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Wahlen in Argentinien

Christina statt Krise?

Irene Zelano, Infomail 587, 1. November 2011

„Fuerza Christina!“, skandierten Tausende auf dem Plaza de Mayo, dem zentralen Platz vor dem Regierungsgebäude in Buenos Aires, als am Sonntag, dem 23. Oktober, als Christina Fernandez Kirchner ihre Stimme erhob, um ihren Wahlerfolg zu feiern. Die AnhängerInnen der Präsidentin klatschten, schrieen und sangen. Plakate mit Evita fehlten ebensowenig wie Plakate mit dem Bild des verstorbenen Ehemanns und vorherigen Präsidenten Nestor Kirchner. Mit über 53% der Stimmen und knapp 40% Abstand zum darauf folgenden Kandidaten, Binner, der Wahlplattform „Frente Amplio Progresista“, wurde Kirchner von der peronistischen „Partido Justicialista“ (PJ) in ihrem Amt als Präsidentin Argentiniens bestätigt.

Die Wahlplattform der Präsidentin „Frente para la Victoria“ gewann 135 der 257 Sitze im Parlament und erreichte eine Erhöhung der Mitglieder im Senat auf 38, was ihr auch dort die Mehrheit sichert.

Auf die 53,9% der Präsidentin und die mit Abstand folgenden 16,8%des Kandidaten der „Partido Socialista“, Binners, folgen Alfonsín (rechte Partei „Radical“) mit 11,1%, Saa (rechter Flügel der PJ) mit 8,0%, Duhalde (ebenfalls vom rechten Flügel der PJ), mit 5,9%, Altamira („trotzkistische“ „Partido Obrero“) mit 2,3% und Carrió (Abspaltung der „Radical“) mit 1,8%. Alle weiteren Kandidaten ereichten bei den Vorwahlen nicht die nötigen 2%, um zur Präsidentschaftswahl antreten zu dürfen.

Mit dem spektakulären Wahlerfolg der PJ regieren die Kirchners nun bereits die dritte Legislaturperiode und prägt den „Kirchnerismo“, worunter man die Verbindung des klassischen Peronismus mit aktueller „Realpolitik“ versteht. Was dies wirklich heißt, wird bei aller Pathetik außen vor gelassen und lieber durch Schwenken von Evita-Fahnen und Tränen der Rührung verdeckt.

Kirchners Wahlerfolg stützt sich im Wesentlichen nicht auf große Versprechen, sondern auf die Entwicklung der letzten Jahre: ein Wirtschaftswachstum von 9,1%, das eine Erhöhung und Systematisierung von Rentenzahlungen, die Erhöhung der Investitionen in Bildung bei gleichzeitiger Senkung der Ausgaben für Auslandsschulden erlaubte und v.a. die niedrigste Arbeitslosenquote seit 20 Jahren brachte: 7,2%.

Geliebt wird die Präsidentin, neben dem Personenkult als „Evita 2“ auch für die große Einbindung lokaler Gremien, Jugendlicher, Bewohner ärmerer Viertel etc., welche nun das Gefühl haben, die Politik mitzubestimmen, obwohl all die neu geschaffenen Gremien natürlich nicht über bindende Beschlüsse oder wirklichen Einfluss verfügen. Aber „Christina“ betonte auch in ihrer Rede, dass wir nun „jeden Argentinier brauchen“ und sie hofft, eine gute Stütze sein zu können, um „unser Land, la Patria, voran zu bringen.“

Die Wahlplattform der „trotzkistischen“ Parteien, „Frente Izquierda“, bestehend aus Partido Obrero (PO), Partido de Trabajadores Sozialistas (PTS) und Izquierda Sozialista (IS), kam mit knapp 500.000 Stimmen auf gut 2,3%. In ihrem Wahlkampf mobilisierte sie gegen den Bürokratismus, die Korruption  und die Täuschung durch die linken Rhetorik des „Kirchnerismus“.

Populismus

Zur Zeit steht das Duo Kirchner und Vizepräsident Boudou für eine keynsianische Strategie: Ankurbelung der Wirtschaft durch Erhöhung der Staatsausgaben anstelle von Kürzungsprogrammen und Sparmaßnahmen. Die Versprechungen für die nächste Zeit beinhalten auch eine weitere Senkung des Reichtumsgefälles innerhalb des Landes, den Ausbau der Infrastruktur in ärmeren Regionen sowie allgemein Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser und Industrie.

Ziel ist, die Nutzung der Ressourcen des Landes weiter zu erhöhen, damit den Infrastrukturausbau zu finanzieren und so die Ansiedelung des verarbeitenden Gewerbes zu fördern. Ein weiteres Ziel ist es, den Verkauf von Landflächen an ausländische Investoren einzudämmen, die Inflationsrate zu senken und das Wirtschaftswachstum zu halten.

Kirchner und die peronistische Partei präsentieren ein solches Programm gern so, als würde es allen Klassen gleichermaßen dienen. Das spiegelt nicht zuletzt den populistischen Charakter der peronistischen Partei wider, die sich als Partei „aller ArgentinierInnen“ unabhängig von ihrer Klassenzugehörigkeit präsentiert und so ihren grundlegend bürgerlichen Charakter verhüllt. Dabei stützt sich diese Partei in Wirklichkeit auf wichtige Teile der argentinischen Kapitalistenklasse, inkorporiert aber zugleich große Teil der Gewerkschaften – genauer deren Bürokratie - über ein System von Korruption, Privilegien, kleinen Zugeständnissen an die Massen und handfester Repression gegenüber „Abweichlern“. Solange das Land nicht von der globalen Krise im vollen Ausmaß getroffen wird, soll und kann der populistische Glanz durch Erhöhung von staatlichen Leistungen für den „Sozialstaat“ befördert werden. So konnte auch Basis unter den Armen und Lohnabhängigen und Armen gehalten werden.

Doch in Wirklichkeit stützt die Politik von Christina Krichner v.a. die Reichen, die argentinischen Kapitalisten und soll ihre Position in der internationalen Konkurrenz stärken. Es ist bezeichnend, dass erhöhte Staatsausgaben nicht durch die Besteuerung der Profite und Vermögen, sondern durch den Rückgriff auf das Vermögen der Nationalbank finanziert werden sollen.

Die sich erneut zuspitzende globale Krise wird diese inneren Widersprüche des Krichnerismo unwillkürlich zu Trage treten lassen. Dann wird Argentinien in eine Periode der politischen und sozialen Polarisierung eintreten, bei der es entscheidend darauf ankommen wird, ob die „radikale“ Linke des Landes in der Lage ist, die AnhängerInnen des Peronismus unter den Lohnabhängigen von ihrem Populismus zu brechen und für eine revolutionäre ArbeiterInnenpolitik zu gewinnen.

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