an einem 15jährigen protestierte. Zu einer kontinuierlichen Bewegung geriet der Widerstand, als die erste Sozialraubwelle sich im Frühling 2010 durch die im Oktober 2009 gewählte PASOK-Regierung, die ihr Versprechen brach, Kürzungen und Privatisierungen zu vermeiden, über die griechische Bevölkerung ergoss. PASOK gab dem Druck der ‚Märkte’, den Spekulanten auf Staatsanleihen und der EU nach und führte das erste der krassen Kürzungsprogramme durch.

Zum Massenbewegung wurde der Widerstand mit dem Generalstreik vom 10.2.2010.  Er pflanzte sich fort mit dem Sternmarsch von hunderttausenden DemonstrantInnen auf das in Abstimmung befindliche Parlament in Athen am 5.5.2010, das mit dem Ruf ‚Diebe, Diebe’ belagert  wurde. Die Bewegung verdichtete sich massiv im folgenden Jahr, als klar wurde, dass der Sozialraub eine ‚endlose Geschichte’ werden sollte. Allein im März 2011 folgten 3 Generalstreiks aufeinander.

Am 25. Mai 2011 wurden der Syntagmaplatz in Athen u.a. zentrale Plätze in verschiedenen Städten von tausenden friedlicher ProtestlerInnen nach dem Vorbild der spanischen Indignados-Bewegung besetzt. Bald darauf folgte ein weiterer Generalstreik, 300.000 DemonstrantInnen umzingelten erneut das griechische Parlament. Die Platzbesetzungen mit täglichen Versammlungen hielten bis in den August an.

Im Oktober und November desselben Jahres durchflutete wieder eine Protestwoge das Land, ein 2-tägiger Generalstreik, darunter bei den Fährlinien, jagte schließlich die PASOK-Regierung aus dem Amt. Zornige DemonstrantInnen belagerten das Parlament, obwohl sie außerstande waren, die verhassten PolitikerInnen an ihrer Zustimmung zu weiteren Kahlschlägen zu hindern.

Anfang November wurde die Papandreou-Regierung durch eine ungewählte ‚Nationalregierung’ ersetzt, an deren Spitze der Ökonomietechnokrat Lucas Papademos stand, gestützt von der konservativen Nea Dimokratia und PASOK, mit der Zusicherung, im nächsten Frühjahr Parlamentswahlen abzuhalten. In dieser Zeitspanne versuchte Papademos mit Rückenwind durch die EU-Kommissare der Troika, weitere Zwangskürzungen durchzupeitschen. Am 10. und 11.2. ruhte erneut die Arbeit im Land durch einen Generalstreik, und eine halbe Million Menschen marschierten durch Athen.

Die 17 ein- bis zweitägigen Generalstreiks, die Besetzungen und Massenversammlungen von 2011 vermochten die Regierung dennoch nicht zu stürzen und durch eine Vertretung zu ersetzen, die den klaren Willen der Bevölkerung ausführen konnte. Aber die Lage wurde derart instabil, dass die Parteien nicht umhin konnten, sich den erzürnten WählerInnen zu stellen. Diese Wahl am 6.5.2012 war verheerend für das Klientelsystem der Parteien wie Nea Dimokratia und PASOK, die nach dem Sturz der Militärdiktatur 1974 den griechischen Staat als Selbstbedienungsladen genutzt hatten.

Nach der ruinösen Absenkung des Lebensstandards verwunderte es kaum, dass der Wahlausgang die alten belasteten Parteien abstrafte. Für Unmut sorgten zusätzlich die nordeuropäischen Großkonzerne wie Siemens und Tesco, die das Land durch Privatisierung des öffentlichen Bereichs und durch Aufkäufe von Pleiteunternehmen im Privatsektor ausplünderten. Der Rückhalt für Syriza, der einzigen größeren Partei, die einhellig für ein Ende der Austerität plädierte und deren Mitglieder sich aktiv an allen Protesten beteiligt hatten, legte in der Wählergunst fast um das Vierfache auf 16,8% zu und ließ PASOK mit 13,8% hinter sich.

Krise der Führung

Die Meinungsumfragen haben Syriza nach dem Wahlerfolg eine Prognose von 23 bis 28% für den 17.6. gestellt. Man hat erkannt, dass Syriza nun ein ernsthafter Bewerber für das Regierungsamt ist. Auch bei der Widerstandsbewegung macht sich nach den Erfahrungen der letzten beiden Jahre die Erkenntnis bemerkbar, dass Protest allein kein Problem löst. Das kann erst geschehen, wenn die Machtfrage gestellt wird, wer eine Regierung bilden kann, die der Troika-Diktatur die Stirn bieten und einen anderen politischen Kurs einschlagen kann.

Wenn Syriza am 17.6. die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen kann, würde sie nach dem griechischen Wahlgesetz ihre Fraktion um 50 weitere Sitze aufstocken können. Daraus würde sich für Syriza zwar die Möglichkeit zur Bildung einer mehrheitsfähigen Regierung ergeben, jedoch die absolute Mehrheit verfehlen, so dass sie eine Koalition eingehen müsste. An dieser Wahl hängen viele Unwägbarkeiten, aber trotzdem sind Arbeiterklasse und Jugend nicht nur in Griechenland hoffnungsfroh. Umso mehr gehen bei der herrschenden Klasse in ganz Europa Furcht und Wut um.

Eine Koalitionsregierung, die entschlossen ist, mit einem demokratischen Mandat die Austerität abzulehnen, wäre nur denkbar, wenn sich die griechische KP KKE sowie die Demokratische Linke (DIMAR) für eine Koalition mit Syriza zur Verfügung stellen würden. Die KKE hatte am 6.5. 8,48 %, DIMAR 6,11% geholt.

Bis jetzt sieht es jedoch nicht so aus, als ob eine der beiden Partien dazu bereit wäre. Im Gegenteil: Der Generalsekretär der KKE Aleka Papariga rechtfertigt seine Weigerung, in eine mögliche Koalition unter Führung von Syriza einzutreten mit der Begründung, Syriza versuche unter einem linken Deckmantel, der Bevölkerung einzureden, dass ArbeiterInnen und Kapitalisten koexistieren und voneinander profitieren könnten. Die KKE bezichtigt Syriza auch einer Politik, die auf den Verbleib in der Eurozone und auf Verhandlungen über Schulden abzielt und die Zahlungen nur vorübergehend aussetzen will.

Während einige diese Haltung der KKE als revolutionäre Gradlinigkeit auslegen, ist dies unter den realen Umständen jedoch eine sektiererische und feige Ausflucht vor der Verantwortung, für die Interessen der Arbeiterklasse einzustehen. Aber es geht nur vordergründig darum, dass Syrizas Programm reformistisch und ihre angepeilte Politik utopisch ist. In Wirklichkeit steht das Schicksal der griechischen Arbeiterklasse auf dem Spiel.

Millionen ArbeiterInnen und Jugendliche sehen in Syriza ein Instrument zur Bekämpfung von Austerität. RevolutionärInnen mögen zwar erkennen, dass dies eine Illusion ist und dies auch äußern, aber das ändert im Augenblick nichts an der Erwartungshaltung der Massen. Wenn das Sektierertum der KKE bedeutet, dass Syriza keine Regierung formieren kann und stattdessen Nea Dimokratia und PASOK dadurch ermöglicht wird, die Troika-Programme umzusetzen, würden die Massen glauben, dass Syriza, wenn sie genügend Stimmen erhalten hätte, dies zu verhindern und sie zu retten gewusst hätte. Damit würden sich die Illusionen sogar noch verfestigen - und der herrschenden Klasse würde wieder die Regierungsgewalt überlassen werden.

Der einzige Weg, diese Illusionen in Syriza zu vertreiben, wäre, dass die Millionen AnhängerInnen von Syriza feststellen könnten, was diese Partei tatsächlich an der Regierung tut. Wenn die KKE eine Koalition einginge und dann jeden Verrat an den Versprechungen, das Austeritätsprogramm zu beseitigen, bloßstellen würde, wäre das wirkliche revolutionäre Geradlinigkeit, dort, wo sie verantwortungsbewusst bewiesen werden muss - auf dem Schlachtfeld des Klassenkampfes.

Mittlerweile beschuldigt auch DIMAR Syriza, jedoch wegen ihres Festhaltens an der Aufkündigung der Kreditvereinbarung, denn damit würde Syriza den Staatsbankrott heraufbeschwören und einen Bruch mit der Eurozone. DIMAR sagt, dies würde eine politische Übereinkunft schwierig machen. Was hinter dieser Kritik steckt, ist der Wunsch, eine Hintertür für Verhandlungen mit Kräften in Griechenland und außerhalb offenzuhalten, für die die Anleihevereinbarung unabdingbar ist, d.h. das Austeritätsprogramm.

Internationale Solidarität

Alexis Tsipras hat den griechischen Kampf in einen europaweiten Zusammenhang gestellt. Die Auseinandersetzung, sagte er, ist keine zwischen Nationen und Völkern.

„Auf der einen Seite befinden sich ArbeiterInnen und die Mehrheit der Bevölkerung und ihnen gegenüber stehen die globalen Kapitalisten, Banker, Börsengewinnler, die großen Finanzkonzerne. Es ist ein Krieg zwischen Völkern und Kapitalismus (...) und wie in jedem Krieg bestimmt das, was an der Front geschieht, die Schlacht. Es ist entscheidend für den Krieg anderswo.“

Tsipras und Syrizas Aufrufe an die griechische Bevölkerung und die ArbeiterInnen in anderen Ländern haben die Herrscher Europas aufgebracht, auch die, die sich SozialistInnen und SozialdemokratInnen nennen. Als Tsipras im Mai Paris besuchte, wurde ihm ein Zusammentreffen mit dem frisch gewählten französischen Präsidenten Francois Hollande brüsk verwehrt. In Berlin spielte SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel den Papagei der herrschenden Klasse und sagte Tsipras, er solle die Verpflichtungen, die sie übernommen hätten, erfüllen, dann würde ihnen geholfen werden. Er müsse verstehen, dass es schwierig sei, dem deutschen Wähler zu erklären, warum sie Griechenland weiter unterstützen sollten.

Freundlicher behandelt wurde er von seinen Kollegen der Europäischen Linken Jean Luc Melenchon von der französischen Parti de Gauche und Gregor Gysi von der Partei DIE LINKE. Gysi wagte sich sogar so weit vor, dass er eine gemeinsame Erklärung zur Unterstützung des Syriza-Programms unterschrieb. Das heißt jedoch keineswegs, dass er und seine Partei wirklich Hilfestellung leisten, wenn Syriza die Wahlen gewinnt und dann unmittelbar von den französischen und deutschen Banken und Regierungen bedroht wird. Gegenwärtig ist das Kampfniveau in ihren Ländern wesentlich niedriger und ihre Parteien stehen weniger unter dem Druck der Massen. Es gibt auch keine ähnlichen Erscheinungen wie die örtlichen Bevölkerungsversammlungen, die sich um Syriza gebildet haben, aber das kann und muss sich noch ändern.

Es ist entscheidend für die gesamte Arbeiterbewegung, für die reformistische und antikapitalistische Bewegung, dass sie sich jetzt zusammenschließt und Kundgebungen und Demos quer durch Europa unmittelbar nach den Wahlen veranstaltet und das Recht der griechischen Bevölkerung unterstützt, Austerität und soziales Elend zurückzuweisen. Wir müssen gemeinsam mit Nachdruck Merkel, Hollande, Cameron und Konsorten entgegenschleudern: Hände weg von Griechenland! Kein Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone! Ersatzlose Streichung der griechischen Schulden!

Wir müssen diese Mobilisierungen nutzen, um denen, die über uns herrschen, klar zu machen: Wenn sie gegen Griechenland vorgehen, werden wir das auch gegen sie tun! Der Kampf der griechischen Arbeiterschaft, der Jugend und aller einfachen Leute ist auch unser Kampf. Wenn sie gewinnen, kann überall in Europa die Gegenoffensive gegen die kapitalistische Krisenlösung, Sozialabbau und Elend begonnen werden. Dann käme eine antikapitalistische sozialistische Lösung auf die Tagesordnung.

Griechenland kann einen Anstoß für eine neue Welle des Widerstands geben, die sich schon in Spanien und Italien aufbaut und die fordert, dass die Milliardäre, Banker und Finanzspekulanten in London, Frankfurt, Paris und anderswo diesmal den vollen Preis für das Elend bezahlen, das sie als internationale Kredithaie verursacht haben. Das ist doppelt bedeutend, weil Experten eine weitere Bankenkrise in Europa vorhersagen. Dann wird diese Schmarotzerbande uns wieder dreist ihre Bettelhüte hinhalten und behaupten, sie seien zu wichtig, um nicht gerettet werden zu müssen und keiner sei arm genug, um nicht seinen Beitrag dazu durch Kürzungen und Privatisierungen leisten zu müssen.

Syriza - keine revolutionäre, aber auch keine normale reformistische Partei

Seit der Wahl vom 6.5. ist Syriza in ganz Europa und darüber hinaus sehr bekannt geworden. In Europa ist seit Jahrzehnten keine Partei mehr mit einem derart radikalen Programm und Reden seiner Führer hervorgetreten, die auch die Chance auf Regierungsübernahme gehabt hätte. Die Wut der herrschenden Hetzmedien gegen Alexis Tsipras scheint dies in jedem Fall zu bestätigen.

Doch das Syriza-Programm ist im Wesen reformistisch. Es sieht keinen revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus und seinem Staat vor. Die Arbeiterklasse und deren demokratische Organisationsformen spielen keine erkennbare Rolle als Handlungsträger für den Sturz des Systems. Zwar ist von radikaler Demokratie und Arbeiterkontrolle die Rede, aber es steht nichts darin über den vollkommenen Bruch mit bürgerlicher Demokratie und Parlamentarismus.

Obzwar das Programm nicht nur das Troika-Memorandum, sondern auch die Verträge von Maastricht und Lissabon abzulehnen versucht, die als Säulen des Neoliberalismus und der Zerstörung eines „sozialen Europas“ angesehen werden, ist  es reformistisch in seiner Strategie. Es zeichnet eine Perspektive von Verhandlungen, um das neoliberale Schema von Privatisierung und Austerität durch ein Modell zu ersetzen, das sich eine soziale Ausgabepolitik und den Wohlfahrtsstaat als Ziel setzt. Tsipras hat Koalitionsgespräche mit allen anderen Parteien außer der faschistischen „Goldenen Dämmerung“ geführt und darüber, welche Politik mit den FührerInnen der G20-Staaten zu machen wäre. Selbst in der Schlüsselfrage der Schulden lautet die Hauptlosung „Untersuchung“ und nicht etwa „Streichung“.

RevolutionärInnen müssen den utopischen Charakter dieses Programms kritisieren und auch die fehlende Warnung an die Arbeiterklasse, dass die Forderungen mit den Erfordernissen des Kapitalismus in der Krise zusammenprallen. Jeder entschlossene Versuch, ein solches Programm durchzusetzen, wird auf die brutalen Attacken nicht nur der EU-Herrscher, sondern auch der griechischen Kapitalistenklasse und ihres Staatsapparats stoßen. Tsipras weist zurecht auf die unberechenbaren Folgen eines griechischen Staatsbankrotts und des Ausschlusses aus der Eurozone für die ganze finanzielle und geschäftliche Struktur Europas hin. Aber sich darauf zu verlassen - als Schutz einer Regierung, die sich die Annullierung des Troika-Memorandums vorgenommen hat - hieße, eine verhängnisvolle Fehleinschätzung geschichtlichen Ausmaßes zu begehen.

Es reicht für RevolutionärInnen aber nicht, Syrizas Reformismus nur den antikapitalistischen Programmendzielen gegenüber zu stellen. Stattdessen brauchen wir ein Aktionsprogramm von Übergangsforderungen, das viele der Ziele anspricht, die sich auch Syriza-AktivistInnen und -WählerInnen vorgenommen haben, aber nicht auf Verhandlungen mit Kapitalisten oder deren Staatsapparat zu deren Durchsetzung ausgerichtet sind. Vielmehr müssen Schritte eingeleitet werden, die zu Arbeiterkontrolle und Demokratie von unten führen. Teilweise sind schon Ansätze dazu in einer klassenorientierten Bewegung vorhanden, die allerdings in Form von Fabrikausschüssen auf Delegiertenbasis, von Arbeiterräten und Arbeitermilizen ausgebaut und auf Orts-, Regional- und Landesebene zusammengefasst werden müssen.

Eine Reihe von Veränderungen in der Geschichte Syrizas im vergangenen Jahrzehnt und v.a. in den letzten Monaten deuten an, dass es keine linksreformistische Partei im herkömmlichen Sinn in verhältnismäßig stabilem Rahmen ist. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen können sich Züge von Zentrismus zeigen, indem auch revolutionäre Losungen auftauchen, die zunehmend auch Mitglieder anziehen, die  subjektiv revolutionär in ihren Hoffnungen und Bestrebungen sind.

Syriza, eine Zusammenziehung des Namens „Synaspismos Rizospastikis Aristeras“  ist ein 2004 gegründetes Wahlbündnis verschiedener linker, ökologischer und radikalbürgerlicher Organisationen. Die Formierung von Syriza durch die Hereinnahme einiger weit links stehender Gruppierungen wie der maoistischen KOE, aber auch sich auf den Trotzkismus berufenden Teilen wie Kokkino oder DEA, die Trennung von der alten eurokommunistischen Führung von Synaspismos 2010, die revolutionäre Lage 2011/12, der Einfluss neuer Arbeiter- und Jugendmitglieder, die Massenversammlungen an der Parteibasis, sind starke Anzeichen für eine Bewegung der Partei nach links.

Trotzki merkte in einer ähnlichen Lage in den 30er Jahren, als die SFIO in Frankreich sich frisch radikalisierte, kritisch an: „Jene GenossInnen, die die Sozialistische Partei loben, hantieren selbst mit den vorgefertigten alten Formeln von gestern: ‚Reformismus’, 2. Internationale’, politische Unterstützung der Bourgeoisie’. Sind diese Definitionen korrekt? Ja und nein. Mehr nein als ja.“ Er fuhr fort: „Was wir hier haben, ist eine zentristische Partei, die dank einer langen Geschichte des Landes, noch äußerst gegensätzliche Widersprüche in sich vereint.“

Trotzki riet bekanntermaßen zu einer angemessenen Taktik der kleinen Gruppen von französischen TrotzkistInnen und zu deren Eintritt in die SFIO als Fraktion mit eigenem Programm, dem Aktionsprogramm für Frankreich. Diese Methode wäre auch heute die beste für die griechische äußerste Linke. MarxistInnen haben oft Archimedes zitiert: „Gib mir einen festen Punkt, und ich werde die Welt aus den Angeln heben.“ Heute können wir nicht nur sagen, dass eine revolutionäre Partei der Hebel ist, um Griechenland zu bewegen, sondern der Ort für eine kleine, subjektiv  revolutionäre Vorhut ist in Syriza, eine Partei, die mit Unbeugsamkeit und einer korrekten Politik Griechenland und ganz Europa bewegen könnte.

Natürlich wird dies nicht mit der derzeitigen Führung und deren Programm geschehen können. Sie stellen die eigentliche Gefahr für die Arbeiterklasse dar, denn sie werden im entscheidenden Augenblick zaudern und verraten. Eine zentrale Maßnahme zur Verhinderung dessen ist die Vorwarnung der Parteibasis, ist die Aufforderung an die reformistischen FührerInnen, die Macht zu übernehmen und die Ausführung der radikalsten und entschiedensten Maßnahmen des Syriza-Programms, und zugleich der Aufruf an die ArbeiterInnen, noch mehr konsequent antikapitalistische, d.h. Übergangsforderungen aufzustellen.

Obwohl es für RevolutionärInnen notwendig ist, in Syriza zu arbeiten und die entsprechenden Taktiken hier und jetzt anzuwenden, müssen sie aber weiterhin ihre völlige programmatische Unabhängigkeit bewahren, wie sie im Aktionsprogramm zur Machteroberung niedergelegt ist, und als Fraktion ihre unabhängige Organisation aufrecht erhalten und nicht aus Angst vor Ausschluss zurückschrecken vor der Rekrutierung von Mitgliedern für die eigenen Reihen.

Der Kampf in den kommenden Wochen und Monaten

Im Augenblick ist es lebenswichtig für RevolutionärInnen, eine solche Taktik in Syriza zu verfolgen und für die größtmögliche Wahlunterstützung aufzutreten, zugleich aber jede Einschränkung des Programms und der Führung zu kritisieren. Jedes sektiererische Fernbleiben von der Wahl wäre selbstmörderisch für die Linke, weil es die Initiative den FaschistInnen überlassen würde, die sich wie ein Flächenbrand im Lumpenproletariat, dem ruinierten Kleinbürgertum, bei den Arbeitslosen und unter der Jugend ausbreiten würden.

Die klassischen Bedingungen für den Aufstieg des Faschismus als ernsthaftem Anwärter auf die Machtübernahme sind gegeben, wenn die Arbeiterklasse ihre Gelegenheiten verpasst hat, der kapitalistischen Krise zu widerstehen. Ein Wahlsieg  für Syriza u.a. Anti-Austeritätsparteien würde eine solche Gelegenheit bieten. Er würde die Arbeiterklasse animieren, sich gegen Austerität zu wehren, auf ihre eigenen Interessen zu bauen und eigene Organisationen dafür zu gründen. Eine Niederlage würde jedoch eine gegenteilige Wirkung haben, der Erwartungshorizont würde sich verdüstern, die Kampfmoral würde sinken und der Widerstand würde zusammenbrechen. Noch schlimmer jedoch wäre das Fehlschlagen bei der Bildung eines Anti-Austeritätsregimes, weil sich Arbeiterparteien einer Regierungsbeteiligung verweigern.

Jede sektiererische Verweigerungshaltung in und nach den Wahlvorgängen wäre ein Verbrechen an der Arbeiterklasse und selbstmörderisch für die Linke. Doch gerade das ist die Position der KKE. Wie die deutsche KPD Anfang der 30er Jahre, die eine Einheitsfront mit der Sozialdemokratie wegen deren reformistischer Politik ablehnte und damit den Nationalsozialisten die Machtergreifung erleichterte, sieht die KKE, die erheblichen Einfluss mit ihrem Gewerkschaftsverbund PAME ausübt, anscheinend eher der Bildung einer Pro-Austeritätsregierung zu, als dass sie an der Seite der ReformistInnen in Syriza diese Kräfte bekämpft.

Das käme fraglos einer Tragödie gleich. Aber die Einnahme einer ähnlich ‚geradlinigen’ Position durch weit schwächere Kräfte, die z.T. in Antarsya-Bündnis organisiert sind, ist einfach nur lächerlich, obwohl dies zum Lachen keinen Anlass bieten sollte. Jede linke Partei, die den Rechten die Möglichkeit gibt, ihre Austeritätspolitik weiter zu betreiben, trotz der Gelegenheit, sie mit Mehrheit abzuwählen, wird unweigerlich und zu Recht von den Massen dafür verurteilt werden. In einer solchen Situation würden die FaschistInnen der „Goldenen Dämmerung“ einen Riesenzulauf an Stimmen und Unterstützung bekommen.

Wie die Wahl auch ausgehen mag: das Ausmaß der kapitalistischen Krise und der Austeritätsprogramme wird bleiben. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt schon bei 53,8% und die allgemeinen Zahlen bei 21,7%. Gleich, ob die Austerität durchgezogen wird oder der Staat pleite geht, auf jeden Fall wird es schlimmer werden. Wenn es keinen Kompromiss gibt, bei dem Merkel und die EU ein wenig nachgeben, läuft es auf ein Wettrennen zwischen den Klassenkräften von Arbeiterbewegung und Faschismus in den kommenden Monaten hinaus. Griechenland befindet sich dann in einer zugespitzt revolutionären bzw. konterrevolutionären Situation.

Deshalb sind antikapitalistische und sozialistische Maßnahmen gegen die Krise nicht nur eine Kampf um die Vorherrschaft von Ideen, sondern auch die einzige Lösung der Krise. Die griechische Krise zeigt einmal mehr, wie wichtig im positiven wie im  negativen Sinn politische Parteien sind und wie ernst die ungelöste Führungskrise der Arbeiterbewegung ist.

Angesichts dieser Lage sollten RevolutionärInnen in Griechenland für die Formierung eines Arbeiterregimes kämpfen. Der 4. Kongress der Kommunistischen Internationale vom Dezember 1922 hat die Hauptaufgaben einer Arbeiterregierung benannt:

„ Die elementaren Aufgaben einer Arbeiterregierung müssen darin bestehen, das Proletariats zu bewaffnen, die bürgerlichen, konter-revolutionären Organisationen zu entwaffnen, die Kontrolle der Produktion einzuführen, die Hauptlast der Steuern auf die Schultern der Reichen abzuwälzen und den Widerstand der konterrevolutionären Bourgeoisie zu brechen.

Eine solche Arbeiterregierung ist nur möglich, wenn sie aus dem Kampfe der Massen selbst geboren wird, sich auf kämpffähige Arbeiterorgane stützt, die von den untersten Schichten der unterdrückten Arbeitermassen geschaffen werden“

Weiter heißt es: „Auch einen Arbeiterregierung, die aus einer rein parlamentarischen Konstellation entspringt, die also rein parlamentarischen Ursprungs ist, kann den Anlaß zu einer Belebung der revolutionären Arbeiterbewegung geben. Es ist selbstverständlich, dass die Geburt einer wirklichen Arbeiterregierung und die weitere Aufrechterhaltung einer Regierung, die revolutionäre Politik betreibt, zum erbittertsten Kampf, eventuell zum Bürgerkrieg mit der Bourgeoisie führen muss. Schon der Versuch des Proletariats, eine solche Arbeiterregierung zu bilden, wird von vornherein auf den schärfsten Widerstand der Bourgeoisie stoßen. Die Losung der Arbeiterregierung hat daher geeignet, das Proletariat zusammenzuschließen und revolutionäre Kämpfe auszulösen.“

Trotzki wiederholte diese Grundsätze im Übergangsprogramm von 1938: „Von allen Parteien und Organisationen, die sich auf die Arbeiter und Bauern stützen und in ihrem Namen sprechen, fordern wir, politisch mit der Bourgeoisie zu brechen und den Weg des Kampfes um die Macht der Arbeiter und der Bauern zu beschreiten. Auf diesem Weg versprechen wir ihnen unsere volle Unterstützung gegen die kapitalistische Reaktion. Gleichzeitig entfalten wir eine unermüdliche Agitation für die Übergangsforderungen, die unseres Meinung nach das Programm der ‚Arbeiter- und Bauernregierung’ ausmachen sollen.“

Worauf kommt es für RevolutionärInnen in Griechenland nun an? Sie müssen Syriza, KKE und DIMAR auffordern, wenn sie eine absolute oder relative Stimmenmehrheit haben, eine Regierung zu formieren, welche die Austeritätspakte aufkündigt, die Löhne, Renten und Gewerkschaftsrechte wieder herstellt und der Troika trotzt.

Sie sollten dafür eintreten, dass Gewerkschaften und Bevölkerungsorganisationen sich in der Formierung von Arbeitermilizen zusammenschließen, sollten die Mannschaftsgrade der Armee auffordern, den Milizen beizutreten und die Bevölkerung mit Waffen zu versorgen, die faschistischen Banden zu zermalmen und die reaktionärsten und repressivsten paramilitärischen Polizeitruppen und Armeeregimenter aufzulösen. Die Geschehnisse in Chile und Portugal der 1970er Jahre zeigen, dass die Überlassung der Kontrolle über die Streitkräfte durch die  Generäle sich verheerend für die Arbeiterbewegung auswirken musste.

Eine solche Regierung muss wiederum die ArbeiterInnen und die Jugend Europas aufrufen, ihnen zu Hilfe zu eilen durch Massendemos und direkte Aktionen, um ihre eigenen Regierungen zu zwingen, ihre Drohungen gegen Griechenland fallen zu lassen und alle Schulden bedingungslos zu annullieren.

Das bedeutet jedoch keineswegs politische Unterstützung oder Vertrauen in eine von Syriza geführte Regierung, nicht einmal eine ‚kritische’ Unterstützung. RevolutionärInnen können Arbeiterparteien bei Wahlen als taktisches Mittel der Arbeitereinheitsfront kritisch unterstützen und von ihnen die Übernahme der Regierung von den bürgerlichen Parteien fordern, aber wir können ihnen keinen politischen Beistand leisten, wenn sie de facto ausführende Organe des kapitalistischen Staates sind. Ebenso wenig können Revolutionäre in eine nichtrevolutionäre Regierung von Arbeiterparteien eintreten, weil dies zweifelsohne die Arbeiterklasse auf verschiedene Weise angreifen wird. Wir sollten in vorderster Front gegen diese Angriffe stehen. Wenn eine Volksfrontregierung, die mit bürgerlichen Parteien eingegangen wird, gebildet wird, sollten wir den Rauswurf von kapitalistischen Ministern verlangen. Wir können aber auch keine passive, abseits stehende sektiererische Haltung gegenüber einer solchen Regierung einnehmen.

Genauso, wie wir die Arbeiterparteien und Gewerkschaften aufrufen, die Macht zu übernehmen, fordern wir, wenn dies geschehen ist, von ihnen, dass sie sich nicht auf Gesetzgebung, Justiz und bewaffnete Organe des kapitalistischen Staats stützen, sondern die Arbeiterklasse mobilisieren, um sie gegen die unvermeidlichen Attacken des repressiven, bürokratischen und juristischen Staatsapparats und gegen die Anschlägen der ‚Märkte’ in Schutz zu nehmen. Wir würden eine solche Regierung mit aller Kraft gegen die bürgerliche Offensive verteidigen, z.B. durch die Forderung nach Formierung von Arbeitermilizen, deren Bewaffnung und nach Maßnahmen zur Enteignung der Kapitalisten.

Griechenland befindet sich in einer objektiv revolutionären Lage, wird aber durch eine tiefgreifende Krise der proletarischen Führung von der Revolution abgehalten. Das hat große Auswirkung auf ganz Europa, besonders in Zusammenhang mir der Wahl von Hollande in Frankreich und dem denkbaren Konflikt mit der deutschen Merkel-Regierung. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die westeuropäische Arbeiterklasse in Passivität verfällt angesichts der ständigen anti-griechischen chauvinistischen Hetze, aber auch durch die Täuschungsmanöver der Sozialdemokratie, die die Austeritätspakete durch ergänzende ‚Wachstumspakete’ verharmlosen will. Diese keynesianische Seifenblase von großen Infrastrukturprogrammen für die Allgemeinheit wird allerdings schnell zerplatzen und übrig bleiben weitere neoliberale Reformen, die Einschränkung von Schutzgesetzen, Lohnkürzungen, mehr Prekarität und mehr Privatisierungen.

Die zentristische Linke, die sich von ihrer Schwärmerei für die Occupy-Bewegung 2011 erholt hat, wird nun wieder linksreformistischen Parteien hinterher jagen, die eine Regierung bilden können. Ganz offenbar hängt sie sich an Syriza, aber auch an die Front de Gauche in Frankreich oder noch an die schwächelnde Linkspartei in Deutschland. Sie könnte auch das antikapitalistische Organisationsmodell von NPA und Antarsya wieder fallen lassen. Die entscheidende Frage hier ist nicht, ob in ‚breite’, ‚plurale’ oder zentristische Organisationen interveniert werden müsste, oder ob subjektiv revolutionäre Kräfte sich zusammenschließen, denn beides hängt von den konkreten Gegebenheiten ab, sondern dass RevolutionärInnen ihren Prinzipien treu bleiben, das leninistische Parteikonzept verteidigen und für ein Übergangsprogramm eintreten.

Antarsya und die äußerste Linke

Antarsya hat die Bedeutung einer massiven Wählerwanderung zu Syriza als Ausdruck einer Ablehnung der Austeritätsprogramme begriffen. Die Organisation hat eine Reihe von Forderungen als Grundlage für eine gesellschaftliche Bewegung von unten ausgearbeitet und ruft Syriza dazu auf, sich auf deren Durchsetzung einzulassen. Dies sind:

„1. Streichung aller Memoranden und Kreditvereinbarungen mit EU, EZB und IWF sowie Streichung aller angedrohten Kürzungsmaßnahmen;

2. Schutz für alle Arbeitslosen, Anhebung von Löhnen und Renten, Verkürzung der Arbeitszeit, sichere Beschäftigung für alle, Besteuerung des Großkapitals;

3. Sofortige Einstellung aller Zahlungen an die Kreditgeber und einseitige Streichung aller öffentlichen Wucherschulden;

4. Entschädigungslose Verstaatlichung aller Banken und Unternehmen von strategischer Bedeutung unter Arbeiterkontrolle;

5. Wiedereinsetzung der Bevölkerung als Souverän und Demokratie durch das Volk, für das Volk, Auflösung aller polizeilichen Sondereinheiten, Neutralisierung der Nazipartei „Goldene Dämmerung“, Beendigung aller gegen EinwanderInnen gerichteten Hetzjagden, Abbau der Armeestrukturen zum Einsatz gegen die Bevölkerung, Austritt aus der NATO;

6. Keine der vorangegangenen wichtigen Forderungen können ohne sofortigen Austritt aus der Eurowährung und den Euroverträgen erfüllt werden, Bruch mit und Austritt aus der EU.“

Antarsya tritt auch ein für: Erhebung der gesamten arbeitenden Bevölkerung - für eine antikapitalistische Revolution! Macht und Wohlstand gehören in die Hände der ArbeiterInnen!

Die ersten 4 Punkte sind unseres Erachtens wesentlich.

Die fünfte Forderung sagt weder aus, welche Institutionen die Bevölkerungssouveränität ausüben soll, noch welchen Klassencharakter sie haben sollen - Parlament oder Räte? Ebenso wird verschwiegen, wie die „Goldene Dämmerung“ ‚neutralisiert’ werden soll, durch den Staat oder durch bewaffnete ArbeiterInnen? Gleichermaßen gibt es keine Auskunft darüber, wie die einwandererfeindlichen Pogrome gestoppt werden können. Hierzu müssen zwei Organisationsformen als Stichworte fallen: Arbeiterräte und Arbeitermilizen.

Punkt 6 gibt gar eine völlig falsche Antwort. Als ob der Austritt aus Euro und EU als strategische Notwendigkeit oder prinzipielles Ziel für die Bewegung taugt. Jede Vorstellung, dass Unabhängigkeit eine Vorbedingung für den Sieg der Arbeiterklasse sei, hat eine gefährliche Abgleitfläche zum Nationalismus und ist eine utopische Strategie. Die strategische Orientierung von RevolutionärInnen muss auf einen gesamteuropäischen Sturz des Kapitalismus gerichtet sein und unsere Taktik muss dieser Strategie dienen. D.h. wir müssen uns für eine gesamteuropäische Offensive der Arbeiterklasse gegen die EU-Behörden und die EU-Hauptmächte, gegen deren Austeritätspläne und Kürzungsprogramme überall stark machen, und nicht Griechenland als Fall behandeln, der zwar gegenwärtig der brisanteste und radikalste ist, aber nicht isoliert von den natürlichen Bundesgenossen auf dem Erdteil gesehen werden darf.

Außerdem wäre der Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone oder gar aus der EU ein Lösungsansatz für die imperialistischen Mächte in der EU, um ihre Finanzkontrolle über den restlichen Block aufrecht erhalten zu können. Warum sollen wir den EU-HerrscherInnen die Arbeit auch noch erleichtern? Der Versuch, ein kapitalistisches Griechenland autark von Europa aufzubauen, würde mit Sicherheit zu einer galoppierenden Inflation führen, zumal eine wiedereingeführte Drachme in der Bewertung ins Bodenlose fallen würde und Griechenlands ArbeiterInnen keine größere Kontrolle über die eigene Wirtschaft ermöglichen würde, als gegenwärtig innerhalb der EU.

Im Zusammenhang mit der antikapitalistischen Revolution, die Antarsya fordert, werden die EU-Regierungen natürlich eine Blockade über Griechenland verhängen, die die Revolution schon im Ansatz erdrosseln will. Unter diesen Umständen müssen RevolutionärInnen überall gegen eine solche erzwungene ‚Unabhängigkeit’ sein und die konterrevolutionären Einrichtungen der EU bekämpfen und sie durch die Vereinten Sozialistischen Staaten von Europa ersetzen.

Schließlich ist auch die Perspektive einer revolutionären Erhebung eine inhaltsleere Phrase, wenn sie nicht die Frage der Führung der Arbeiterklasse, die immer noch in Händen von linksreformistischen und stalinistisch angehauchten ReformistInnen liegt, anspricht. Diese existente Führung wäre imstande, in den nächsten Monaten eine Regierung zu stellen, die sofort unter heftigen Druck mit wirtschaftlicher und verfassungsmäßiger Instabilität geraten würde. Die bloße Kritik an Syriza oder die passive Hoffnung, dass die Partei gewinnt, und selbst auf die wirkliche Revolution mit Sowjets, Aufstand usw. zu warten, wenn revolutionäre Sekten dazu bereit sind, erscheint zwar prinzipienfest, ist in Wahrheit aber taktisch absolut nicht auf der Höhe der revolutionären Aufgaben.

Das ist genau die Art Situation, die die Kommunistische Internationale mit ihrer Darlegung der  Einheitsfronttaktik und besonders mit der Taktik der Arbeiterregierung angesprochen hat. Die heutigen RevolutionärInnen sollten jene Taktiken in den nächsten Monaten anwenden. Wenn Syriza bei der Wahl genug Stimmen und Sitze erhält, um eine linke Koalition zustande zu bringen und ihre Versprechen hält, das Spar-Memorandum abzulehnen, wäre es die Aufgabe von RevolutionärInnen - ungeachtet ihrer Zahl -, sie gegen die unweigerlichen Sabotageakte und Revolten aller Teile des bürgerlichen Staatsapparats zu verteidigen. Unsere Aufgabe sollte es sein, den Aufbau von Delegiertenräten aus Gewerkschaften, Betrieben und Bevölkerungsausschüssen zu propagieren, um dieses Ziel zu erreichen.

D.h. auch, alle Gewerkschaften, besonders auf Betriebsebene, anzusprechen, Massenversammlungen abzuhalten und Abordnungen für Aktionsräte als echte alternative Machtorgane in jeder Ortschaft Griechenlands zu wählen. Das Muster für solche Versammlungen ist bei den Platzbesetzungen, aber auch auf Syriza-Zusammenkünften gelegt worden. Solche Organe müssten eine Massenverteidigungsstreitmacht aus ArbeiterInnen, Erwerbslosen, StudentInnen aufbauen, die fähig wären, die neue Macht zu verteidigen. Nur ein Regime, das sich auf eine alarmierte und mobilisierbare Arbeitsbevölkerung gründet, könnte sich den heimischen und auswärtigen Kräften der Reaktion erfolgreich entgegen stellen und die wesentlichsten Maßnahmen durchführen.

In diesen Organen würden wir für deren Kontrolle über die großen Firmen und Banken der kapitalistischen Ökonomie plädieren und die Zustimmung der Regierung zu all diesen Maßnahmen einfordern. Die Regierung müsste bei dem zu erwartenden Gegenschlag der EU und der imperialistischen Mächte auch die ArbeiterInnen ganz Europas für ihre griechischen Klassengeschwister zu Hilfe rufen und zu direkten Aktionen gegen ihre Regierungen und die EU-Institutionen mobilisieren - zu einem militanten Miteinander für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa als erstem Schritt hin zu einer sozialistischen Welt.

Für AntikapitalistInnen und RevolutionärInnen außerhalb Griechenlands ist es die eindeutige Pflicht, eine europaweite Bewegung in Gang zu setzen und den vollständigen Erlass der griechischen Staatsschulden zu fordern und die Rücknahme des Fiskalpakts. Wir sollten die französischen, deutschen, spanischen, italienischen und griechischen Gewerkschaften, die linken sozialdemokratischen und stalinistischen sowie auch die Mehrheitssozialdemokraten und Labour-Parteien aufrufen, auf den Straßen zu demonstrieren und im Parlament zu protestieren und ein Ende der Peinigung der griechischen Bevölkerung, die völlige Streichung der griechischen Staatsschulden sowie die Abschaffung des Fiskalpakts zu fordern.

Quer durch Europa müssen RevolutionärInnen ihre Kräfte bündeln, um die Schlüsselelemente eines Kurses zu vertreten, der die Austeritätsprogramme zum Stillstand bringt, die Reichen zahlen lässt und Sozialismus und Revolution auf die Tagesordnung für die Massen setzt.

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