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Wahlen in NRW

SPD - volle Kraft voraus?

Tobi Hansen, Infomail 623, 16. Mai

Die vorgezogenen Neuwahlen in Nordrhein-Westfalen haben Rot/Grün die absolute Mehrheit beschert, die SPD hat mit 39,1% ein Spitzenergebnis erreicht. Dass die SPD die CDU abhängen würde, war aus den Umfragen zuvor war abzulesen, allerdings nicht die Deutlichkeit. Die CDU verliert über 8 Prozentpunkte und sackt auf 26,3%., das mit Abstand schlechteste Ergebnis aller Landtagswahlen seit 1945. Damit hat Röttgen auch sein kurzes Zwischenspiel in NRW beendet, „fristgerecht“ trat er nach der Wahl von allen Landesämtern zurück.

Fast schon sensationell im Vergleich zu den letzten Wahlergebnissen war das Ergebnis der FDP. Nachdem sie schon überall auf dem Weg Richtung „sonstige Parteien“ eingebogen war, retteten in Schleswig-Holstein Kubicki und nun in NRW Lindner der Partei die Parlamentszugehörigkeit. Die FDP gewann sogar 1,9% hinzu und kam auf 8,6% . Ex-Generalsekretär Lindner wurde auch nicht müde zu betonen, wer denn diese „neue“ FDP gewählt hat - „die ehemaligen Wähler eines Friedrich Merz, eines Dr. Clement und enttäuschte Liberale“.

Bei den anderen Parteien verteilte es sich wie erwartet, die Grünen konnten das Ergebnis halten, mehr nicht. Die Piraten setzen ihre Kaperfahrt fort – 7,8% im bevölkerungsreichsten Bundesland, damit sind die Piraten endgültig in der Lage, auch bei der Bundestagswahl ins Parlament zu kommen. Die Linkspartei wurde mit 2,5% aus dem Landtag gewählt und schlitterte in ein erneutes Desaster.

Einfach wieder sozial?

Die SPD-Spitze war fast schon überrascht davon, wie Hannelore Kraft mit den „Kernthemen“ der SPD wie „soziale Gerechtigkeit und Bildung“ Stimmen gewinnen konnte und sehr „glaubwürdig“ war. Drei Jahre nachdem die SPD bei der Bundestagswahl 2009 für 11 Jahre Regierungsbeteiligung mit 23% abgestraft wurde, kann die SPD jetzt wieder mit „sozialer Gerechtigkeit“ punkten. Was ist da passiert?

Die Agenda2010 und Harz IV-Partei hat sich politisch in der Opposition etwas nach links bewegt. Zwar werden die „Leistungen“ der Agenda-Politik noch gewürdigt, allerdings findet sich derzeit wenig Spitzenpersonal, das damit in Verbindung gebracht werden möchte. Stattdessen versucht die SPD sich jetzt beim französischen Präsidenten Hollande ein Beispiel zu nehmen und fordert auch Nachbesserungen beim Fiskalpakt - ein Wachstumspaket und eine Finanztransaktionssteuer. Wenn schon eine Schuldenbremse, dann doch zumindest auch noch ein bisschen Konjunkturprogramm, um zumindest den Anschein zu erwecken, etwas für die „kleinen Leute“ zu tun. Damit konnte die SPD sich profilieren.

Das zeigt auch das ganze Dilemma der Linkspartei. Selbst wenn diese Partei nicht von inneren Kämpfen zerrissen wäre, hätte sie doch Probleme gehabt, sich links von Rot/Grün zu positionieren. Die Linke wählt niemand mehr aus Protest gegen die Agenda-Politik, aus Protest gegen das ganze Parteiensystem werden derzeit munter die Piraten gewählt, besonders von jüngeren Wählerschichten.

Speziell während der EU Krise konnte sich die LINKE nicht links von SPD und Grünen positionieren. Inhaltlich trat sie bestenfalls etwas radikaler auf als diese beiden. Nun wirft sie der SPD vor, der LINKEN die „Themen“ gestohlen zu haben - also dieselben sozialdemokratischen Forderungen und Programme zu vertreten, die die Linkspartei von der SPD abgekupfert hat. Und da zogen es viele ehemaliger SPD-WählerInnen und GewerkschafterInnen vor, gleich das Original und nicht die linke, kleinere Kopie zu wählen.

Auf Grundlage ihrer politischen Forderungen unterschied sich DIE LINKE also kaum. Daher hätte sie sich nur durch ihre Rolle in Kämpfen, in sozialen Bewegungen unterscheiden können. Doch auch da: Fehlanzeige.

Ihr Widerstand gegen die Schuldenbremse in der EU blieb schriftlich. Seit 2009 war die LINKE nicht wahrnehmbar im Widerstand gegen die Krisenpolitik bzw. war nicht in der Lage zu mobilisieren. Ihre Forderungen gegen die Krise waren meist auf Konjunkturprogramme begrenzt, Forderungen gegen die Schuldenbremse blieben nicht haften in der Öffentlichkeit.

Internationale Auswirkungen

Das Wahlergebnis wird, zusammen mit den Ergebnissen in Frankreich, wohl zu einer Neuverhandlung des Fiskalpaktes in der BRD und Frankreich führen. Die Sozialdemokraten werden sich bemühen, „Konjunkturmaßnahmen“ mit zu integrieren, nur dann ist wohl die Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag sicher.

Gar nicht mehr sicher ist dann aber die Haltbarkeit der schwarz/gelben Regierung, schließlich gewann die FDP ihre Wahlen mit der Gegnerschaft zu mehr Schulden - ob die FDP im Bundestag einem Kompromiss von CDU/SPD zustimmt, ist mehr als fraglich.

Sollte die Sozialdemokratie neben Frankreich demnächst also auch in Deutschland dominieren, würde das alte Euro/EU-Schuldenmanagement zwar weitergehen, aber mit etwas „menschlicherem“ Antlitz. Das wäre keine neue Strategie, sondern nur eine neue taktische Variante. Gleichwohl könnte das dazu führen, dass der europaweite Unmut der von Sozialabbau und Verschuldung geplagten Massen sich verstärkt in einer politischen Hinwendung zur Sozialdemokratie äußert. Die Gefahr dabei ist, dass diese reformistischen Illusionen schnell auffliegen und die Massen sich dann enttäuscht nach rechts wenden - oder aber sich nach antikapitalistischen Alternativen umsehen.

Insofern ist es also schon jetzt wichtig, das reformistische Bäumchen-wechsle-Dich-Spiel von Linkspartei und SPD als Mogelpackung zu entlarven und eine revolutionäre Alternative - programmatisch und organisatorisch - aufzubauen. Dazu gehört aber eben auch, an den Illusionen der Massen in die reformistischen Führungen anzuknüpfen, indem Forderungen an diese Führungen gestellt werden, um deren Versprechungen in der Praxis zu testen und die Linke und die Arbeiterorganisationen, v.a. den DGB, zu mobilisieren.

Nur ein europaweit koordinierter Widerstand  kann die Schulden- und Spardiktate stoppen.

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